von Nick Lüthi

Journalismus ohne Geschäftsmodell

Der Journalist und Publizist Urs P. Gasche (Ex-«Kassensturz»; «Schluss mit dem Wachstumswahn») startet den bisher ambitioniertesten Versuch, abseits der etablierten Verlagskanäle im Internet Journalismus zum Blühen zu bringen. Das Magazin «Infosperber» bietet zwar kein vollständiges Nachrichtenangebot, ergänzt aber die Themenpalette punktuell und versteht sich als Navigationshilfe durch die Informationsflut.

Das Gründungsfieber grassiert weiter. Der jüngste Schub hat die Nachrichtenplattform «Infosperber» hervorgebracht. Wie bereits bei der Gründung von journal 21 hat eine Gruppe altgedienter Journalisten selbst ein Online-Magazin gegründet, anstatt über den Zustand der Medien zu lamentieren. «Infosperber», das heute offiziell das Licht der Online-Welt erblickt, will nach eigenen Angaben das Augenmerk auf «vergessene Zusammenhänge und vernachlässigte Perspektiven» richten. Aber: «Bei Infosperber gibt es keinen Pflichtstoff», sagt Urs P. Gasche, der das Projekt als treibende Kraft mit an den Start gebracht hat. Ein Blick auf die ersten Artikel widerspiegelt die allgemeine Nachrichtenlage: Prominent vertreten sind zum Start Artikel zu Atom- und Energiefragen und zur Lage in Libyen. Der Aufmacher im Wirtschaftsressort besteht überraschenderweise nur aus eine Anreisser für einen Artikel im journal 21 zu den Begehrlichkeiten rund um das Erdöl in Libyen. Mit Links auf Angebote von Dritten und Zweitverwertungen hat Urs P. Gasche kein Problem. Es ist Teil der Redaktionspolitik, auf vorhandenes Textmaterial zurückzugreifen. Aus einfachen Gründen: «Bei uns können die Autoren ein zusätzliches Publikum ansprechen.» Ausserdem hoffe er, dass freie Journalistinnen und Journalisten Artikel zur kostenlosen Zweitverwertung zur Verfügung stellen. Das Angebot zum Start ist beeindruckend: Von den neun Ressorts sind die meisten bereits reich bestückt.

In der Redaktionsleitung befinden sich neben Gasche altbekannte Figuren aus der Schweizer Medienlandschaft mit an Bord des neuen Nachrichtenmagazins. Zum Beispiel Hanspeter Guggenbühl, der zusammen mit Gasche mehrere konsumkritische Bücher verfasst hat. Der langjährige freie Journalist ist ein ausgewiesener Spezialist für Energiefragen und deshalb gerade in diesen Tagen eine interessante Stimme. Ebenfalls in die Kategorie «alter Fuchs» fällt Niklaus Ramseyer. Der frühere Bundeshauskorrespondent der Basler Zeitung hat nach seiner Pensionierung den Arbeitsplatz in Bundesbern behalten und arbeitet seither als freier Journalist, unter anderem als Korrespondent für Roger Schawinskis Radio 1 und die Gewerkschaftszeitung Work. Mit Robert Ruoff (Ex-Moderator und Produzent Schweizer Fernsehen) und Christian Müller (Ex-Verlagsleiter Vogt/Schild-Medien, Solothurn) befinden sich zwei weitere Pensionäre mit einschlägiger Vergangenheit in der Redaktionsleitung. «Es ist naheliegend, dass bei einem solchen Projekt Leute im Ruhestand mitmachen. Aber die Redaktion besteht nicht nur aus Rentnern. Eine Durchmischung finde ich wichtig. Denn ein 30-Jähriger sieht die Welt anders an als ein 60-Jähriger.» Dreissig Jahre jünger als die Altherren in der Redaktionsleitung ist Christof Moser, 31, Bundeshausredaktor vom «Sonntag»; und er ist nicht nur die Ausnahme, die die Regel bestätigt. In der rund 30-köpfigen Redaktion sind Alter und Geschlecht bunter gemischt als in der Leitung.

Getragen wird Infosperber von der eigens zu diesem Zweck gegründeten «Schweizerischen Stiftung zur Förderung unabhängiger Information» SSUI. Wer beim Stichwort Stiftung an viel Geld denkt, liegt in diesem Fall falsch. «Hinter der SSUI steckt weder ein potenter Stifter noch ein Mäzen. Lediglich unser Gründungskapital von 150’000 Franken befindet sich in der Stiftung», sagt Urs P. Gasche. Man habe bewusst das Modell einer Stiftung als Trägerin von «Infosperber» gewählt. Damit ist garantiert, dass niemand den Zweck ändern und auch niemand die Plattform kaufen kann. Ein Geschäftsmodell gibt es für «Infosperber» keines. Man nimmt einfach das Geld, das kommt. Wenn es denn kommt. Zum Beispiel über Spenden, wofür es unter einem Teil der Artikel einen Paypal-Button gibt. Auch über Flattr kann man als Leser das Projekt unterstützen. «Infosperber»-Gründer Gasche hält dies das derzeit beste Spendensystem: «Flattr ist besonders geeignet, weil praktisch der ganze Betrag den Begünstigten zukommt.»

Leserbeiträge

Bernhard Kobel 01. April 2011, 11:33

Infosperber ist wie Journal21 eine Bankotterklärung der beteiligten Journalisten. Mit dem fehlenden Geschäftsmodell bestätigen sie gleich selber, dass niemand bereit ist, für ihre Arbeit zu bezahlen. Fehlt da einfach die Fantasie oder hat die jahrzentelange Arbeitsteilung, dass andere für das Geld sorgen mussten, das die Journalisten kosteten, einfach träge gemacht? Anstatt über ein mögliches Modell nachzudenken, werden die beteiligten Journalisten zu Selbstdarstellern (und Selbstausbeutern), die von Gottes Lohn oder Almosen leben. Wahrlich eine traurige Botschaft.

Schnell Urs 17. Dezember 2019, 16:38

So ein Quatsch.

Wir schreiben 2019, und Infosperber ist eine wichtige Ergänzung.  Unverzichtbart!

Christof 05. April 2011, 23:13

@Bernhard Kobel: Warum ist das eine traurige Botschaft? Guter Journalismus war immer schon Selbstausbeutung. Und das ist gut so. Nur wer bereit ist, sich selber auszubeuten, schreibt nicht primär für Geld, sondern aus Überzeugung.

Ninon 08. April 2011, 13:03

@ Christof: Ihr Bild vom armen, aber guten Journalisten ist doch sehr naiv. Und Journalisten als Überzeugungstäter sind mir persönlich zutiefst zuwider. Ich schätze professionellen Journalismus. Journalismus ist ein Beruf und kein Hobby. Ein professioneller Journalist lässt sich bezahlen für seine Arbeit und er wird für seine Arbeit auch bezahlt. Es mag vereinzelt guten Journalismus geben, der auf Selbstausbeutung beruht. Im Allgemeinen ist es aber doch so, dass guter Journalismus honoriert wird – auch finanziell. Und umgekehrt gilt auch: Die wenigsten Journalisten, die sich selber ausbeuten, machen wirklich guten Journalismus. Vor allem, wenn er sich jahrelang selbst ausbeutet, sollte es ihm zu denken geben. Sorry, nicht jeder erfolglose Künstler ist ein Van Gogh, die meisten sind und bleiben einfallslose Sonntagsmaler, die hin und wieder in einer kleinen, provinziellen Galerie etwas ausstellen dürfen.

Christof 12. April 2011, 10:10

@Ninon: Ich muss feststellen, dass sie die Realitäten in diesem Beruf nicht kennen.