von Nick Lüthi

Senderlos glücklich

Tamedia hat gestern bekanntgegeben, seine vier Radio- und Fernsehsender verkaufen zu wollen. Gerüchteweise war davon bereits im Februar die Rede. Als möglicher Käufer für TeleZüri kommt allenfalls Ringier in Frage. Mit dem Abschied von Lokalradio und Regional-TV beendet Tamedia-Chef Martin Kall ein Kapitel, das seine Vorgänger mit viel Geld in der Hand aufgeschlagen hatten.

Aufschlussreich ist nicht nur, was jemand sagt, sondern auch, was er verschweigt. Wie im Fall von Tamedia-Unternehmensleiter Martin Kall. In seinem Kommentar zum vergangenen Geschäftsjahr spricht Kall viel von Zeitungen und Onlinemedien. Radio und TV erwähnt er mit keinem Wort. Kein Wunder: Tamedia will seine vier Sender loswerden, gab das Unternehmen am Dienstag bekannt. Kall hat sich wohl schon beim Verfassen des Geschäftsberichts mental von Telezüri, Telebärn, Radio 24 und Capital FM getrennt.

Der Abschied von der Rundfunksparte erscheint im Licht der Geschäftspolitik von Tamedia der letzten Jahre nur folgerichtig. Eine auf Gewinnoptimierung getrimmte Geldmaschine (Gewinn 2010: 110 Mio. Fr.) verträgt keine Unternehmensteile, deren kommerzielles Entwicklungspotenzial beschränkt ist. Mit Radio und TV lässt sich in der Schweiz nicht das grosse Geschäft machen. Das hat zum einen mit dem vergleichsweise kleinen Markt in der Deutschschweiz zu tun und der gesetzlichen Reglementierung, die den Unternehmen klare kommerzielle und publizistische Leitplanken setzt. Zum anderen kostet die Fernsehproduktion mit ihrer aufwendigen Technik eine ganze Stange Geld. Davon kann Tamedia ein Lied singen: Vor zehn Jahren setzte der Konzern mit TV3 über 100 Millionen Franken in den Sand und warf 90 Millionen auf für den Kauf von Telezüri und Radio 24. Die Verantwortung für diese Entscheide trug Michel Favre als Konzernleiter. Unter der Führung von Martin Kall handelt Tamedia schnell und konsequent, wenn es auf der Habenseite mal nicht mehr ganz so rosig aussieht, wie sich Aktionariat und Besitzerfamilie das vorstellen. Das zeigte der Konzern in der Vergangenheit mehrmals mit Massenentlassungen bei seinen Zeitungen.

Wenn Tamedia nun bekanntgibt, seine vier Sender verkaufen zu wollen, hat das Signalwirkung für die ganze Branche. Denn es ist nicht ganz unerheblich, wenn das grösste private schweizerische Medienunternehmen Radio und Fernsehen als strategisch bedeutungslose Geschäftsfelder sieht. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein weiterer Grund, den Tamedia für seine Verkaufsabsichten nennt: Das Medienhaus will sich nicht ein weiteres Mal dem Konzessionsverfahren stellen, wenn die Sendebewilligungen für Schweizer Privatsender in acht Jahren neu vergeben werden. Seine Sender könnten dabei leer ausgehen, fürchtet Tamedia bereits heute.

Zumindest für Telezüri dürfte es kein Problem sein, einen Käufer zu finden. So hat Ringier das Interesse an einem eigenen TV-Sender angemeldet und Telezüri als potenziellen Kaufkandidaten genannt. Gut möglich, dass die beiden Unternehmen bereits hinter den Kulissen verhandeln. Schwieriger sieht es für die anderen drei Sender aus. Besonders für die beiden Berner Lokalmedien Telebärn und Radio Capital FM dürfte es nicht einfach werden, einen neuen Besitzer zu finden. Erst vor zwei Jahren wurden die Sender zusammen mit der Berner Zeitung BZ in das neue Multimediahaus in Bern integriert. Seither arbeiten die drei Medien eng zusammen, wobei Radio und Fernsehen vom journalistischen Know-how der BZ profitieren und die Zeitung Ton und Bild auf ihrer Website verwerten darf. Mit einem neuen Besitzer würden solche Kooperationen komplizierter, wenn nicht gar unmöglich. Ein Verkaufserfolg ist also alles andere als gewiss. Wenn Tamedia keine Käufer findet, müsste wohl mit der Schliessung des einen oder anderen Senders gerechnet werden.

Ob das ein Verlust für die Deutschschweizer Medien und die Meinungsvielfalt bedeuten würde, steht freilich auf einem anderen Blatt.