von René Worni

Publireportage – wirklich weg damit?

Die MEDIENWOCHE fordert die Abschaffung der Publireportage, weil sie das Trennungsgebot zwischen redaktionellen und kommerziellen Inhalten bewusst unterläuft. Irreführende Werbeformen haben in Medien mit Qualitätsanspruch nichts verloren. Mit unserer Forderung sind wir nicht alleine. Wir haben Prominenz aus Werbung, Medien und Wissenschaft um einen Positionsbezug gebeten – und Erstaunliches erfahren.

Die Expertenumfrage der MEDIENWOCHE zeigt das ganze Spektrum zwischen totaler Ablehnung und strikter Befürwortung der Publireportage. Verbreitet ist die gemässigte Position, welche die Publireportage als Werbeform gutheisst, solange transparent ist, dass es sich dabei um bezahlte Werbung handelt.

Stephan Russ-Mohl
Medienprofessor und Leiter Medienobservatorium der Universität Lugano

«Die sogenannte Publireportage ist Werbung, die mehr oder minder als redaktionelles Angebot verschleiert wird – also Schleichwerbung. Und damit der sicherste Weg, das Kostbarste zu zerstören, was Redaktionen haben können bzw. sich erarbeiten sollten: Glaubwürdigkeit bei ihren Publika. Verleger, die sich auf Publireportagen einlassen, tragen zur Kannibalisierung des Journalismus bei – jedenfalls dann, wenn sie für ihre journalistischen Produkte von ihren Publika weiterhin Geld sehen wollen. Bei Medienprodukten, die sich zu 100 Prozent aus Werbung finanzieren, wird es allerdings kaum ohne solche versteckten Werbeformen gehen. «Alles gratis» funktioniert als Geschäftsmodell eben nur, wenn die Werbetreibenden voll und ganz den journalistischen Content finanzieren. Und wer zahlt, schafft eben auch an!»

 

Markus Berger
Direktor und Studienleiter SPRI

«Publireportage – weg damit? Auf keinen Fall! Vielleicht ist der Name tatsächlich ein Unding, das es zu beseitigen oder zu optimieren gilt. Meinetwegen mit dem ganz einfachen, auch gebräuchlichen «Anzeige». Aber das Gefäss brauchts weiterhin. Denn es gibt Marketingkommunikationsbotschaften, die kann und will man nicht nur mit schönen Bildern und Slogans vermitteln, sondern braucht dazu mehr Platz, mehr Hintergrund. Dazu eignet sich die «Publireportage» – ohne «pseudo-objektives» Zutun einer Redaktion. Und mit Glaubwürdigkeitsgewinn für Medium und Auftraggeber, wenn die (inhaltliche) Qualität stimmt und die Herkunft klar deklariert ist.
Eine bedauerliche Entwicklung gibts diesbezüglich allerdings zu beobachten: immer mehr Auftraggeber finden in den Redaktionen keine ausreichend qualifizierten Journalisten mehr, die kritisch-kompetent über Produkte und Dienstleistungen berichten können. Darum wird, gerade auch in Fachpublikationen, vermehrt auf das Mittel dieser «Publireportage» gesetzt. Und das wirft nun tatsächlich kein gutes Licht auf die Medienlandschaft…»

 

Norbert Neininger
Chefredaktor und CEO Schaffhauser Nachrichten

«Ob sie nun Publireportagen oder Advertorials heissen: Entscheidend ist, dass dem Leser genügend deutlich klargemacht wird, dass es sich um Werbung und nicht um unbeeinflusste redaktionelle Beiträge handelt. Ihre Anfrage ist Anlass, um unsere diesbezügliche Praxis wieder einmal zu überprüfen.»

 

Karl Lüönd
Publizist und Buchautor

«Es ist wie mit dem Beton: Es kommt drauf an, was man draus macht! Transparenz löst 90 % aller medienethischen Probleme, deshalb finde ich Publi-Reportagen (oder Advertorials) unbedenklich, wenn sie klar als solche gekennzeichnet sind und/oder eine klare Absender-Adresse tragen. Auch der Inserent hat Freiheiten, zum Beispiel die Freiheit, komplexe Zusammenhänge differenziert zu erläutern, ab und zu halt mit journalistischen Mitteln. Solange Ross und Reiter kenntlich sind, bleibe ich tolerant.»

 

Christoph Bauer
CEO AZ-Medien

«Publireportagen haben sich als Werbeform etabliert. Es gibt keinen Grund sie abzuschaffen, wenn die Richtlinien der klaren Trennung zwischen redaktionellem und werblichem Text, der «Code of Conduct», durch differenzierte Schrift und Layout eingehalten werden. Leser sind mündig, kennen den Unterschied zwischen Werbung und redaktionellem Teil, werten diesen und entscheiden selber, was sie lesen wollen.»

 

Josefa Haas
Leiterin Medieninstitut


«Transparenz ist gefordert. Qualitätsmedien achten im eigenen Interesse darauf, dass klar erkennbar ist, wo es sich um eigene redaktionelle Leistungen und wo es sich um kommerzielle Kommunikation handelt.»

 

Frank Bodin
CEO Euro RSCG

«Schon das Wort Publireportage ist eine Mogelpackung: Es gibt vor, eine Reportage für das Publikum zu sein, also Journalismus. Journalistische und werbliche Inhalte gehören getrennt. Ich wäre darum für eine Änderung des Hinweises ‚Publireportage‘. Analog der englischen Bezeichnung ‚Advertorial‘ wäre ‚Werbe-Editorial‘ klarer oder einfach ‚Werbung‘ – denn Publireportagen sind eigentlich nichts anderes als schlecht gestaltete Werbung.»

 

Hanspeter Lebrument
Verleger Südostschweiz und Präsident Verband Schweizer Medien

«Die Publireportage soll beibehalten werden. Es ist eine journalistische Form, die nicht unabhängig erfolgt, sondern zusammen mit dem Auftraggeber. Sie muss klar bezeichnet und in den Tarifen müssen die Bedingungen und die Preise klar angegeben werden.
Ein grosser Teil des publizistischen Schaffens hat einen Publireportage-Charakter. Allerdings wird dafür nichts bezahlt. Im Kulturbereich, im Sport und in den Gesellschaftsrubriken fehlt vielfach das kritische redaktionelle Element. Es wird den beschriebenen Anlässen und Akteuren viel Liebes zu erkannt und wenig Kritisches vermerkt. Und das alles erst noch gratis.»

 

Peter Grob
Geschäftsführer Allianz Schweizer Werbeagenturen ASW

«Grundsätzlich wäre ich für eine Abschaffung von Publireportagen. Sollten sie aber weiterhin beibehalten werden, muss unbdingt klar ersichtlich sein, dass es sich um eine Publireportage handelt. Der ‚Code of Conduct – Werbung in Medien‘ fordert dies von den Verlagen. Sobald ich sehe, dass es sich um eine Publireportage handelt, kann ich selber entscheiden, ob ich bereit bin, den Text zu lesen oder nicht. Gewisse Fachorgane brauchen diese Reportagen, sonst müssten sie eingehen.»

 

Leserbeiträge

Christof 26. Mai 2011, 17:35

Die Publireportage ist doch, wenn sie klar abgegrenzt wird und bezeichnet, kein Problem. Das Problem ist bezahlte PR im redaktionellen Teil – bei Annabelle, Schweizer Illustrierte etc. pp. Es gibt sogar ganze Heftli, die einzige Publireportagen sind (Friday). Ihr schiesst aufs falsche Ziel.

Fred David 27. Mai 2011, 09:29

Wenn doch alles so unproblematisch ist mit der Publireportage und jeder Leser ohnehin weiss, dass es sich dabei um bezahlte Werbung handelt, verstehe ich nicht, warum man sie nicht gleich als Inserat präsentiert, im entsprechenden Inseratenumfeld, einfach als eine andere Form von Werbung, die durchaus informativ sein kann.

Aber eben erkennbar als Inserat und zu Inseratenpreisen.

Alles andere ist um sieben Ecken herum argumentiert.

@)Christof stimme ich allerdings zu: In diesem Zusammenhang gibt es noch wesentlich ergiebigere Felder, die darauf warten, journalistisch umgegraben zu werden.

Thomas Paszti 27. Mai 2011, 10:36

@Markus Berger: «…ohne ‹pseudo-objektives› Zutun einer Redaktion…» Sie äussern hier grundsätzliche Überlegungen, ohne Bezug zu einem bestimmten Fall. Höre ich da eine gewisse Geringschätzung gegenüber journalistischem Schaffen heraus?

Markus Berger 27. Mai 2011, 17:32

@ Thomas Paszti: Nein, absolut keine Geringschätzung, aber eine gewisse Ernüchterung und Enttäuschung über die gelebte Praxis, die leider zu oft nicht mehr unserer geteilten Idealvorstellung von „journalistischem Schaffen“ entspricht. Beachten Sie dazu den Kommentar von Hanspeter Lebrument.

Thomas Paszti 27. Mai 2011, 21:12

Ihre Ernüchterung gegenüber der journalistischen Praxis mag Anlass zu Kritik geben, das zeigt auch die aktuell geführte Qualitätsdebatte. Im Zusammenhang mit PR in Medien verstehe ich Ihre Kritik jedoch nicht. Gerade schwache Redaktionen sind der ideale Nährboden für undeklarierte PR im redaktionellen Teil. Den von Ihnen erwähnte Glaubwürdigkeitsgewinn für das Medium kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Als ob Journalismus und Unternehmenskommunikation je eine gemeinsame Idealvorstellung haben könnten. Die beiden Disziplinen dienen unterschiedlichen Interessen bzw. Auftraggebern, und diese müssen unmissverständlich deklariert sein. Deshalb zurück zum Ursprung, zur Publireportage: Wir fordern deshalb den Verzicht dieser Kennzeichnung, weil sie vermeintliche Nähe zum redaktionellen Inhalt suggeriert. Frank Bodin hat das in seinem Statement kurz und präzise begründet. Es geht im Kern um Transparenz, nicht um die Abschaffung dieser Werbeform.