von Nick Lüthi

«Wir müssen auf dem Markt bestehen»

Ende Oktober startet in Basel die TagesWoche. In Grundzügen ist bereits heute bekannt, wie die neue Wochenzeitung mit tagesaktueller Online-Berichterstattung aussehen wird. Im Gespräch mit der MEDIENWOCHE erklären Co-Chefredaktor Remo Leupin und Online-Konzepter Dani Winter (auf dem Bild links), weshalb sie keine Anti-BaZ machen und wieso es keine Vorbilder für die TagesWoche gibt.

In der kleinen Basler Medienwelt sind die Wege kurz. Alle kennen alle und jeder hat schon mal mit jedem zusammengearbeitet. So hat denn auch die Entstehungsgeschichte der TagesWoche mehr mit Basels Beschaulichkeit zu tun, als mit Blochers Beratermandat bei der Basler Zeitung, das die halbe Stadt in Wallung brachte und den Ruf nach einer Alternative zur BaZ wieder einmal lauter werden liess. Als wichtige Triebfeder wirkte zudem die notorische und Jahrzehnte alte Unzufriedenheit der Baslerinnen und Basler mit den lokalen Medien, vornehmlich mit der Basler Zeitung BaZ.

«Die TagesWoche wird aber keine Anti-BaZ», sagt Co-Chefredektor Remo Leupin. «Das geht gar nicht. Wir machen einfach ein neues Medium nach bestem Wissen und Gewissen und tragen damit hoffentlich zu einer Bereicherung auf dem Medienplatz Basel bei.»

Die Idee für eine unabhängige Wochenzeitung in Basel trug Ivo Bachmann, ehemaliger Chefredaktor von BaZ und Beobachter, seit Jahren mit sich. Mit dem öffentlichen Aufruhr rund um die intransparente Eigentümerstruktur der BaZ entstand schliesslich jene Dynamik, die eine Umsetzung der lange gehegten Pläne plötzlich realistisch erscheinen liess. Bachmann amtet heute als Präsident der Herausgeberschaft der TagesWoche. Für die Anschubfinanzierung kommt die Roche-Erbin Beatrice Oeri mit ihrer Stiftung Levedo auf.

«Wir müssen aber ganz klar auf dem Markt bestehen», sagt Remo Leupin. «Und zwar von Anfang an.» Der Co-Chefredaktor der TagesWoche spricht von einem «sportlichen Businessplan.» Die Mittel der Stiftung sorgten lediglich dafür, dass sich das Projekt nicht verschulden müsse, um überhaupt loslegen zu können.

Die ersten – wenn auch noch wenig aussagekräftigen – Indikatoren für einen möglichen kommerziellen Erfolg geben die bereits verkauften Abonnemente. Ohne zu wissen, was sie genau erwartet, haben schon über 1600 Personen die TagesWoche bestellt. «Ein Grossteil davon das Abo für 18 Monate und nicht etwa nur das Schnupperabo», weiss Leupin. Dieser Mischung aus Vertrauensvorschuss und Publikumsbedürfnis versucht die Redaktion in spe nun mit ihren Konzepten gerecht zu werden.

Das Gerüst steht, einen Belastungstest hat es noch nicht aushalten müssen. Der folgt ab dem 28. Oktober mit der ersten Ausgabe der Zeitung und dem Start der Online-Plattform. Doch gibt es Gerüste, deren Anblick bereits das Gefühl vermitteln, dass sie nicht beim ersten Windstoss umkippen. Diesen Eindruck gewinnt, wer einen Blick auf die bisher geleistete Arbeit des TagesWoche-Projektteams und seiner Infrastruktur wirft.

Zum Beispiel auf das Redaktionssystem. Hierfür arbeitet das Basler Projekt mit den Programmierern von Sourcefabric zusammen, die sich – wie die TagesWoche stiftungsfinanziert und ohne Gewinnstreben – auf Medienprojekte mit Open-Source-Software spezialisiert haben.

«Das Herzstück der TagesWoche ist das Redaktionssystem ‹Newscoop›», erklärt Dani Winter, der als künftiger Redaktor das Online-Konzept mitentwickelt. Das klingt erst einmal unspektakulär. Den Unterschied sollen jene Funktionen ausmachen, die speziell für die TagesWoche in «Newscoop» eingepflanzt wurden, wie etwa das sogenannte Dashboard, ein Armaturenbrett innerhalb des Redaktionssystems mit direktem Zugriff auf dialogorientierte Online-Kanäle wie Twitter, Youtube oder Soundcloud. Aber ebenso auf klassische Informationsanbieter wie Nachrichten- und Bildagenturen.

Der Dialog mit dem Publikum steht denn auch im Zentrum der Medienplattform; damit will die TagesWoche punkten. «Das Hauptdefizit vieler Medien ist doch heute, dass sie keine Beziehung zum Publikum pflegen, obwohl die Mittel und Möglichkeiten dazu längst vorhanden wären», beobachtet Dani Winter.

Dialog versteht die neue Basler Zeitung nicht als Selbstzweck oder Konzession an den Zeitgeist, sondern als Mittel zur Publikumsbindung und um Wissen und Kompetenz abzuholen. «Ich erhalte als Journalist immer wieder Briefe von Fachleuten, die mehr wissen als ich», sagt Remo Leupin. «Solches Fachwissen werden wir einfliessen lassen in unsere Berichterstattung und auch transparent machen, woher es kommt.» Im besten Fall könnten so neue Autoren gefunden werden.

Transparenz, so Leupin, sei neben dem Dialog das zweite Leitmotiv der TagesWoche. Quellentransparenz, ergänzt Dani Winter, bedeute in Online-Medien ein konsequentes Verlinken auf externe Webseiten. «Wir haben keine Angst Traffic zu verlieren, wenn wir die Leser von unserem Angebot wegschicken», sagt Winter. «Solange sie wissen, dass sie bei uns auf spannende Quellen verwiesen werden, kommen sie zurück.»

Auf die Frage nach Vorbildern für die TagesWoche zögern Leupin und Winter zuerst, um dann zu sagen, dass ihnen kein vergleichbares Projekt bekannt sei, zumal mit dieser Form der Verschränkung von Print und Online. «Zeitung und Web-Plattform betrachten wir als zwei gleichwertige Kanäle», sagt Leupin. Die Wochenzeitung sei kein Print-Out, wie dies beim Modell der Mikrozeitungen aus dem Hause Gossweiler der Fall sei. Das widerspiegelt sich auch im Job-Profil der Redaktion: Es gibt keine Online-Redaktoren; alle schreiben auf Papier und Pixel.

Vom Berliner Freitag, der das neue Projekt in mancherlei Hinsicht inspiriert hat, unterscheidet sich die TagesWoche mit ihrem starken lokalen Fokus. «In Basel gibt es jeden Tag drei Themen, die zu Tischgespräch und Pausenklatsch anregen, hierzu wollen wir die Stichworte und Hintergründe liefern», sagt Co-Chefredaktor Leupin. Neben dem Lokalen will die TagesWoche aber auch Raum bieten für Geschichten aus der Schweiz und der Welt.

Alles in allem ein ambitioniertes Programm, das den Praxistest erst noch bestehen muss. Dennoch stimmt zwei Monate vor dem Start vieles zuversichtlich, dass es der TagesWoche gelingen könnte, das Beste aus beiden Welten – Print und Online – zu einem neuen Medienhybrid zusammenzubringen. Nicht zuletzt der spürbare Wille der Macherinnen und Macher aus Fehlern und Mängeln bei früheren Anstellungen zu lernen, dürfte der TagesWoche die entscheidenden Impulse verleihen.