von Torsten Haeffner

Von Schweinen und Büchern

Buchhändler und Verlage jammern. Mal ist es die Buchpreisbindung, die ihre Geschäftsaussichten trübt, dann sind es neue Technologien wie das E-Book, und neuerdings ist die Frankenstärke schuld an der Misere. Anstatt zu jammern, könnte sich die Buchbranche ein Beispiel an den Schweizer Schweinezüchtern nehmen.

Der «Schweizerbauer» wusste am 25. August zu berichten: «Seit 2008 ist der Preis für Schlachtschweine um 37 Prozent auf heute 3,20 Franken pro Kilo gesunken (..) Die Schweineproduzenten wollen auf Hilfe vom Bund oder der Politik verzichten: ‹Sollte sich die Politik auf irgendeine Weise im Schweinemarkt betätigen, dann guet Nacht am Sechsi›, sagte der Zuger SVP-Nationalrat und Schweinezüchter Marcel Scherer.»

Gleichentags im Tages-Anzeiger: «Der starke Franken verursacht Schweizer Buchverlagen hohe Einbussen. Nun hat der Buchhändler- und Verlegerverband bei Bundesrat Johann Schneider-Ammann angeklopft. Der Verband fordert, dass die Buchbranche bei der Verteilung der geplanten zwei Milliarden Franken Förderung mit zu berücksichtigen sei.»

Was ist der Unterschied zwischen einem Schwein und einem Buch? Im Prinzip gibt es keinen, zumindest aus marktspezifischer Sicht nicht: Schweine wie Bücher sind handelbare Produkte, deren Preise vorwiegend von Angebot und Nachfrage bestimmt werden.

Und was ist der Unterschied zwischen Schweinezüchtern und Buchhändlern und Verlegern? Die Schweinezüchter wollen ihre Probleme selbst lösen. Die Buchhändler, Verleger jammern und machen die hohle Hand.

«Ja aber, das Buch ist doch ein Kulturgut!», hört man Verleger und Buchhändler unisono rufen. Mit Verlaub, die Sau ist es auch, vor allem, wenn sie gebraten mit einer guten Sauce und einem Knödel auf einem Teller gereicht wird.

Machen wir uns nichts vor: Die wenigsten Verlage und Buchhändler verdienen wirklich Geld. Vor allem kleine und mittelgrosse Belletristik-Verlage und Händler kämpfen ums Überleben, ganz unabhängig davon, ob die Buchpreisbindung bleibt oder elektronische die gedruckten Bücher ablösen werden. Es geht ihnen mehrheitlich hundsmiserabel, und zwar seit vielen Jahren.

Und warum jammern sie dann ausgerechnet jetzt so laut? Weil sie vor ihren Schwächen ablenken wollen, weil sie keine Innovationen haben. Bücher werden noch immer mehr oder minder produziert und verkauft wie zu Gutenbergs Zeiten.

Es gibt kein Menschenrecht auf profitables Züchten von Schweinen, sowenig wie es ein Menschenrecht gibt auf renditeträchtiges Publizieren von Büchern. Woraus Verlage und Buchhändler den Anspruch auf gesicherte Preise, Umsätze und Renditen ableiten, bleibt schleierhaft.

Warum weigern sich noch immer viele namhafte Verlage, E-Books herauszugeben? Warum kommt kein Verlag auf die Idee, E-Books zu verlegen und den jeweiligen Text zum Beispiel partiell mit Musik, überraschenden Geräuschen oder Bildern, adäquat zur jeweiligen Handlungssequenz zu hinterlegen? Technisch wäre das machbar. Das wäre ein neues Erlebnis für den Leser, der hoffentlich auch bereit wäre, einen guten Preis dafür zu bezahlen. Man müsste es vielleicht wollen. Ist nur eine Idee …

Warum kochen so viele kleine und mittelgrosse Verlage so mühsam ihr eigenes karges Süppchen, statt sich mit anderen Verlagen, die eine sinnvolle Ergänzung zum eigenen Programm bilden, zusammenzutun, um die Kosten und Schlagkraft gemeinsam zu verbessern? Was spricht denn dagegen, zumindest die Vermarktung gemeinsam an die Hand zu nehmen?

Warum sind die Vokabeln «Prozessanalyse», «Prozesskosten», «Prozessoptimierung» in vielen Verlagen Fremdwörter?
Warum bietet keiner der Verlage E-Book und Hörbuch in einem an? «Das ist eine andere Vertriebsschiene», wird gleich abgewiegelt. Man könnte es im Zug lesen und sich den anschliessenden Fussweg mit einer Hörsequenz verkürzen.
Das Buch in der Cloud? Pay per Read von Kurzgeschichten? Sharing von Büchern? Das ist keine Träumerei. Amazon macht’s mit «Kindle Singles» vor und auch andere Grossverlage sind nicht untätig.

Ein kostenpflichtiger Privat-TV- oder Rundfunk-Kanal, in dem Bücher vorgelesen werden, finanziert durch Gebühren und Werbung? In den Altenheimen und Kindergärten wären sie vielleicht dankbar dafür und würden etwas dafür bezahlen.

Innovation ist gefragt, «Kooperation und Konvergenz längs der Prozesskette – vom Autor bis zum Leser» lautet die Devise: damit weiterhin Geschichten erzählt, verlegt und verkauft werden können. Das wäre die Mission. Der Rest ist harte Arbeit.

Bild: CC Flickr/Martin Roell, BY-SA-2.0-Lizenz

Leserbeiträge

Regula M. 08. September 2011, 11:49

Das Konzept von Amazon’s „Kindle Singles“ hat sich im deutschen Sprachraum schon vor Jahren mit der Plattform XinXii bewährt: Dort kann jeder Autor seine eBooks und Hörbücher selber hochladen und verkaufen – auch Kurztexte (die möchte in der Regel kein Verlag verlegen).

http://www.xinxii.com

Torsten Haeffner 08. September 2011, 23:14

Werte Frau Regula M.
Ihr Hinweis auf XinXii ist hochinteressant, vielen Dank. Die Resonanz bei den Kunden ist jedoch noch etwas schwach, wie ich den Views entnehme. Wissen Sie, wer hinter dieser Plattform steht? Die Gentlemen’s Digest Ltd. & Co. KG sagt mir offen gestanden gar nichts.
Beste Grüsse
Torsten Haeffner

Andreas Stricker 08. September 2011, 12:17

„Die Schweineproduzenten wollen auf Hilfe vom Bund oder der Politik verzichten“ – da muss ich aber laut lachen. Die Schweinezüchter haben von Bund und Politik ja schon längst etliche Privilegien erhalten: Die Legalisierung von unterträglicher Tierhaltung (wie viele Schweine sieht man denn so, wenn man übers Land fährt?), nicht zu rechtfertigende generelle Sonderbewilligung von nächtlichen Tiertransporten, Abschaffung der bodenabhängigen Tierhaltung… alles erfolgreich erjammert bei der Politik.

Torsten Haeffner 08. September 2011, 23:15

Werter Herr Stricker
Ihr Verdikt gegen die Schweinezüchter in Ehren, aber Sie schiessen ein wenig übers Ziel hinaus: Nächtliche Tiertransporte sind – nicht nur bei Schweinen – durchaus sinnvoll. Und dies aus zwei Gründen: Erstens sollen die Tiere bei Nacht schonender ver- und entladen werden können, da Umweltgeräusche reduziert und irritierende Lichtwechsel sich nach Möglichkeit vermeiden lassen. Zweitens ist die Transportzeit nachts kürzer. Ausserdem lässt sich nachts das die Tiere irritierende ständige Anfahren und Abbremsen (Stop and Go) im Strassenverkehr ebenfalls reduzieren. Ansonsten bin ich mit Ihnen einer Meinung: Sowohl bei der Tierzucht als auch im Buchgewerbe gibt es reichlich Verbesserungspotentiale.
Herzlichst, Ihr
Torsten Haeffner

Andreas Von Gunten 08. September 2011, 12:56

Du sprichst mir aus der Seele. Ich kann aber die Situation der Verleger und Buchhändler auch verstehen. Deren Prozesse haben sich über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte gefestigt. Alle Chancen, die das Netz dieser Branche bietet, könne nur mit einer radikalen Strukturänderung, sowohl auf der Ebene des einzelnen Unternehmens, als auch auf Branchenebene, realisiert werden. Das ist äussert schwierig hinzunehmen und auch umzusetzen, für jede Branche und für jeden Betrieb. Vor allem wenn man die neuen Mechanismen noch nicht versteht und wenn zusätzlich ein politische Klima vorherrscht, welches behördliche Rettungsanker bereitstellt.

Ich will damit, das Verhalten, insbesondere der organisierten Branche, keineswegs entschuldigen, aber ich kann nachvollziehen, warum sie so reagieren, wie sie reagieren.

Gleichzeitig, bin ich davon überzeugt, dass es auch dort immer mehr innovative Modelle und Projekte geben wird. Wichtig ist einfach, dass wir den status quo nicht gesetzlich zementieren und darum ist es gut, dass wir uns gegen die Buchpreisbindung und gegen alle anderen politischen Förderversuche, die den Umbau der Branche höchstens verzögern aber auf keinen Fall aufhalten können, äussern. Dein Blogpost ist ein Beitrag dazu, danke! 🙂

Torsten Haeffner 08. September 2011, 23:17

Lieber Herr von Gunten
Danke für Ihren Kommentar, den ich gerne ergänzen möchte. Ich glaube, es liegt nicht nur an den Strukturen und Mechanismen, welche manche Verlagsmenschen und Buchhändler so schwerfällig machen. Es ist vielmehr die da und dort noch immer vorherrschende Mentalität des Hochmuts. „Literatur“ gilt im deutschsprachigen Raum noch immer als etwas Elitäres, etwas Herausragendes, etwas Erhabenes. Autoren (und der Schreiber dieser Zeilen ist selbst einer), Verlagsleute und Buchhändler leisten indes nichts wirklich Besonderes: Sie denken, schreiben, produzieren und verkaufen halt ihre Ideen, Gedanken, Phantasien etc., wie dies andere Berufsleute auch machen. Nur machen die es mit wesentlich weniger Getue und Gedöhns – und oft auch erfolgreicher.
Herzliche Grüsse,
Torsten Haeffner

Ueli Custer 08. September 2011, 13:22

Das Verhalten der Buchhändler ist auch unter einem andern Aspekt fragwürdig. Für das Media Trend Journal habe ich die Desk-Research-Studie „Medienbudget“ des Verbandes Schweizer Medien analysiert. Im Bereich der Bücher basiert sie auf der Mehrwertsteuerstatistik. Da diese Werte aber erst mit grosser Verzögerung vorliegen, werden die aktuellen Jahre jeweils vom Buchhändlerverband geschätzt. Und der hatte den Umsatz für 2008 vor einem Jahr auf 818 Mio. Franken geschätzt. Effektiv waren es dann aber 910 Mio. Franken- also glatte 92 Mio. mehr. Da wird man den Verdacht nicht los, dass man mit der tiefen Schätzung «beweisen» wollte, dass die Aufhebung der Preisbindung seit März 2007 den Buchhandel schädigt. Offenbar ist dies aber nicht der Fall. Denn von 2007 auf 2008 nahm der Umsatz gemäss Mehrwertsteuerstatistik von 876 auf 910 Mio. Franken zu.

Torsten Haeffner 08. September 2011, 23:18

Lieber Herr Custer
Danke für Ihren Kommentar, den ich sehr wertvoll finde. „Das Jammern ist des Kaufmanns Gruss“ könnte man Ihre Erkenntnisse lapidar zusammenfassen. Doch der von Ihnen geschilderte Sachverhalt stellt etwas viel Schlimmeres dar: nämlich die Vorspiegelung falscher Tatsachen und das Untergraben der eigenen Glaubwürdigkeit. Wer solche Geschäftsmodelle pflegt, kann ja keine Gewinne machen.
Herzliche Grüsse,
Torsten Haeffner

Torsten Haeffner 08. September 2011, 23:24

Werte Leserinnen und Leser der MEDIENWOCHE

Soeben erreicht mich die Mail eines Lesers, der sich einfach über meinen Artikel geärgert hat. Das ist absolut in Ordnung. Meine Gedanken und Worte sind ja flüchtig und nicht in Gold gemeisselt.

Er schreibt: „Nein, der Autor hat unrecht. Warum? Die Schweinezüchter werden doch bereits massivst subventioniert. Solche Kreise als leuchtendes Beispiel privatwirtschaftlicher Selbsthilfe darzustellen ist ein schlechter Scherz.“

Zuerst: Der mir nicht bekannte Kritiker hat natürlich recht. Mein Vergleich war etwas unscharf. Ich stehe aber trotzdem dazu und da ich weiss, dass es in der Schweiz viele Gegner der subventionierten Landwirtschaft gibt, gestatte ich mir kurz darauf einzugehen und zu antworten, mit dem Risiko es mir gleichermassen mit den Verlegern, Buchhändlern, Schweinezüchtern und Subventionsgegnern zu verscherzen.

Erstens: Mein bescheidener Beitrag handelte eigentlich von der Buchbranche. Die Sauzüchter und ihre aktuelle Verweigerung staatlicher Hilfe dünkten mir schlicht als gutes Gegenbeispiel zur geldhungrigen Verlags- und Buchhändlerbranche.

Zweitens: Sauzüchter, Verleger und Buchhändler leiden unter dem gleichen Problem: Sie produzieren zuviel. Die Sauzüchter und Fleischhändler haben darauf reagiert. Die Preise sinken. Im Buchhandel aber kann ich das nicht oder nur partiell feststellen.

Drittens: Ich bin ein ausgesprochener Gegner von Subventionen der Buchbranche, ganz einfach weil ich dem vielleicht kindlichen Glauben anhänge, dass diese Branche über genügend kluge und innovative Köpfe verfügt, um erfolgreich zu wirtschaften und dabei Geld zu verdienen.

Viertens: Ich bin ein ausgesprochener Anhänger von Subventionen für die Schweinezüchter, ganz einfach weil ich dem vielleicht kindlichen Glauben anhänge, dass es den armen Schweinen bei finanziell einigermassen gut gestellten Züchtern zu Lebzeiten hoffentlich etwas besser geht, bevor sie auf meinem Teller landen.

Herzlichst, Ihr
Torsten Haeffner

Jean-Marc Tétaz 12. Dezember 2011, 11:02

Tut mir Leid, dieser Artikel ist idiotisch. Lieber sage ich gar nicht über das Spiel mit der Vieldeutigkeit des Wortes „Kultur“. Das ist ein alter Hund, und jeder versteht, dass ein Schweinebraten Kultur in einem anderen Sinn darstellt als ein Roman von Tolstoï oder Thomas Mann.
Schlimmer sind die „Innovationsvorschläge“. Nur jemand, der noch nie ein wirklich gutes Buch gelesen hat, kann auf die Schnapsidee verfallen, den Text eines grossen Romans mit Geräuschen zu unterlegen. Vielleicht darf ich Maiakovski-Gedichten mit Industrielärm und Kalaschnikofschüsse ausdrucksstärker machen? Wahrscheinlich ist es die Folge, wenn man Literatur für ein Kulturgut derselben Art wie Schweinebraten (mit oder ohne Sauce!) hält.
Übrigens kooperieren zumindest in der frankophonen Schweiz die Verlagshäuser längst für den Vertrieb, und zwar sowohl im Inland wie im Ausland. Anders geht es gar nicht. Und die Behauptung, Bücher würden heute noch ungefähr so wie zu Guttenberg-Zeiten produziert zeugt nur von totaler Unkenntnis der Produktionsprozesse in der Branche, auch wenn zwangsläufig nicht alles wegrationalisiert oder automatisiert werden kann. Aber heute läuft das ganze Herstellungsprozess am Computer, unterstützt von extrem leistungsstarken Programmen. Schon von X_press gehört, zum Beispiel?

Martin Wenger 12. Dezember 2011, 21:50

Jammern ist aber viel einfacher, als etwas zu tun.

Sehr guter Artikel, danke!

David 25. Dezember 2011, 10:49

Die Kampagne PRO Buchpreisbindung läuft auf Hochtouren. Wo bleiben die Gegner?

Aktuelles Beispiel: Die Buchpreisbindung soll zu tieferen Preisen führen:

http://www.sonntagonline.ch/ressort/politik/2033/

Absurd? Ja. Verfängt so etwas? Ja. Gerade auch, weil die Gegner bislang keinerlei sichtbare Präsenz zeigen. Die Argumente der Gegner auf der eigenen Website sind schwach. „Nicht zeitgemäss“ und „teure Bücher für Studenten und Schüler“ sind keine überzeugenden Argumente.