von Nick Lüthi

Wie man in den Wald ruft …

… so schallt es heraus. Und diesmal schallt es laut und schrill: Morddrohungen und öffentliche Verleumdungen gegen drei Blick-Journalisten. Das Blatt nennt es eine «beispiellose Hetzkampagne». Doch von nichts kommt nichts.

In den letzten Tagen erhielten mehrere Blick-Journalisten Morddrohungen. Unbekannte legten ihnen tote Fische in die Briefkästen, verunglimpften sie öffentlich als Kinderschänder und suchten sie per Steckbrief als (Ruf)mörder. Das sind strafbare Handlungen, wenn ein Gericht das so beurteilt. Werden die Täter gefasst, müssen sie mit einer Strafe rechnen.

Doch grundlos fand der Fisch nicht in den Briefkasten und der Steckbrief nicht an die Hauswand. Hier folgt eine Hetzkampagne auf die andere Hetzkampagne – jene gegen die Blick-Journalisten als Reaktion auf die Kampagne gegen den «Petarden-Trottel». Ein FCZ-Anhänger der sich mit einem Feuerwerkskörper drei Finger weggesprengt hat, dient als Sündenbock für eine Fehlentwicklung für die es keine Patentlösung gibt. Doch genau das suggeriert das Boulevardblatt: Wenn wir ein Exempel statuieren, dann wird alles besser.

Ein «Trottel» mag Johann B. tatsächlich sein – solange die Titulierung für Dummkopf steht. Schliesslich war es dumm (und in der Folge auch gefährlich), was der Fussballfan vor dem Spiel in Rom angestellt hatte. Für Blick aber ist ein Trottel nicht nur dumm, sondern auch vogelfrei. Sportreporter Benny E. breitet Detail um Detail aus dem Privatleben und dem persönlichen Umfeld von Johann B. aus. Alles Angaben, die mit der mutmasslichen Straftat im Stadion nichts zu tun haben und deshalb auch nicht von öffentlichem Interesse sind.

Umso überraschender, dass Medienrechtler Peter Studer diesem Vorgehen – wohl wider besseren Wissens – seinen Segen erteilt: Solange der junge Mann und dessen Angehörige nicht identifiziert werden können, sei die Berichterstattung medienrechtlich wohl unbedenklich. Das Gegenteil ist der Fall. Der bürgerliche Name von Johann B. lässt sich leicht ergoogeln, ebenso sein Arbeitgeber, den Beruf des Vaters nennt Blick, zur Bürotelefonnummer findet man mit einem Klick und die Nennung der Automarke der Eltern dient einzig dazu, die Personen zu identifizieren.

Eine Rüge des Presserats würde nicht überraschen. Für den Blick wäre das ein Routinevorgang. Schliesslich ist das Blatt auf Verstösse gegen die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Privatsphäre) abonniert. Aber was kümmert das die Boulevardzeitung. Schliesslich gehören Grenzüberschreitungen zum Geschäft. Der teuerste Rufmord war jener an Thomas Borer. Mit einem Schmerzensgeld in mutmasslicher Millionenhöhe und einer öffentlichen Entschuldigung kaufte sich der Verlag von der Klage Borers frei.

Borer konnte sich wehren. Er tat dies mit den Mitteln des Rechtsstaats. Die unbekannten Rächer für Johann B. tun das nicht. Sie haben Grenzen überschritten. Aber für jede Wirkung gibt es eine Ursache. Wenn der Blick tatsächlich in Sorge um den Fussball handelt, was er als Motiv für die Hetzkampagne nennt, dann würde er es nicht darauf anlegen, den sicheren Zorn eines zentralen Akteurs in dieser leidigen Debatte auf sich zu ziehen.

Derweil gibt Blick-Chefredaktor Ralph Grosse-Bley die Durchhalteparole aus: «Wir werden nicht aufhören, Druck auszuüben.» Das klingt ganz nach Kontinuität in der Berichterstattung. Blick dreht wissentlich und willentlich an der Eskalationsspirale.

Leserbeiträge

Thomas R. 14. November 2011, 12:03

Die Welt ist deshalb so ein unangenehmer Ort, weil schlechte Menschen schlechte Dinge tun können, ohne Konsequenzen zu befürchten. Da wird die Existenz eines jungen Mannes zerstört, der im Moment selbstverschuldet schon genug Probleme haben dürfte. Und alle, deren Job es wäre, dagegen vorzugehen, finden es garnicht so schlimm. Ein Ansatz, ernsthafte Sanktionen gegen die Zeitung zu erreichen, steht nicht in Aussicht.

Ich sage: so illegal das auch alles sein mag, einen toten Fisch in einen Briefkasten zu werfen ist weit weniger unmoralisch, als einfach nichts zu tun. Ich würde mir wünschen, es lägen viel mehr Fische in Briefkästen, als Gegengewicht zu einem Rechtsstaat, der an manchen Fronten einfach nicht zu funktionieren scheint.

Meine Bitte an die Unbekannten Fußballfans: Verletzt niemanden. Aber zeigt diesen selbstgerechten Antijournalisten, dass man nicht einfach jede Bosheit auf Zeitungspapier würgen kann, ohne dass das irgendeine Auswirkung auf den eigenen Alltag hat.

Hannes 14. November 2011, 18:13

In Deutschland die Bild, in der Schweiz die Blick… beide Zeitungen zigfach vom Presserat gerügt aber dennoch machen die Zeitungen unbeirrt weiter.

Ich weiß, es gibt in beiden Ländern eine Pressefreiheit, aber mMn fallen Hetzkampangen und – ich nenne es jetzt mal so – grober Unfug nicht unter die „Pressefreiheit“. Ich würde mir wirklich wünschen, der Presserat (bzw. die Presseräte) hätten wirksamere Methoden als bloß ständig eine „Rüge“ auszusprechen. Denn diese Rügen gehen den Blättern gelinde gesagt am Allerwertesten vorbei…

Thomas Läubli 17. November 2011, 01:31

Mal von den Morddrohungen abgesehen (falls die nicht von Ringier Entertainment erfunden wurden), halte ich die Plakate für eine Parodie vom Feinsten. Den Urhebern ist es auf subtile Weise gelungen, den Boulevard-Methoden einen Spiegel vorzuhalten. Mit den angegriffenen Journalisten Mitleid zu empfinden, fällt mir (und auch vielen Kommentatoren im TA-Newsnetz) schwer.