von Lothar Struck

Sensationen und Krokodilstränen

Sie ist bigott und wohlfeil, die Kritik, die derzeit auf die «Zeit» und ihren Chefredaktor Giovanni di Lorenzo niederprasselt: Schon nur mit Plagiator Guttenberg zu sprechen, sei unanständig, finden die Kritiker. Doch das Publikum ist nicht dumm. Es weiss sehr wohl die Kungelei zwischen Politik und Presse zu erkennen. Und es gibt sie überall.

Da inthronisierte der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt (92) Ende Oktober in einer «Spiegel»-Titelgeschichte, zwei Jahre vor der Bundestagswahl, seinen politischen Ziehsohn Peer Steinbrück (64) als Kanzlerkandidaten der SPD. Flankiert wurde diese Offensive von der ehrwürdigen «Zeit», für die Schmidt seit 1983 als Herausgeber zeichnet sowie der ARD-Talkshow «Günther Jauch» – alles innerhalb weniger Tage.

Nicht nur von den Linken in der SPD, die Steinbrücks pragmatische Politikentwürfe eher ablehnen, wurde diese Omnipräsenz kritisch gesehen. Es drohte der GAU in Form des Überdrusses. Da halfen auch Steinebrücks kecke Distanzierungsversuche nicht («Mein Eindruck ist aber, dass die Republik heute keine schlaflosen Nächte hat über der Frage, wer Kanzlerkandidat der SPD wird»). Als sich herausstellte, dass man auf dem Umschlag von «Zug um Zug»,  auf dem die beiden Autoren Schmidt und Steinbrück als Schachspieler posieren, das Brett anfängerhaft falsch positioniert hatte, kam noch Spott dazu. Die beiden Welterklärer versagen schon beim Aufbau der Grundstellung des Schachspiels.

Vier Wochen später wird mit grossem Aplomb in der «Zeit» ein Ausschnitt aus einem wenige Tage später erscheinenden Interviewbuch mit Karl Theodor zu Guttenberg (CDU) veröffentlicht. Guttenberg (40) hatte in wenigen Jahren eine rasante Karriere bis hin zum Verteidigungsminister gemacht. Er galt als Lichtgestalt und war ein Medienliebling. Dann kam die Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit nebst Rücktritt von allen Ämtern und Klausur in den USA. Jetzt wurde das Gerichtsverfahren gegen eine Zahlung von 20.000 Euro an einen karitativen Zweck eingestellt; er ist trotz seiner erwiesenen Urheberschutzverletzungen nicht vorbestraft.

Die beiden prominenten Personalien sind mit dem Namen des Chefredakteurs der «Zeit», Giovanni di Lorenzo (52), verknüpft. Di Lorenzo ist seit August 2004 Chefredakteur der «Zeit»; Schmidt gilt als sein Mentor. Anfangs war seine Präsenz im Blatt eher zurückhaltend. Dadurch fielen seine zumeist innenpolitischen Stellungnahmen umso deutlicher auf: Er trat vehement gegen eine Beteiligung der Linkspartei an rot-grünen Regierungen auf, wie dies in Hessen 2008 drohte, und verteidigte 2010 einige Thesen aus Thilo Sarrazins Buch über die gescheiterte Integration muslimischer Einwanderer in Deutschland («Deutschland schafft sich ab») – gegen grössere Teile der Redaktion. In der Plagiatsaffäre plädierte er für die Trennung zwischen dem Amt des Verteidigungsministers und den Vorkommnissen um die Doktorarbeit und hielt Guttenberg für weiterhin ministrabel. Damit begab er sich abermals im Widerspruch mit nahezu allen Kommentatoren.

Di Lorenzos Guttenberg-Interview wird als parteiische PR-Inszenierung kritisiert. In einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk behauptete Jürgen Kaube von der FAZ, der seinerzeit energisch Stellung gegen Guttenberg bezogen hatte, der «Mogelei» sei eine «Plattform» eingeräumt worden. Andere verwenden gar das Wort des «Steigbügelhalters» – eine Vokabel, die eng verbunden ist mit dem Verleger Alfred Hugenberg und dessen Unterstützung der Nazis in den 1930er Jahren.

Nur weil ein Journalist auf Anregung eines Buchverlags mit einem gestrauchelten Minister spricht, macht er sich noch lange nicht gemein mit dessen zweifelhaften Methoden. Genau das unterstellen aber die Kritiker dem ZEIT-Chefredaktor mit seinem Guttenberg-Interview gemacht zu haben. Dies wird aus dem Kommentar von di Lorenzo im März abgeleitet. Dabei hatte dieser den Verlust des Doktortitels damals als «angemessen» bezeichnet.

Einiges spricht dafür, dass diese Aufregung, verbunden mit Sorgen um die Unabhängigkeit eines konkurrierenden Mediums, nicht frei von Krokodilstränen ist. Di Lorenzo ist mehr als nur der Eckermann Guttenbergs; es ist sehr wohl eine journalistische Frageweise zu erkennen, wenn auch pointiertere Nachfragen in der Plagiats-Causa möglich gewesen wären.

Von einer einseitigen Berichterstattung der «Zeit» kann keine Rede sein. Es gibt ausführliche Gegenberichte aus der Redaktion und parallel zu einer Stellungnahme von di Lorenzo werden die schärfsten Kritiken abgedruckt. Wer sich aber auf di Lorenzo eingeschossen hat, übersieht das geflissentlich. So etwa Michael Angele vom «Freitag». Er konnte es nicht aushalten und fiktionalisiert das Ende des Interviews mit dem Abbruch durch Guttenberg. Ein typischer Ausbruch einer Sehnsucht nach Krawalljournalismus. Vielleicht gut für die Nerven. Aber auch gut für den Leser?

Die Nähe von Qualitätsmedien zu politischen Personen oder Stoffen ist kein Zeitgeistphänomen. Die «Zeit» druckte mehrfach aus Günther Wallraffs Reportagen, die «FAZ» 2005 Auszüge aus den Memoiren Helmut Kohls. Imposant die Autorenliste der Vorabdrucke des «Spiegel», so u.a. Arnulf Baring, Franz Josef Strauss, Oskar Lafontaine und Thilo Sarrazin. Kann man hieraus per se eine neuralgische Parteinahme einer Redaktion schliessen? Ist nicht die seit Monaten fast obszöne, unterschwellig vorgetragene Parteinahme des «Spiegel» für Peer Steinbrück bedenkenswerter?

Dabei ist es eher ungewöhnlich, wenn sich Medien offensiv für eine politische Richtung einsetzen. 1998 erntete der damalige Chefredakteur der «Zeit», Roger de Weck, einen Proteststurm, als er vor der Bundestagswahl einen Regierungswechsel empfahl. Sehr viel weiter verbreitet, aber auch subtiler, ist die Gegnerschaft eines Medientitels zu einer politischen Richtung oder Persönlichkeit. Exemplarisch ist die des «Spiegel» gegenüber dem Kanzler Helmut Kohl zwischen 1982 und 1998. Auch Kampagnen in eigener Sache sind Journalisten nicht abgeneigt, wie man beim Mitherausgeber der «FAZ» Frank Schirrmacher sieht, der 2004 in einer konzertierten Aktion mit «Spiegel» und «ARD» sein Buch bewarb.

Ist es aber nicht sehr viel dekuvrierender, wenn sich der Popstar Guttenberg mit merkwürdigen rhetorischen Verrenkungen um Kopf und Kragen redet und seine politischen Freunde in abstruse Verschwörungen verwickelt sieht? Wird damit nicht auf subtilere Art ein Bild der Persönlichkeit gezeichnet als mit dem üblichen Gesinnungsjournalismus? Und für wie unterentwickelt wird eigentlich das Urteilsvermögen des Publikums eingeschätzt, solche Aufführungen nicht entsprechend einordnen zu können?

Leserbeiträge

Fred David 05. Dezember 2011, 19:48

Naja, etwas arg eingeschleimt war dieses epische „Zeit“-Guttieren schon. Allerdings, da haben Sie schon Recht, gilt das Ganze auch für die“Spiegel“-Schmidt-Steinbrück-Opera Buffa. Ich weiss nicht, wer das ganze Zeugs liest. Wenn solche durchsichtigen strategisch-taktischen Verkaufsoffensiven ihr Publikum finden, warum nicht. Allerdings verlieren für mich sowohl „Zeit“ wie „Spiegel“ langsam aber sicher die Aura von Medienintanzen. Es sind halt auch einfach bloss Blätter, mal mit guten Stories, häufig Sosolala. Aber keine Instanzen mehr. Vielleicht braucht’s die auch gar nicht mehr. Ich meine: die Instanzen. FAZ und SZ sind noch welche, denen ich einigermassen vertraue. Etwas altmodisch halt. Hoffentlich geben dir mir als Leser nicht auch noch den Kick in den Hintern, so dem Sinn nach: Hau ab, Dummkopf, Leser wie dich brauchen wir schon gar nicht, immer nur nörgeln.

Petra 06. Dezember 2011, 09:35

Keiner kapierts, aber alle machen mit.
Giovanni di Lorenzo hat den Aufschlag gemacht für das mediale Pingpong, dass eine geniale Werbemaßnahme zum Weihnachtsgeschäft ist. Warum das Buch nicht im März 2012? Weil es dann nicht unter so vielen Weihnachtsbäumen liegen könnte. Warum sonst wurde das Interview wohl sonst vom Verlag angeregt?
Schmidt Schnauze und sein „Ziehsohn“ sind eben nur einen Monat früher aus der Deckung gekommen und werden trotz Schachbrett-Spott nur auf Platz 2 landen.
„Man merkt die Absicht und ist verstimmt.“ So lässt Goethe seinen Torquato Tasso sagen. Das gleiche gilt für die Verlinkung im Bildblog, wenn man sieht , dass Ronnie Grob hier Redakteur ist.

Ronnie Grob 06. Dezember 2011, 10:35

Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob ich auf Bildblog.de Projekte verlinken soll, an denen ich in irgendeiner Form selbst beteiligt bin. Ich stelle mir jeweils die Frage, ob ich den Text auch verlinkt hätte, wenn das nicht der Fall wäre: in diesem Fall kann ich das bejahen. Würden Sie sich denn, was solche Vorgänge betrifft, von mir mehr Transparenz wünschen? Wenn ja, in welcher Weise?

Fred David 06. Dezember 2011, 11:43

@) Ronnie Grob: Auch mit lässlichen Sünden kommt man noch in den Himmel. Sie zählen nicht wirklich und eine Absolution ist daher nicht erforderlich, damit die Seele rein bleibt. Das verstehst du nur, falls du mal katholischen Religionsunterricht genossen hast. Dort zählt der Sündenkatalog zum Standard-Repertoir. Deine „Sünde“ kommt darin nicht vor. Sonst müsstest du jetzt zur Strafe drei „Ave Maria“ (voller Wortlaut und unter Aufsicht) beten.

Florian Flammenberg 06. Dezember 2011, 12:30

Dank der Verlinkungen des Ronnie Grob stieß ich schon des öfteren auf interessante Lektüre.
Aber frei von Vorlieben und Abneigungen sowie Freundschaftsdiensten ist wohl niemand. Nur so kann ich mir die ständigen Hinweise in „6 vor 9“ auf fast jeden Artikel des Bildblog-Gründers Stefan Niggemeier in seinem persönlichen Blog und sonstwo erklären. Das schöne alte Sprichwort „Eine Hand wäscht die andere“ trifft es auch noch im Internet-Zeitalter ganz gut.

Ronnie Grob 06. Dezember 2011, 13:10

@Florian Flammenberg: Nein, „frei von Vorlieben und Abneigungen“ bin ich nicht, niemand ist – „Freundschaftsdienste“ mache ich aber keine. Die Behauptung, ich würde „auf fast jeden Artikel“ von Stefan Niggemeier hinweisen, stimmt so nicht. Das können Sie gerne wissenschaftlich nachprüfen.

Florian Flammenberg 06. Dezember 2011, 13:47

Wie gesagt, für manche Links bin ich durchaus dankbar, denn ohne sie hätte ich manchen guten Artikel nicht entdeckt. Die häufigen Hinweise auf Niggemeier muss ich wohl verkraften. Da ich sein Blog berufsbedingt regelmäßig lesen muss, stören mich Ihre Links nicht weiter.

Petra 06. Dezember 2011, 14:02

@Ronnie Grob
Autsch – Wissenschaftlich nachgeprüft (ich kann gerade so bis 10 zählen ;))
Von den letzten 8 Blogeinträgen bei Niggemeier wurden 4 im BildBlog verlinkt. Von Anfang Juli an insgesamt 11 Artikel, erschienen bei FAZ, Spiegel.de oder dem Niggemeier-Blog.
Als Blog-Junkie lasse ich mich gern gerade von den 6-vor-9-Artikeln durchs Netz treiben. Manchmal gibt es unglaubliche High-Lights wie gestern mit dem Bericht über Lene und Tobi, aber regelmäßig jeden Donnerstag wird „Zapp“ ausgeschlachtet. Ich werde also beim Umhertreiben oft an diesselbe Stelle gespült.
Sollte man nicht die Rubrik umändern in „3 nach 9“ um die Relevanz zu erhöhen?

Ronnie Grob 06. Dezember 2011, 14:54

@Petra: „fast jeder Artikel“ ist das allerdings nicht, oder? Tatsächlich ist Stefan Niggemeier einer der wichtigsten deutschen Medienjournalisten (der dazu regelmässig Beiträge veröffentlicht, die ausgezeichnet ins Konzept von „6 vor 9“ passen). Um ihn und auch um „Zapp“ komme ich, auch mangels besserer Konkurrenz, also kaum herum. Wenn ich mir mal erlaube, einen Donnerstag ohne „Zapp“-Link zu bestreiten, dann beschweren sich auch Leute: „6 vor 9“ ist nun mal darauf angelegt, die einen oder die anderen zu vergraulen. Dass das Format immer 6 Links vorsieht, kommt der Realität auch nicht entgegen, denn mal hätte ich 9 gute Links, mal aber nur 3, dann müsste man aber das doch recht erfolgreiche Konzept ändern. Sie sind gerne dazu eingeladen, mich entweder auf bessere Links hinzuweisen oder selbst bessere zu versammeln. Welche Links tatsächlich bei „6 vor 9“ angepriesen werden, entscheide aber nach wie vor ich, ganz persönlich. Fair ist das nicht, das kann es gar nicht sein.

D. Diderot 06. Dezember 2011, 10:10

Sie schreiben eher nebenbei, dass „pointiertere Nachfragen in der Plagiats-Causa möglich gewesen wären“, dabei ist das doch der entscheidene Punkt! Dieses Interview erinnert an die Art und Weise, wie Sportjournalisten arbeiten, siehe den letzten Besuch von Uli Hoeness beim Aktuellen Sportstudio. Selbst der L’Osservatore Romano würde den Papst kritischer befragen.

Klaus 06. Dezember 2011, 11:24

„Di Lorenzos Guttenberg-Interview wird als parteiische PR-Inszenierung kritisiert. „
Zu Recht.
Struck unterschlägt leider die leicht erkennbare Reklamestrategie des Guttenberg, die seine Kritiker alle erkannt haben und auch erwähnen: Sein Auftritt in Canada (mit reichlich Presse bei uns), verbunden mit seinem Imagewechsel (viel Fotos bei uns), dann das Buch (mit dem „aus dem Färnseh bekannten Gesicht“: di Lorenzo und viel Trara) und dann dieses ZEIT-Interview, ebenfalls von reichlich Reklame begleitet. Diese Inszenierung ist erkennbar und MUSS aufgespießt werden; wenn ein bisher angesehener Journalist da mitspielt, wird er eben auch aufgespießt. Oder sind alle doof außer Mutti? …sorry, außer Struck?

sonora 06. Dezember 2011, 12:41

Nur weil ein Journalist auf Anregung eines Buchverlags mit einem gestrauchelten Minister spricht, macht er sich noch lange nicht gemein mit dessen zweifelhaften Methoden

Nein. Aber wenn er keine harten Fragen stellt und auch nicht nachhakt, wenn der Interviewte dermaßen peinlich die Situation zu verdrehen versucht. Unbegreiflich, dass irgendwer da nicht an Vorsatz glaubt.

Dies wird aus dem Kommentar von di Lorenzo im März abgeleitet. Dabei hatte dieser den Verlust des Doktortitels damals als «angemessen» bezeichnet.

Was ja auch schon ein Einknicken ist, schließlich war der Verlust des Doktortiels alternativlos.

Walter Sobchak 06. Dezember 2011, 13:30

Doch, er macht sich gemein mit dem Interviewten, wenn er nicht kritisch nachhakt.

D. Raschke 06. Dezember 2011, 14:57

Mein Problem mit dem „Interview-Buch“ ist nicht, dass es erschienen ist – ich muss es ja nicht kaufen. Mein Problem ist, dass die Passagen, die vorab veröffentlicht wurden, eher einer Selbstbeweihräucherung gleichen, als einem Interview.

Das ist zwar ein generelles Problem, denn wer zu kritisch ist, bekommt gar keine Interviews mehr. Aber gerade dieses Buch hat mit Journalismus so viel zu tun, wie Harald Schmidt mit Helmut Schmidt – sehr wenig.

Lothar Struck 07. Dezember 2011, 08:23

Vielen Dank für die Kommentare. Es kursiert immer wieder der Vorwurf, in solchen Interviews würde nicht kritisch genug nachgefragt. So auch in diesem Fall. Jetzt ist es höchst subjektiv, was denn eine „kritische“ Nachfrage ist. Man darf nicht vergessen, dass Interviews in Printmedien immer auch noch geglättet werden. Insofern ist das ein Balanceakt, dem sich in diesem Moment natürlich ein Journalist stellt. Es ist im übrigen eine Erfahrung, dass man mehr aus einem Interviewgast herausholen kann, wenn man ihn nicht frontal oder aggressiv angeht.

Das Interview mit Guttenberg spricht für sich selber: In der Plagiatsaffäre bleibt er uneinsichtig, seine Verteidigung ist ziemlich lächerlich. Die Kritik an den deutschen Volksparteien uninspiriert, an seiner eigenen Partei heuchlerisch. Er kündigt ein Comeback an – lässt sich aber alle Optionen offen. Das spricht alles für sich. Man kann jetzt natürlich in einer besonderen Form intellektueller Hochnäsigkeit hinter jeder Formulierung Guttenbergs für den ach so dummen Leser noch ein Warndreieck platzieren. Diese Form der paternalistischen Pflege hat dann allerdings gar nichts mehr mit Journalismus zu tun.

Dass sich Medien zum Teil einer Kampagne machen ist nicht neu, wie ich versucht habe aufzuzeigen. Ich habe durch Zufall gestern einen Film über den Nazi-Rüstungsminister Albert Speer gesehen. Als dieser nach 20 Jahren 1966 aus dem Gefängnis kam, gab er dem „Spiegel“ ein Exklusivinterview für 50.000 DM. Gibt es Untersuchungen darüber, wieviele Abonnenten damals den „Spiegel“ gekündigt haben? (Vielleicht schämt man sich inzwischen; im „Spiegel“-Online-Archiv ist der Text nicht freigeschaltet.) Haben sich die „Spiegel“-Redakteure mit einem Nazi-Minister „gemein“ gemacht? Die „Welt“ zahlte in den 70er Jahren einen hohen sechsstelligen Betrag für einen Vorabdruck von Speers Memoiren. Dieses Extrembeispiel soll zeigen, dass es immer Verflechtungen dieser Art gegeben hat und es sich um kein Phänomen der Neuzeit handelt, die so voreilig wie vorlaut als verlottert gilt.

Florian Flammenberg 07. Dezember 2011, 14:45

Danke, Herr Struck. So viel Sachlichkeit und so wenig Aufgeregtheit tut gut in dieser Zeit. Dass ich das noch erleben durfte, verdanke ich „6 vor 9“ auf dem (wegen jeder Kleinigkeit erregten) Bildblog.
Und auch ein Gruß an Ronnie Grob. Warum gibt es heute keine Verlinkung zum Niggemeier?

Sasquatch 08. Dezember 2011, 00:39

Es könnte ja sein,dass ich das alles grundlegend falsch verstanden habe oder einfach schlecht informiert bin, aber für mich besteht die Problematik darin, dass ein Chefredakteur in dem von ihm verantworteten Medium Werbung für ein Buch macht, an dem er selbst finanziell beteiligt ist.
Und wenn schon nicht das, was ich mir beim Blick auf das Buch, wo er als Autor mit gelistet ist, schwer vorstellen kann, dann macht er doch massiv Eigenwerbung für sich als Person und so ein Verhalten stößt mir bei einer so seriösen Zeitung wie der Zeit einfach sauer auf.
Dies und nicht die Person Guttenberg ist für mich der Stein des Anstoßes, obwohl es dadurch natürlich noch anstößiger wird.
Obwohl man dies zumindest durch die Argumentation des subtilen Entlarvens, die sie bemühten, widerlegen kann.
Dennoch die finanzielle Komponente macht mir das alles so madig!

Fred david 08. Dezember 2011, 18:56

@)sasquach: … wobei man hinzufügen muss, dass Don Giovanni erklärt hat, er werde das Honorar einem guten Zweck spenden, was wir ihm gern glauben. Ich habe den Eindruck: ein zweites Mal würde er die Übung nicht durchziehen. Es ist ihm vermutlich ziemlich peinlich. Da hat offenbar einer kurzfristig abgehoben, und keiner in der Redaktion hat rechtzeitig gesagt: Spinnst du?