von Nick Lüthi

In der Pose des Missverstandenen

Explosive Recherchen sprechen für sich und brauchen nicht mit Rauchbomben begleitet zu werden. Nicht so bei der Weltwoche: Das Magazin versucht seinen Recherchen mit tosender Begleitmusik mehr Gewicht zu verleihen – und zeigt sich überrascht, wenn nicht alle auf die Trickserei hereinfallen.

Ob bei den Enthüllungen zu den Devisengeschäften von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand, oder vor einer Woche bei den Recherchen zu den kriminellen Aktivitäten von Roma in der Schweiz: Anstatt die Tatsachen und Meinungen für sich stehenzulassen, setzt die Weltwoche jedes Mal noch einen drauf: Bei Hildebrand war es die Titulierung als «Gauner» und «Lügner», bei der Roma-Geschichte das umstrittene Heftcover.

Dass sich die Öffentlichkeit und insbesondere Medien und Journalisten auf das Titelbild stürzen würden, kann niemanden überraschen. Ebenso wenig erstaunt es, dass sich die Diskussion fortan nicht mehr um den problematisierten Gegenstand, sondern um die Weltwoche als solche dreht. Chefredaktor und Verleger Roger Köppel interpretiert dies als Weigerung, über die ans Licht gezerrten Missstände diskutieren zu wollen. Nur: Gerade der Fall der Roma-Kriminalität zeigt, dass es sich hier keineswegs um ein Tabu handelt. In den Wochen vor der Veröffentlichung der Weltwoche-Titelgeschichte haben praktisch alle Schweizer Medien ausführlich darüber berichtet.

Man darf sich also getrost fragen, ob diese forcierte Scheintabuisierung, das bewusste Ablenken vom Kern der Geschichte mit einem provokanten Knalleffekt, Teil der Weltwoche-Strategie ist, um sich in die Pose des Missverstandenen zu werfen. In dieser Pose braucht man sich auch nicht weiter mit Kritik auseinanderzusetzen, die im Fall der Motivwahl für das Cover der letzten Ausgabe mehr als berechtigt ist.

Die Verteidigung des Bilds mit dem Roma-Jungen aus dem Kosovo, der mit einer Pistole auf den Leser zielt, nimmt sich denn auch höchst abenteuerlich aus. «Wir haben kein Bild aus der Schweiz genommen», sagt Roger Köppel auf welt.de, «weil es im Artikel gerade nicht um die hier lebenden Roma geht, sondern um kriminelle Roma-Familienclans, die aus dem Osten Europas kommen.» Kein Wort dazu, dass die Kinder beim Betteln und Einbrechen in der Schweiz unbewaffnet vorgehen. Wenn es der Weltwoche an einer sachlichen Diskussion gelegen wäre, dann hätte sie dieses Bild nicht wählen dürfen, sondern eines, das mit der erzählten Geschichte etwas zu tun hat.

Bild: Flickr/Cord Woodruff (CC BY-ND 2.0)

Leserbeiträge

Roman Urbaner 12. April 2012, 14:27

Natürlich gibt es Kriminalität von Roma (und gegen Roma). Wie sollte das auch anders sein? Armut und Marginalisierung produzieren immer aufs Neue Missstände und Fehlverhalten. Auch Ausbeutung, auch Kriminalität. Das hat mit ethnischen Kategorien allerdings nichts zu tun. Was also soll diese ominöse „Roma-Kriminalität“ sein? Oder gibt es dann auch „Juden-Kriminalität“? Das ist Jobbik-Jargon und allein schon durch die stillschwiegende Akzeptanz des eine ganze Ethnie diffamierenden Begriffs sind Sie den Hetzern gehörig auf den Leim gegangen.

Nicole Suter-Murard 15. April 2012, 00:13

Richtig, Roman Urbaner. Denn, es mehren sich die Anhänger des seit Mitte 2010 aktiven, politische getragenen Komitees, das die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Schweiz fordert (wenn auch die Petition jüngst vom Parlament zurückgewiesen wurde). Und wenn die „Stimmen des Volkes“ unter der Partei politischen, tagtäglichen Konditionierung der begründeten Angst vor dem andersartigen und kriminellen Ausländer unter Kriminalität einzig noch den Ausländer assoziiert, haben wir jetzt ein erhebliches soziologisches, rechtliches Problem – Ein Beispiel unter unzähligen (20Minuten):

„Michael Morales am 28.08.2010 10:55 Diesen Beitrag melden
unterschreibt, ihr schweizer Bürger!
Es steht: Jeder hat das Recht zu Leben und eine 2. Chance verdient. Das stimmt. Jemand, der aber vorsetzlich gehandelt hat und davor noch missbraucht und/oder vergewaltigt hat, hat in meinen und vielen anderen Augen KEINE 2. Chance verdient! Und wenn jemand Lebenslange Haft bekommt, dann kann er ja froh sein, denn er hat 3-Mal am Tag was zu essen, einen TV in der Zelle und kostenlose Therapie-besuche, die sowieso nichts bringt und wer zahlt das alles? WIR! Augen auf schweizer Bürger, Ihr, die immer auf das Geld achtet! Ausschaffung ist schon mal der erste Schritt zur Besserung!“

Inzwischen sind bald zwei Jahre vergangen und die Lage hat sich massiv zugespitzt. Die Rassismus fördernden Hetz-Kampagnen auch. Und alle wurden unter dem geduldigen, alles fressenden Deckmantel der freien Meinungsäusserung in der „direkten Demokratie“ zugelassen. Weder Lauterkeitskommission noch Presserat gelang es einschneidend einzugreifen, noch sprach der Rechtsstaat das orientierungsgebende bundesgesetzliche Recht.

Der Rechtsstaat Schweiz ist angehalten, ab sofort und zum Schutz ihrer Bürger, in jeglichen menschen rechtlichen Rechtsbegehren (Bundesgesetz, Bundesverfassung (teils geändert 2011 zu Ungunsten der Rechte von Menschen mit Behinderung) internationale Menschenrechte), die rechtsphilosophischen Grundsätze wieder einzuführen. Ohne die, die Rechstsprechung den Opfer von Rassismus und Diskriminierung das Recht nicht sprechen kann, da die Prozessordnung in der Schweiz die Rechtsbeugung erlaubt.

Peter Wirth 13. April 2012, 14:07

Man darf sich alles leisten und alles tun. Sofern die Weltwoche darüber berichtet, ist man alsogleich von jeder Schuld befreit. Weil: die Weltwoche ist der wahre Feind, das wahre Böse. In der Weltwoche kritisiert zu werden belegt deshalb, dass der Betroffene von jeder Schuld frei ist. Der Herr Hildebrand hat sich zwar ganz unakzeptabel verhalten, er hat ungeniert gelogen, in einer
Weise spekuliert, die jedem Pensionskassenverwalter verboten wäre, aber weil die Weltwoche …. s. oben.