von Nick Lüthi

«Anpassung an die Realität»

Die wirtschaftliche Situation von Privatradio und Regionalfernsehen in der Schweiz habe sich in den letzten fünf Jahren «klar verbessert». Das sagt eine aktuelle Studie der Firma Publicom. Doch insgesamt bewegt sich der private Rundfunk finanziell weiterhin auf bescheidenem Niveau. Die Branchenvertreter haben sich damit abgefunden, dass ihre Sender grossmehrheitlich nur dank öffentlichen Geldern überleben. André Moesch vom Regionalfernsehverband Telesuisse nimmt Stellung zur Studie und den Aussichten auf gelockerte Rahmenbedingungen.

Zuerst die gute Nachricht: Die Privatradios in der Schweiz stehen mehrheitlich auf gesunden Beinen. Als Indikatoren dafür gelten eine durchschnittliche Eigenkapitalquote von 42 Prozent sowie Cash Flows von 15 Prozent und mehr. Diese Zahlen hat die Firma Publicom im Auftrag der Branchenverbände und des Bakom zusammengetragen. Heute morgen wurde die Studie zur wirtschaftlichen Situation von Privatradio und Regionalfernsehen in Bern der Öffentlichkeit vorgestellt.

Dann die weniger gute Nachricht: Der positive Gesamteindruck bei den Privatradios täuscht. Neben acht Sendern, die gemäss Studie als «hochrentabel» gelten, gibt es auch welche, die in argen Geldnöten stecken. Ein Muster für diese grossen Unterschiede konnten die Autoren der Studie keines erkennen. Weder spielt die Grösse des Senders für den wirtschaftlichen Erfolg eine Rolle – es gibt auch kleine die rentabel arbeiten –, noch dient die Einbindung in einen Medienverbund als Erklärung für gesunde Finanzen.

Und schliesslich die schlechte Nachricht: Für Regionalfernsehen gibt es in der Schweiz keinen Markt. Oder wie es André Moesch vom Branchenverband Telesuisse sagt: «Ohne Gebühren geht es überhaupt nicht.» Im Werbemarkt ist das einheimische Privatfernsehen mit einem mickrigen Gesamtumsatz von 36 Millionen Franken nahezu bedeutungslos. Zum Vergleich: Die Privatradios haben 2010 auf dem Werbemarkt 153 Millionen erwirtschaftet.

Was tun? Die Autoren der Studie schreiben in ihrem Fazit: «Die Eigenwirtschaftlichkeit der gesamten Branche bei gleichem Leistungsumfang dürfte aber ohne massive Änderungen der politischen Rahmenbedingungen ein kaum erreichbares Ziel bleiben.» Doch was heisst das in einem Markt, der keiner ist und politisch gewollt keiner sein soll? In der heutigen Medienordnung schliessen sich «Eigenwirtschaftlichkeit» und «politische Rahmenbedingungen» gegenseitig aus.

Für André Moesch, Geschäftsleiter TVO und Vize-Präsident von Telesuisse, ist das kein Widerspruch, sondern die Realität an die sich auch künftige Regulierung anpassen muss.

Herr Moesch, haben Sie die Ergebnisse der Publicom-Studie überrascht?
In keiner Weise. Für mich hat die Studie sehr viel bestätigt, was ich eigentlich schon wusste. Am erstaunlichsten waren die deutlichen Unterschiede zwischen Radio und Fernsehen. Für mich hat das gezeigt: Fernseh machen ist doppelt so schwierig, wie Radio machen.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Studie?
Was jetzt schon klar ist, dass die Rahmenbedingungen für das Regionalfernsehen noch stärker ein Thema werden. Es geht letztlich um die Frage, wie man es in der Schweiz schafft, gesetzlich und finanziell die Regionalsender so aufzustellen, dass sie wirtschaftlich auf sicherem Boden stehen.

Da sind ja schon ein paar Sachen angedacht. So soll mit der Revision der Radio- und Fernsehverordnung die Eigenfinanzierungsquote auf 30 Prozent gesenkt werden. Was bringt das?
Die geltende Regelung führt heute zu Problemen, wenn es Sender nicht schaffen, 50 Prozent ihrer Mittel auf dem Werbemarkt zu beschaffen. Dann erhalten sie nicht den vollen Gebührenanteil, der für den Sender vorgesehen wäre. Neu sollen sie nur noch 30 Prozent aus eigener Kraft erwirtschaften müssen, damit sie den vollen Gebührenbetrag erhalten. Wirtschaftlich wird sich das natürlich positiv auswirken. Allerdings sind davon nur wenige Sender betroffen. Mehr Geld in absoluten Zahlen wird es mit der neuen Regelung nicht geben. Es hilft aber besser auszuschöpfen, was den Sendern eigentlich zusteht. Es ist eine Anpassung an die Realität.

Eine andere vorgesehene Erleichterung: Künftig sollen Regionalsender ihr Programm auch ausserhalb ihres Versorgungsgebiets ausstrahlen dürfen.
Das wird sicherlich einen positiven Effekt haben, weil die künstlichen Grenzen der Versorgungsgebiete aufgehoben werden. Das bringt ein bisschen mehr Zuschauer und etwas höhere Werbeerträge. Insgesamt ist das sicher der richtige Weg. Doch das Kerngeschäft der Regionalsender bleibt auch in Zukunft ihre Region. Dazu verpflichtet sie weiterhin der Leistungsauftrag für einen regionalen Service public.

Aktuell gibt es 13 Versorgungsgebiete. Ist das auch in Zukunft eine sinnvolle Einteilung?
Wirtschaftlich würden kleinräumigere Strukturen, also zusätzliche Versorgungsgebiete, nicht funktionieren und grössere sind nicht mehr notwendig, wenn die Grenzen der Verbreitung aufgehoben werden. Damit werden sich die Sender automatisch so weit ausbreiten, wie sie es für sinnvoll halten.

Anders gefragt: Sind 13 gebührenfinanzierte Regionalsender nicht ein paar zu viel?
Der Entscheid, in wie viele Versorgungsgebiete die Schweiz eingeteilt wird, hängt für mich davon ab, welche Kommunikationsräume es tatsächlich gibt. Nur so kann Regionalfernsehen seinen Zweck erfüllen. Als sprachregionale oder nationale Sender haben die Privaten keine Chance. Dieses Grundgesetz wird bleiben.

Nun gibt es mit TeleZüri einen Sender, der ganz ohne Gebühren und ohne Konzession wirtschaftlich bestehen kann. Ist das die Ausnahme, die die Regel bestätigt?
TeleZüri funktioniert im Grossraum Zürich so gut, weil dies der grösste Wirtschaftsraum mit einem grossen Fernsehpublikum ist. In anderen Regionen würde das nicht funktionieren. In dem Sinn ist TeleZüri ein Einzelfall.

Was können die Gebührensender von TeleZüri lernen?
Ich finde interessant zu beobachten, dass sich das Programm von TeleZüri nicht gross von denjenigen der gebührenfinanzierten Sendern unterscheidet: News und Talks in einer Stundenschlaufe, vielleicht ein bisschen mehr Unterhaltung, aber nicht in einem Mass, dass man sagen müsste, die spielen in einer anderen Fernsehkategorie. Das zeigt mir auch, dass dieses Konzept so falsch nicht sein kann, ob mit oder ohne Konzession.