von Nick Lüthi

Dann doch anders überlegt

Der Nationalrat hat es mit hauchdünnem Mehr abgelehnt, die Radio- und Fernsehgebühren einzufrieren. Noch vor zwei Jahren unterstützte eine deutliche Ratsmehrheit diese Forderung. Für den Umschwung sorgten die Mitteparteien CVP und BDP. Im Parlament kann die SRG weiterhin auf eine solide Unterstützung zählen.

Bei der SRG wird man es erleichtert zur Kenntnis genommen haben: Mit nur einer Stimme Unterschied hat es der Nationalrat am letzten Mittwoch abgelehnt, die Gebühren für Radio und Fernsehen auf dem aktuellen Betrag von 462 Franken pro Haushalt unverändert zu lassen. 81 Parlamentarier stimmten für die Motion «Keine zusätzlichen Gebührengelder» von SVP-Nationalrat Thomas Müller und 82 waren dagegen.

So knapp ist in den letzten Jahren keine Vorlage ausgegangen, die dem öffentlichen Rundfunk engere Rahmenbedingungen auferlegen wollte. Immer fanden sich im Bundeshaus klare, wenn auch nicht überwältigende, Mehrheiten zugunsten von SRG und Service public.

Am Ausgang der Motion Müller überrascht indes weniger die knappe Ablehnung als der deutliche Stimmungsumschwung dutzender Parlamentarier seit die Vorlage im Juni vor zwei Jahren eingereicht worden war. 114 Nationalrätinnen und Nationalräte hatten damals die Vorlage mitunterzeichnet; eine Mehrheit, mit der die Motion locker hätte überwiesen werden können.

In der Zwischenzeit wurde nicht nur ein neues Parlament gewählt und ein Teil der damaligen Mitunterzeichner ist nicht mehr im Rat, auch haben es sich zahlreiche der einstigen Sympathisanten einer Gebühreneinfrierung anders überlegt. So lässt sich erklären, weshalb nur noch 81 Parlamentarier das Vorhaben unterstützten. Vor allem Vertreter der Mitteparteien CVP und BDP, sowie der Grüne Alec von Graffenried haben es sich anders überlegt und trugen das Anliegen nicht mehr mit, das sie noch vor zwei Jahren als Motion mitunterzeichnet hatten.

Gründe, es sich anders zu überlegen, gibt es indes eine ganze Reihe. Seit die Motion vor zwei Jahren eingereicht wurde, hat sich in Sachen SRG-Finanzen und Empfangsgebühren einiges getan. So schreibt die SRG nach fünf Jahren, im ersten Amtsjahr unter Generaldirektor Roger de Weck, erstmals wieder schwarze Zahlen. Auch weist alles darauf hin, dass die Empfangsgebühren wenn schon sinken und sicher nicht steigen werden. Wenn der in die Wege geleitete Systemwechsel bei den Gebühren hin zu einer allgemeinen Medienabgabe konsequent umgesetzt wird, müsste jeder Haushalt in Zukunft deutlich weniger bezahlen als heute. Ein Einfrieren auf dem aktuellen Stand hätte damit sogar das Gegenteil der erwünschten Wirkung zeitigen und der SRG grössere Einnahmen bescheren können.

Dass der knappe Ausgang der Gebührenvorlage nicht Ausdruck eines Klimawandels zulasten der SRG ist, sondern einfach ein Zufallsresultat, zeigt auch das Ergebnis einer zweiten medienpolitischen Motion, die der Nationalrat letzte Woche behandelt hat. Mit deutlichem Mehr will die grosse Kammer die Bewilligungspflicht für Live-Streams des Schweizer Fernsehens im Internet aufheben; wohl nicht ganz uneigennützig. Mit den Streams sollen auch Parlamentsdebatten übertragen werden.

Vor dem Hintergrund des weiterhin schwelenden Konflikts über die Grenzen der publizistischen und kommerziellen Online-Aktivitäten des öffentlichen Rundfunks, kann diese Lockerung der Spielregeln als klares Signal zugunsten einer ausgebauten Online-Präsenz der SRG gelesen werden. Die Politiker wissen nur zu gut, dass sie von einer starken SRG profitieren, die ihnen eine Gratis-Werbeplattform bietet.