von Nick Lüthi

Fatales Missverständnis

Nach sieben Ausgaben stellt Mag20 den Betrieb bereits wieder ein. Dem bimedialen Mitmachmagazin drohte das Geld auszugehen. Deshalb hat Gründer und Verleger Markus Bucheli den Stecker gezogen. Grund für das vorzeitige Aus ist ein Missverständnis um die Rolle des Geldgebers.

Das ging schnell, sehr schnell sogar. Erst am 10. August hielt man die Nullnummer in den Händen und keine zwei Monate später landet schon die letzte Ausgabe im Briefkasten. Am letzten Sonntag gab der Verleger bekannt, den Betrieb «auf unbestimmte Zeit einzustellen», was de facto dem Ende gleichkommt.

Mag20 sollte ein modernes Mitmachmagazin werden: Anstelle einer Redaktion entscheiden die Leser über den Inhalt des Hefts. Die zwanzig Beiträge mit den meisten «Likes» und Online-Empfehlungen werden gedruckt und jeden Freitag 50’000-fach in Schweizer Städten verteilt und zahlenden Abonnenten per Post zugestellt. Dass sich damit kurzfristig kein Geld verdienen lässt, war Markus Bucheli sehr wohl bewusst; auch mit der Möglichkeit zu scheitern, hat der branchenfremde Jungverleger gerechnet. Doch trotz grossem Risiko war Bucheli kein Hasardeur. Als gelernter Wirtschaftsprüfer kennt er sich mit Geschäftszahlen aus und konnte auch ohne Mühe einen Businessplan erstellen, der den Namen verdient. In einem Punkt allerdings liess sich Bucheli zu stark von der Euphorie leiten – was dem Projekt zum Verhängnis werden sollte.

Mit Georges Bindschedler schien ein potenter Investor gefunden worden zu sein. Der Berner Anwalt, professionelle Verwaltungsrat und BaZ-Miteigentümer machte tatsächlich eine Zusage. Worüber genau, gehen heute die Meinungen auseinander. «Es ging nie darum, dass ich Mag20 finanzieren würde», sagt Bindschedler auf Anfrage. «Ich hab Markus Bucheli lediglich ein kleines Darlehen für den Start gewährt. Mein Engagement war als reine Goodwill-Geste zu verstehen für ein Projekt, das ich sympathisch und spannend fand.»

Markus Bucheli dagegen verstand die Zusage Bindschedlers als mittelfristiges Engagement, um den Betrieb in der Aufbauphase von rund eineinhalb Jahren finanziell zu sichern. Doch gefehlt. Bucheli weiss heute auch weshalb: «Da es keine schriftliche Vereinbarung über das finanzielle Engagement von Georges Bindschedler gab, habe ich in die mündliche Abmachung offenbar zu viel hineininterpretiert.» Ob das die ganze Wahrheit ist, oder ob nicht Bindschedler plötzlich seine Meinung geändert hat und von seinem anfänglichen Versprechen abgerückt ist, lässt sich heute nicht belegen. Tatsache ist, dass auch die Medienwoche Bindschedler so verstanden hatte, dass er sich mit einem substanziellen Beitrag bei Mag20 engagieren würde.

Das Missverständnis konnte vielleicht auch deshalb entstehen, weil Bindschedler tatsächlich eine weiterreichende Finanzierung in Aussicht gestellt hatte – allerdings nicht aus seinen privaten Mitteln, sondern über die Medienvielfalt-Holding. Mit dem Vehikel, das Tito Tettamanti und eine Reihe Getreuer für die Übernahme der Basler Zeitung geschaffen hatten, sollten auch andere Medienprojekte unterstützt werden. Ob das Gesuch für Mag20, das Bindschedler dem Verwaltungsrat der Holding vorgelegt hat, an der Sitzung Ende November überhaupt noch behandelt wird, ist nach der Einstellung des Magazins ungewiss.

Allzu viel Hoffnung auf einen baldigen Neustart macht sich Markus Bucheli deshalb keine. Für den Mag20-Gründer war von Beginn an klar, dass er sein Projekt nur mit Investoren zum Fliegen bringen würde. Allein mit Werbung lässt sich eine wöchentliche Auflage von 50’000 Heften zu 48 Seiten nicht finanzieren. Sollte es dereinst in der einen oder anderen Form weitergehen, müsste die Finanzierung vorher einwandfrei gesichert sein. «Für mich ist es neben der Enttäuschung über das vorzeitige Ende von Mag20 auch ein Lehrstück», sagt Markus Bucheli. Ein Lehrstück in Kostenmanagement im Printbereich. Eine Möglichkeit, die Ausgaben zu senken, wäre die Umstellung auf eine monatliche Erscheinungsweise anstelle der wöchentlichen. Denn abgesehen von Druck und Vertrieb ist Mag20 ein schlankes Projekt.

Man mag Papierqualität, Layout und die Qualitätsunterschiede der Artikel kritisieren, aber Themenvielfalt und Diskussionskultur auf der Onlineplattform mag20.com wiesen in eine vielversprechende Richtung. In den sieben Lebenswochen konnte sich eine Community mit einer Nutzerkultur etablieren, die für eine weitere Entwicklung positiv stimmte. Dennoch hinterlässt das Projekt keine Lücke, ein überwältigendes Bedürfnis hätte sich anders geäussert. Doch ein Experiment, und als das war der Betrieb auch angelegt, muss nicht a priori den Massengeschmack treffen, sondern kann auch in einer Nische heranwachsen. Bucheli bleibt deshalb optimistisch: «Es könnte gut sein, dass es einen Relaunch von Mag20 gibt. Schliesslich war Mag20 auf einem guten Weg und wir könnten mit relativ wenig Aufwand wieder darauf zurückkehren.»

Leserbeiträge

bugsierer 02. Oktober 2012, 18:30

nun ja, für einen buchprüfer ist eine solche „zusage“ dann doch etwas seltsam.

so ein projekt ohne finanzierung für mind. ein halbes jahr (selbst das ist extrem wenig) zu starten, ist wohl dem jugendlichen übermut des machers geschuldet. das ist das privileg von interessanten jungspunden. es gibt zu wenige davon – und doch wünschte ich mir, irgend jemand hätte gerade diesen vor diesem scheitern bewahrt. es war absehbar. die idee war gut, aber unausgegoren UND unterkapitalisiert. zwei gute gründe, nicht aus der hüfte zu schiessen.

henusode. ich hoffe, der gute hat trotzdem was davon und wünsche ihm das beste. (stellt ihn ein, überschüttet ihn mit kapital, tut was, verleger …)