von Ronnie Grob

SMD-Chef Jürg Mumprecht: «Wert eines Archivs ist nicht allen bewusst»

Alle nutzen sie, doch die wenigsten wissen, was genau dahinter steckt: Die Schweizer Mediendatenbank SMD gehört zu den unverzichtbaren Arbeitsinstrumenten der Journalisten. 16 Jahre nach der Gründung sind die meisten wichtigen Publikationen in der Datenbank erfasst. Mehr als 13 Millionen Dokumente haben sich so angesammelt. In letzter Zeit häufen sich die Begehren, archivierte Artikel nachträglich zu ändern.

Journalisten kennen die Schweizer Mediendatenbank SMD vor allem wegen der Suchmaske, mit der sie einen Grossteil ihrer Recherchen beginnen. Rund 7000 Medienschaffende nutzen den Dienst. In die Datenbank aufgenommen werden Publikationen aus der Schweiz, die redaktionelle Eigenleistungen erbringen, zuletzt zum Beispiel «Le Nouvelliste» oder die «Medienwoche». Nach wie vor nicht vertreten sind Tessiner Publikationen, aber auch das «Bieler Tagblatt» und «Le Courrier» aus Genf.

Damit die kostenpflichtige und passwortgeschützte Datenbank funktioniert und aktuell bleibt, braucht es einiges an Personal: An der Badenerstrasse 119 in Zürich arbeitet ein gutes Dutzend Mitarbeiter in der Dokumentation, der Administration, als Techniker, als Scanner, in der Informatik und in der Auswertung ausländischer Titel. Hinzu kommt ein «Flick-Team» von 10 bis 15 Personen, hauptsächlich Studenten, die von zuhause arbeiten. Sie machen Texte maschinenlesbar, bessern Formatierungen aus und rücken Fehler gerade.

Vom Ideal, dass alle Informationen automatisch in die Datenbank einfliessen, ist die SMD noch ein gutes Stück entfernt. «Die Einspeisung der Zeitungsartikel kann nicht zu 100 Prozent automatisiert erfolgen», sagt Jürg Mumprecht, ein grosser Mann mit Schnauz und Brille, der sich als «Mädchen für alles» bezeichnet. Als Geschäftsführer steht er der SMD seit der Gründung im Mai 1996 vor, zuvor war er Leiter des Ringier Dokumentationszentrums RDZ.

Was der Titel eines Artikels, was eine Spitzmarke ist, muss man dem Computer erst mal begreifbar machen – und das braucht Handarbeit. Im Ringier-Verlag werden einige dieser Hilfsarbeiten seit fünf Jahren nach Indien ausgelagert, etwa das Umwandeln von PDF-Dateien ins XML-Format. Auch Tamedia hatte ein Outsourcing erwogen, kam aber zum Schluss, dass das Personal der SMD kostengünstiger arbeitet.

Was die missbräuchliche Nutzung der SMD angeht, sei man grundsätzlich sehr streng, sagt Mumprecht. Doch IP-Adressen der zugreifenden Computer würden nicht kontrolliert. Nur eine halbjährliche Zwangsaufforderung zum Ändern des Passworts wurde eingeführt – was viele Nutzer «aufregt», so Mumprecht. Die Nutzerdaten werden vielmehr dazu genutzt, um abzurechnen. Für das Abrufen von eigenen und fremden Dokumenten gibt es Belastungen und Gutschriften – ein kompliziertes Modell regelt, was der einzelne SMD-Kunde zahlt. Zugang erhalten nur Mitarbeiter von Verlagen, die selbst auch Inhalte liefern. Die Öffentlichkeit kann Artikel auf der Website Swissdox.ch kaufen.

In den letzten Jahren haben sich die Begehren gehäuft, nachträglich archivierte Artikel zu ändern oder löschen. Trotz aller einleuchtenden Gründen im Einzelfall betrachtet SMD-Geschäftsführer Mumprecht jeder nachträgliche Eingriff als eine Umschreibung der Geschichte, ein Eingriff in die Pressefreiheit, respektive eine Art von Zensur. Keinesfalls sollte damit leichtfertig umgegangen werden. In den letzten Jahren habe die Zahl der Änderungswünsche zugenommen, weiss Mumprecht. 5 bis 10 sind es jeden Monat, meistens stehen Klagedrohungen dahinter. Änderungen an Inhalten nimmt die SMD aber «ausschliesslich auf Weisung des Chefredaktors» vor, in der Regel wird dann ein beanstandeter Artikel vollständig unzugänglich gemacht. Textänderungen werden kaum je gemacht, und wenn, dann werden meist Namen anonymisiert.

«Der Wert eines Archivs ist nicht allen bewusst», sagt Mumprecht, und tatsächlich scheint es einigen Publikationen geradezu recht zu sein, keine bleibenden Spuren zu hinterlassen. Auch wenn sie etwas moderner daherkommen könnte – für den Journalismus ist die SMD ein Glücksfall, denn sie funktioniert und man findet meist, was man sucht. Journalisten müssen in der Lage sein, Menschen mit ihrer Vergangenheit zu konfrontieren und auf frühere Recherchen zurückzugreifen.

Nick Lüthi und Ronnie Grob sprachen am 3. Dezember 2012 mit Jürg Mumprecht.

Leserbeiträge

John Griesgram 07. Januar 2013, 13:03

Kein Wort über das Steinzeit-Interface, das aussieht, als sei seit 1996 nicht mehr investiert worden, und über das stossende Zweiklassen-System? Wirklich freien Zugang zu DB haben nur fest angestellte MitarbeiterInnen der drei SDM-Aktionäre Tamedia, Ringier und SRG, alle anderen Verlage werden heftig geschröpft. Jeder Kostenstellenleiter dort kann über die hohen Recherche-Kosten seiner Redaktionsleute klagen. Diese könnten viel einsparen, wenn sie bei SDM (oder Swissdox) nur die Suchfunktion nutzten, den Original-Artikel dann aber bei den Zeitung selbst abrufen würden. (Jedes Abo berechtigt zur Archiv-Nutzung). Der Tagi z.B. nutzt die SDM-DB für das eigene Archiv.