von Nick Lüthi

Wirtschaft teilt Sorge um Medienqualität

Die Liste liest sich wie ein Who is who der Schweizer Wirtschaft: Credit Suisse, Mobiliar, Swiss Re, Allreal und weitere Grosskonzerne finanzieren die Publikation des Jahrbuchs «Qualität der Medien» zu massgeblichen Teilen. Wieso sie das tun.

Zum Jahrbuch «Qualität der Medien» kursiert eine Verschwörungstheorie: Der linke Professor Kurt Imhof wolle mit seiner verheerenden Qualitätsdiagnose das Terrain ebnen, um die Schweizer Medien an den Tropf des Staates zu hängen. Nur zu schön würde in dieses Zerrbild passen, wenn das Jahrbuch mit Steuergeldern finanziert würde. Dem ist aber nicht so. Mehr als die Hälfte der jährlichen Kosten von rund einer halben Million Franken tragen private Donatoren. Mit 300’000 und 350’000 Franken beziffert Mark Eisenegger, Projektleiter Jahrbuch, den Beitrag dieser Sponsoren. «Den Rest finanzieren wir aus Eigenmitteln», teilt Eisenegger auf Anfrage mit. Universitätsgelder machen den kleinsten Teil aus. Erst seit 2012 steuert die Uni Zürich Mittel bei.

Die Liste der privaten Donatoren liest sich wie ein Who is who der Schweizer Wirtschaft: Die Mobiliar, Swiss Re, Allreal, Credit Suisse, Interpharma, Vontobel, Schweizerische Post, Zürcher Kantonalbank, dazu kommt eine Reihe wohltätiger Stiftungen. Die MEDIENWOCHE hat nachgefragt, weshalb die Unternehmen die Herausgabe des Jahrbuchs «Qualität der Medien» mitfinanzieren. Der Tenor lautet überall gleich: Man erachtet die Studie als einen wichtigen und deshalb unterstützungswürdigen Beitrag zur Qualitätsdiskussion.

Allreal-Sprecher Matthias Meier präzisiert: Mit der Unterstützung des Jahrbuchs wolle der Generalunternehmer «einen ideellen und finanziellen Beitrag zur Stärkung und Förderung des Qualitätsbewusstseins in der öffentlichen Kommunikation leisten.» Gleich tönt es bei der Credit Suisse: «Die vertiefte Analyse der Medienlandschaft Schweiz soll dazu beitragen, das Bewusstsein für die Qualität der Medien zu schärfen», schreibt Manuel Rychenbach von der Credit Suisse Foundation. Von Skepsis gegenüber dem Qualitätsurteil des Jahrbuchs und der dazu verwendeten Methodik weit und breit keine Spur. Im Gegenteil: Die Zürcher Kantonalbank etwa erachtet «das wissenschaftlich fundierte Jahrbuch als unterstützenswert, weil es ein gutes Spiegelbild der Schweizer Medienlandschaft ist, es das qualitative Bewusstsein fördert und zu Diskussionen anregt.» Die ideelle Unterstützung der Ziele und Befunde des Jahrbuchs schlägt sich entsprechend in Geldform nieder. Allein Allreal zahlt 50’000 Franken, die Mobiliar hat von 2010 bis 2012 je 15’000 Franken gezahlt. Die anderen angefragten Unternehmen nennen keine Zahlen.

Die positive Würdigung des Jahrbuchs von finanzkräftigen Firmen sollte den Verlegern zu denken geben. Leben doch die Medien von ihrer Werbung. In dem Sinn kann man das Engagement der Wirtschaft für das Jahrbuch auch als Schuss vor den Bug der Medien sehen. Längst existieren Alternativen zu Zeitungsseiten und News-Sites, um erfolgreich zu werben. Noch hegen Allreal, Credit Suisse, Mobiliar & Co. Hoffnung auf Besserung. Doch dafür scheinen die Verleger wenig Musikgehör zu haben. Als Reaktion auf das Jahrbuch, dessen Ergebnisse sie bekanntlich rundweg ablehnen, wollen sie allfällige Investitionen in die Qualität sicher nicht verstanden wissen.

Mit ihrer Fundamentalkritik und Diskussionsverweigerung stehen sie aber allein auf weiter Flur. Und selbst wenn es um die Medienqualität besser stehen sollte, als es die Jahrbuch-Diagnose zeigt, dann hätten es die Verleger nicht geschafft, den positiven Befund zu vermitteln. Bei der Wirtschaft vertraut man den wissenschaftlichen Ergebnissen mehr als der Verlegerpropaganda.

Leserbeiträge

Fred David 27. September 2013, 11:06

Interessant!

Klaus Bonanomi 27. September 2013, 13:50

Gut, dass du da mal nachgefragt hast. Die Sorge um die Qualität der Medien scheint auch bei der Wirtschaft geteilt zu werden. Die Verleger sind mittlerweile wohl die einzigen, die die kritischen Befunde des Jahrbuches nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Dass die Wirtschaft zunehmend in die Bresche springt, um universitäre Forschung zu finanzieren, ist allerdings auch ein zweischneidiges Schwert. Denn das ermöglicht es dem Staat, sich bei den Beiträgen an die Universitäten sukzessive zurückzuziehen. Wichtiger wäre es zudem, wenn wieder mehr und substanziellere Beträge der Wirtschaft in die (Presse)-Werbung fliessen würden!
Laut Jahrbuch hat die Schweizer Tagespresse 2011 – 2012 mehr als 180 Mio an Werbegeldern verloren (v.a. an branchenfremde Anbieter und an die Online-Rubrikenportale der Medienhäuser), und der Abfluss von Werbegeldern setzt sich offenbar fort; ich habe gerade heute gehört, dass in den ersten 8 Monaten 2013 erneut über 100 Mio weniger an die Presse geflossen sind.

Nick Lüthi 01. Oktober 2013, 00:05

Ich halte in dem Fall die Finanzierung durch die Wirtschaft für weitgehend unproblematisch, weil das Engagement nicht direkt die Interessen der Donatoren bedient. Im Gegensatz etwa zu einer UBS, die das International Center of Economics in Society an der Uni Zürich sponsert.
Private Mittel machen schon lange einen Teil der H0chschulbudgets aus. Es kommt immer darauf an, wer mit welchem Interesse was finanziert – und wie transparent die Alimentierung gemacht wird.
Wer die Gelder für das Jahrbuch «Qualität der Medien» einbringt, ist mir einigermassen egal, solange ich die Gewissheit habe, dass die Truppe um Mark Eisenegger und Kurt Imhof unabhängig von den Interessen Dritter arbeiten kann. Und diesen Eindruck habe ich gewonnen.