von Nick Lüthi

Meister der satirischen Selbstvermarktung

Die Redaktion der Wochenzeitung WOZ sorgt regelmässig mit ungewöhnlichen Werbeaktionen für Aufsehen. Aktuell mit einem Protokoll der Bespitzelung des schweizerischen Geheimdienstchefs. Damit bewirbt die WOZ ein Sonderheft zu Überwachung und Datenschutz. Die Liste ihrer bedeutendsten Selbstvermarktungsaktionen seit 2002.

Die geschickte Vermischung von werberischen und redaktionellen Inhalten wird gerade als ultimativer Rettungsanker für die kommerziell kriselnden Medien herumgereicht. Neudeutsch nennt sich die Neuauflage der Publireportage wahlweise «Content Marketing» oder «Native Advertising». Während in den USA so traditionsreiche Titel wie «The Atlantic» auf die umstrittene Werbeform setzen (und damit gleich mal übel auf die Schnauze gefallen sind), spricht man hierzulande erst im Futur und Konjunktiv über das Wundermittel gegen Einnahmeschwund. Mit einer Ausnahme: Die Wochenzeitung ist der eigentliche Pionier des «Native Advertising» – wenn auch nur für Werbung in eigener Sache. Seit mehr als zehn Jahren rühren die WOZ-JournalistInnen so kräftig die Werbetrommel, wie sonst keine andere Redaktion in der Schweiz. Damit generieren sie immer wieder Aufmerksamkeit, die das Blatt allein aufgrund seiner redaktionellen Leistung nur selten erreicht.

WOZ rettet Weltwoche (2002)

Nachdem eine Investorengruppe Anfang 2002 die damals defizitäre Weltwoche übernommen hatte, sah die WOZ ihre Chance gekommen: «Gegen eine einmalige Honorarzahlung von 50 Millionen Franken übernimmt die gesunde WoZ analog dem Swissair/Crossair-Modell die kranke Weltwoche – mit dem Ziel, sie innert fünf Jahren nach WoZ-Geschäftsprinzipien zum Erfolg und dann wieder in die Selbständigkeit zu führen.»

WOZ übernimmt Weltwoche

«Meine Visionen» (2005)

April, April! Bei der für den 1. April 2005 angekündigten Lesung waren zwar WOZ-Redaktoren anwesend. Die hatten aber nichts zu lesen, weil das Buch, das die WOZ und ihre Werber im Namen des damaligen SVP-Vordenkers herausgaben, aus lauter leeren Seiten bestand.

Buch Mörgeli

«Der Schweizer» (2007)

Mit «Der Schweizer» hat die WOZ  das von der SVP für den Fall einer Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher angekündigte Zeitungsprojekt vorweggenommen. Aus dem Inhaltsverzeichnis: «Der rassenreine Boxer Rico von Bülo schützt die grüne Grenze.»

Der Schweizer

WOZ übernimmt UBS (2008)

Die WOZ wollte «aus dem geldgierigen Lotterladen eine anständige Grossbank zu machen» und gleichzeitig mehr Abos verkaufen. Mit jedem Neuabo würde die WOZ eine UBS-Aktie kaufen. Bei rund einer Milliarde Abonnenten wäre die UBS in die rettende Hand der WOZ übergegangen, lautete der kühne Plan. Wie schon das Mörgeli-Buch und weitere Werbekampagnen, entstand auch diese Idee in Zusammenarbeit mit der Agentur SFLB (heute Leo Burnett) mit Texter und Kreativkopf Peter Brönnimann (Werber des Jahres 2013).

WOZUBS

Parodie der Reichsten-Liste (2012)

Die WOZ nimmt in einer Sonderausgabe die «Bilanz»-Liste der 300 Reichsten aufs Korn. Der Aufmachertext «Eine Million, bitte. Zum Mitnehmen» von Inland-Redaktorin Susi Stühlinger erhielt den Zürcher Journalistenpreis.

reichste

WOZ überwacht den Geheimdienst (2013)

Zwei WOZ-Redaktoren haben Geheimdienstchef Markus Seiler nachspioniert und mit den Rechercheergebnissen eine «persönliche» Webseite Seilers eingerichtet. Die Aktion war ein Teaser für die Sondernummer «GeheimWOZ» zu Datenschutz, Privatsphäre und Internet-Überwachung. Und der gewünschte Werbeeffekt sollte nicht ausbleiben: Die Geschichte vom bespitzelten Schnüffler ging um die ganze Welt.

Markus Seiler