von Lukas Leuzinger

Die Rechnung ohne die Verfassung gemacht

Im Zuge der Affäre Hildebrand forderte vor zwei Jahren eine breite Allianz von Parteipräsidenten lautstark eine «Lex Weltwoche». Damit wollte sie die Medien zwingen, ihre Besitzverhältnisse offenzulegen. Doch daraus wurde nichts. Denn die Politiker hatten ein entscheidendes Detail übersehen.

Die Schlagzeile: Parteichefs wollen «Lex Weltwoche»
Der «Fall Hildebrand» erschüttert Anfang 2012 die Schweiz. Die umstrittenen Transaktionen auf dem Privatkonto von Philipp Hildebrand führen zu hitzigen, öffentlich über die Medien ausgetragenen Gefechten. Schliesslich nimmt der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) den Hut. Mit seinem Abgang geht die Debatte aber erst richtig los. Im Visier steht fortan die Weltwoche, die den Fall ins Rollen gebracht hatte und nun im Verdacht steht, eine Marionette der SVP zu sein, die Hildebrand stürzen wollte. Spekulationen über die Umstände der Übernahme des Blattes durch Roger Köppel machen einmal mehr die Runde.

Mitte Januar 2012 verlangen die Präsidenten von sechs der sieben grössten Parteien (einzige Ausnahme: die SVP) von der Frontseite der SonntagsZeitung herab, die Weltwoche habe ihre Eigentumsverhältnisse offenzulegen. «Ziel ist es, kommende Woche eine gemeinsame Erklärung zu verfassen», heisst es. Die Chefs von SP, Grünen und BDP finden sogar, notfalls müssten Medien gesetzlich zur Offenlegung ihrer Eigentumsverhältnisse gezwungen werden. CVP-Präsident Christophe Darbellay signalisiert Unterstützung. Die Idee einer «Lex Weltwoche» ist geboren. Andere Medien nehmen die Geschichte dankbar auf. Sogar die Weltwoche selbst befürwortet die Idee. «Wir sind gerne bereit, die Karten auf den Tisch zu legen», schreibt Roger Köppel im Editorial. «Aber selbstverständlich nur, wenn die Lex Weltwoche für alle Zeitungs- und Medienunternehmen in der Schweiz gilt.» In Medien und Politik herrscht seltene Einhelligkeit – dem neuen Gesetz steht nicht mehr im Weg.

Was seither geschah: Peinliche Erkenntnis
So laut die Idee einer «Lex Weltwoche» angekündigt wurde, so wirkungslos verpuffte sie. Von der angestrebten «gemeinsamen Erklärung» hörte man nie etwas. Auch im Parlament tat sich nichts. Nicht ein einziger Parlamentarier lancierte einen Vorstoss, um die Medien zur Offenlegung ihrer Eigentumsverhältnisse zu zwingen. Einzig der Basler Schriftsteller Guy Krneta und sein Verein Kunst und Politik reichten eine Petition ein, in der sie die Umsetzung der «Lex Weltwoche» forderten.

Im Parlament hatte die Petition keine Chance: National- und Ständerat lehnten sie im September bzw. Dezember 2012 deutlich ab. Die BDP stimmte im Nationalrat geschlossen dagegen, obschon ihr Präsident ein halbes Jahr zuvor die Forderung selbst vorgebracht hatte. Den meisten Zeitungen war das spektakuläre Scheitern der gross angekündigten Idee keine Zeile wert.

Interessant ist die Begründung für den wundersamen Sinneswandel. Im Ständerat erklärte der Grüne Robert Cramer im Namen der vorberatenden Kommission, man habe zwar Sympathien für das Anliegen. Allerdings habe man festgestellt, dass – im Gegensatz zu den audiovisuellen Medien – bei den Printmedien keine verfassungsmässige Grundlage existiere, um sie zur Offenlegung ihrer Eigentumsverhältnisse zu zwingen. Um die Forderung umzusetzen, müsste zuerst die Bundesverfassung geändert werden, was unverhältnismässig wäre. (Mit der gleichen Begründung hatte der Bundesrat bereits 2011 eine praktisch gleichlautende Motion von SP-Nationalrat Beat Jans zur Ablehnung empfohlen.)

Aber es wäre wohl zu viel verlangt, dass Parteipräsidenten zuerst die Verfassung anschauen, bevor sie Forderungen auf der Frontseite einer Sonntagszeitung platzieren.

Leserbeiträge

Philip Kübler 13. Februar 2014, 16:44

Für alle Medien gilt selbstregulierend der Kodex des Presserates, der im Interesse der Journalistinnen und Journalisten Transparenz über die Besitzverhältnisse fordert. Der Presserat hat auf Beschwerde hin 2011 und bereits in früheren Jahren daran erinnert.