von Nick Lüthi

Kleiner Sender, grosse Namen

Beim Westschweizer Fernsehen RTS reichen sich Minister und Staatspräsidenten die Klinke in die Hand. Was die Präsenz von internationaler Politprominenz im Programm angeht, hat RTS die Nase vorn. Das Deutschschweizer Fernsehen SRF kann da nur schlecht mithalten.

Im Zweiwochentakt steht beim Westschweizer Fernsehen ein Minister oder (ehemaliger) Staatspräsident dem wohl bekanntesten Journalisten in der Romandie Red und Antwort. Die Gesprächssendung «Pardonnez-moi» von Starmoderator Darius Rochebin hat sich zu einer grossen Bühne für die Weltpolitik entwickelt. Allein seit Anfang Jahr waren beim ihm zu Gast: drei französische Minister, davon zwei amtierende, der tunesische Staatspräsident und ein polnischer Ex-Präsident. Lech Wałęsa, Laurent Fabius, Moncef Marzouki, Pierre Moscovici und Bernard Kouchner, sie alle nahmen sich eine halbe Stunde Zeit für einen vergleichsweise kleinen Sender.

Das kommt nicht ganz so überraschend, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Genf ist mehr Weltstadt als Zürich, gemessen an seiner Bedeutung auf der Karte der Weltpolitik. Das weiss auch RTS-Direktor Gilles Marchand: «Die Westschweiz ist das Tor der Schweiz zur Welt und das widerspiegelt sich im Fernsehen.» Internationale Organisationen, Forschung und Wissenschaft (CERN) sowie multinationale Konzerne führen regelmässig hochrangige (Polit)prominenz ins Fernsehstudio von RTS.

Auch ein zweiter strategischer Vorteil fehlt SRF über den man bei RTS in Genf verfügt. Die Westschweizer Tagesschau «Le Journal» und weitere Informationssendungen werden auf TV 5 Monde ausgestrahlt und erreichen so 243 Millionen Haushalte weltweit. «Damit wissen die prominenten Gäste, dass man sie mit RTS auf der ganzen Welt sieht. Das bewegt sie dazu, unsere Einladungen anzunehmen», schreibt RTS-Direktor Gilles Marchand, der selbst auch in Leitungsfunktionen des frankofonen Weltsenders tätig war.

Auf diese günstigen Genfer Faktoren angesprochen, will man bei SRF nichts von einem Standortnachteil wissen. «Wir merken nichts von einem Standort-Nachteil. Wir haben immer wieder Interviews mit hochrangigen internationalen Politikern auf dem Sender», teilt SRF-Sprecher Stefan Wyss auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit. Doch die Suche nach den einzelnen Auftritten der Politprominent gestaltete sich einigermassen aufwändig. Bis SRF eine Liste mit ausländischen Ministern und Staatspräsidenten zusammengestellt hatte, die seit Anfang Jahr in seinen Sendungen aufgetreten sind, dauerte es mehrere Tage. Wenig überraschend, fällt die Ausbeute eher bescheiden aus. Wenn man jedes Tagesschau-Quote eines ausländischen Regierungsmitglieds zählt, figurieren gerade mal auf zehn Namen auf der Liste, von A wie Asselborn bis Z wie Zwiefelhofer. Länger als fünf Minuten dauert keiner der Politikerauftritte in Sendungen von SRF. Für das einzige sendungsfüllende Gespräch in den ersten drei Monaten 2014 reiste «Sternstunden»-Redaktionsleiterin nach Berlin, um den deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck zu befragen.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Internationale Politik kommt bei SRF keineswegs zu kurz. Sämtliche Informationssendungenund auch die Dokumentarfilmformate werfen den Blick regelmässig über die Landesgrenze. Dafür sorgt nicht zuletzt das weltumspannende Korrespondentennetz .Dennoch könnte das Ausland eine prominentere Stellung in den Programmen einnehmen. Es fehlt ein eigenständiges Format. Das wissen auch die Verantwortlichen. Ein Auslandmagazin stand jahrelang auf der Wunschliste der Verantwortlichen. Sowohl die frühere Fernsehdirektorin Ingrid Deltenre, als auch der ehemalige Interims-Chefredaktor Hansruedi Schoch äusserten diesen Wunsch. Aber: «Was fehlt, ist der Sendeplatz und die Finanzierung», so Schoch vor vier Jahren. Zuletzt ging es um eine Kooperation mit der NZZ für ein gemeinsames Format. Inzwischen steht eine solche Sendung nicht mehr auf der Traktandenliste. «Ein Auslandmagazin ist im Moment kein Thema», heisst es bei SRF heute.