von Karin Müller

Künstliche Aufregung um etablierte Praxis

Was soll daran problematisch sein, wenn eine Redaktion im Auftrag eines Werbekunden eine Sonderbeilage produziert? Gastautorin Karin Müller versteht nicht, was man an der kürzlich veröffentlichten SBB-Beilage im Tages-Anzeiger «sonderbar» finden kann. Unabhängiger Journalismus sei längst ein Mythos, findet Müller. Am Ende entscheide immer das Geld.

All jenen, die sich über die Art und Weise aufregen, wie die Sonderbeilage des Tages-Anzeigers zur SBB-Durchmesserlinie zustande kam, sage ich: Regt auch ab! Dieser Vorgang ist nicht neu. Diese und ähnliche Szenarien existieren in allen Medienhäusern bereits seit Jahren. Es fing an, als die klassischen Anzeigenumsätze drastisch einbrachen, Stellenanzeigen ins Internet abwanderten und man beschloss, mit Newsrooms kostengünstiger zu arbeiten. Die Konsequenz: Vor rund 10 Jahren wanderten massenweise gestandene Recherchierjournalisten in die Kommunikation. Und im Newsroom bedient man sich der allseits bekannten «Kindersoldaten», Berufseinsteiger mit wenig Erfahrung. In diesem Durchlauferhitzersystem haben Journalisten, die heute alle zwischen 45 und 60 sind, keinen Platz. Warum? Sie denken zu eigenständig, haben sogar noch eigene Ideen für Stories und sind vielleicht etwas renitenter für Führungsleute. Und er ist teurer. Der Newsroom-Fliessbandarbeiter wartet brav, bis er einen Auftrag erhält. Die wenigsten mucken auf und bereiten einem Chef weniger Stress.

In der Zwischenzeit versuchen gestandene Journalisten, die jetzt als Kommunikationsberater oder Head of Communication tätig sind, ihr redaktionelles Know-how für ihre Mandanten oder Arbeitgeber zu nutzen. Und genau so entstehen dann solche Ideen, wie jetzt eben diese SBB-Sonderbeilage des Tages-Anzeigers, über die man sich künstlich aufregt. In der Wirtschaft sucht man immer nach Win-Win-Situationen. An erster Stelle steht immer die Überlegung, wie man ohne Umweg ganz redaktionell in die Medien kommt. Je nach Thema wird dieses Unterfangen ziemlich schwierig. Denn die Journalisten sind zwar willig, interessieren sich aber selten wirklich für ein Thema. Und die Ressortleiter winken lethargisch ab, verweisen auf die SMD und antworten: «Darüber haben wir 1988 schon mal geschrieben.» Sache erledigt. Was tut also der Ex-Journalist-jetzt-Kommunikationschef? Er versucht, alle auszuhebeln, die einem Projekt im Weg stehen könnten. Wichtig sind dabei natürlich gute Beziehungen.

Auch ich bin abgewandert und versuche nun für meine Mandanten Win-Win-Situationen bei den Verlagen herauszuholen. Im Lifestyle-Bereich ist die Sache ziemlich korrupt. Wer eine bestimmte Anzahl Inserate bucht, bekommt Zusagen über redaktionelle Beiträge. Die Direktorin eines Kosmetikkonzerns sagte mal zu mir, als ich ihr das Magazin vorstellte, das ich neu als Chefredaktorin leitete: «Sie wissen, dass Sie und Ihr Magazin ohne unsere Gunst in einem Jahr weg sind?» Ich fand dieses Statement damals zwar ziemlich dreist, aber die Dame war sich ihrer Macht durchaus bewusst. Wer in der Schweiz Grossbudgets zu vergeben hat, wird hofiert und gepampert. Bei allen grossen Frauen-, Mode- und Lifestyle-Magazinen gehört das zur Tagesordnung. Auch wenn sie das öffentlich nie zugeben würden und lieber das Hohelied auf ihre journalistische Unabhängigkeit anstimmen.

Es gibt aber auch bekannte Unternehmen, wo frühere Journalisten in ihrer Rolle als Kommunikationschefs die CEOs dazu bringen, während eines ungezwungenen Lunches mit Verlagsleuten und Chefredaktoren über die eine oder andere Idee eines Deals oder Gegengeschäfts zu plaudern. Natürlich versucht man auch indirekt Einfluss auf eine mögliche spätere Berichterstattung zu nehmen. Ich kenne Fälle aus dem Gesundheitsbereich, wo Pharmafirmen zwar offiziell für Inserate bezahlen. Weil aber ein rezeptpflichtiges Medikament nicht beworben werden darf, wird ein Zweitvertrag (meist mündlich) ausgehandelt, wo festgelegt wird, wie das Thema redaktionell verarbeitet und welche Fachärzte befragt werden müssen. Ein sehr einträgliches Geschäft und eine Win-Win-Situation für alle. Solches Business ist längst normal. Darum ist die Aufregung über die – nota bene gut gemachte – SBB-Beilage des Tages-Anzeigers völlig übertrieben.

Die Frage, die ich mir stelle: Was passiert im Krisenfall des betreffenden Unternehmens, mit dem man sich auf einen «Schweinehandel» einliess? Kann dann eine Redaktion noch unabhängig berichten? Offizielle Antwort: Ja. Inoffizielle Antwort: Es ist kompliziert. Denn eine Zeitung wird mehrmals abchecken, ob es sich lohnt, diesen CEO in die Pfanne zu hauen. So wird sich ein Journalist der Story annehmen, der am wenigsten Kontakt zum CEO hatte. Man wird prüfen, wie die Konkurrenz berichtet. Eine Form von Befangenheit – auch unausgesprochen – bleibt.

Das alles ist jedoch kein Grund für diese Hektik, wie sie hier verbreitet wurde. Wir alle müssen uns von einem Journalismus verabschieden, der aus zwei Werten bestand: Qualität und Unabhängigkeit. Natürlich kann man dazu 1000 Tagungen veranstalten. Im Markt ändert sich deshalb nichts. Verlagshäuser wollen und müssen rentieren. Und seit dem Erfolg der Gratiszeitungen wird solchen Deals zunehmend Vorschub geleistet. Darum freundet Euch an mit dem Ist-Zustand und verabschiedet euch von einer Realität, die es vielleicht noch vor zehn Jahren noch gab. Die junge Leserschaft ist mit dieser Vermischung von kommerziellen und redaktionellen Inhalten längst vertraut und stört sich nicht daran. Nur die ältere Generation verlangt nach sauberer Trennung und mehr Tiefgang und Qualität.

Mit dem Alter verändert sich das Leseverhalten. Und da die Auswahl an fundierter Recherche in der Schweiz relativ dünn ist, abonnieren viele halt deutsche Zeitungen oder Zeitschriften. Doch wie wird es weitergehen? Bezahlblätter müssen exklusivere Stories und bessere Bilder anbieten können. Alles andere hat ein Grossteil der Leserschaft bereits am Vorabend online konsumiert. Warum soll man eine Tageszeitung noch kaufen? Sie kann sich nur noch durch bessere Inhalte abheben. Und diesen etwas anderen «Content» erwirbt man aktuell eher mittels «special deals». Deshalb könnte ich mir gut vorstellen, dass dieses aktuell enge Zusammenrücken von Redaktionen in ein paar Jahren wieder distanzierter sein wird. Knallhart bleibt hingegen die Jagd nach Geld. Verlagsangestellte müssen noch kreativer werden, um Kunden für ihren Titel gewinnen zu können. Daran sollten sich Journalisten gewöhnen, dass der Begriff «unabhängiger Journalismus» längst ein Mythos ist.

Persönliche Verstrickungen von Verlagschefs oder ein Anruf der Verlegergattin bei einem Chefredaktor genügt und rasch ist es mit der Unabhängigkeit vorbei. Dabei gibt es keine Guten und Bösen. Denn am Ende des Tages wird auch der hartnäckigste Journalist von Inserateeinnahmen und solchen «Deals» mit Werbekunden finanziert. Was wir uns alle wünschten, nämlich dass Verlagschefs lange Recherchen wieder schätzen und auch entsprechend entlöhnen, gehört ins Land der Traumvorstellungen. Kein Verlagshaus wird in den nächsten Jahren die Löhne um durchschnittlich 25 Prozent anheben. Wozu auch, solange es junge Willige gibt, die man als Durchlauferhitzer auf Kurzzeitstories ansetzen kann.

Leserbeiträge

Eric 19. Juni 2014, 19:43

Ein ziemlich trauriger Abgesang auf den Journalismus, den Sie Frau Müller hier beschreiben. Leider muss ich Ihnen recht geben. Aber schaut man sich den Output der Zeitungen an – ist es immer mehr nur noch reiner Buzzjournalismus – also Titel + Bild = Fertig Artikel. Eine ziemlich traurige Sache.

Als langjähriger Blogger freue ich mich eigentlich auch über diese Entwicklung, den so werden ihre Kollegen wohl irgendwann selbst, eigene Blogs eröffnen um dort richtig Journalistisch tätig zu werden (ausser sie lassen sich auch hier kaufen – was aber relativ schnell auffällt) oder sie wechseln zur dunkeln Seite der Macht (PR).

Ich bin gespannt wie es in den nächsten Jahren weitergeht und hoffe die Qualität wächst wieder, dann sind wir Konsumenten sicher auch wieder bereit zu bezahlen…

LG Eric-Oliver Mächler

René 19. Juni 2014, 20:23

Aus der Einschätzung von Karin Müller sprechen Frust und Resignation. Was sie beschreibt, ist tatsächlich eine Gefahr für den guten alten Qualitätsjournalismus. Und ja, „Schweinedeals“ gibt es ab und zu, aber sie sind bei kostenpflichtigen Medienprodukten nicht die Regel, eher bei den kostenlosen (und meist wertlosen) Produkten.

@ Eric: Blogs haben selten etwas mit Journalismus zu tun. Echter Journalismus ist nicht bloss Meinung und Stimmungsmache mit einem Haufen Tippfehlern, sondern sprachlich perfekt präsentierte, dialektische Recherche mit überprüfbaren Quellenangaben.

Yvonne Debrunner 19. Juni 2014, 23:54

Dieser Beitrag wirkt schlicht resigniert und abgelöscht. Die Analyse ist jedem bekannt, das Fazit nicht haltbar. Nur weil etwas immer mehr ‚daily business‘ ist, muss man es noch lange nicht gutheissen. Dass der Inhalt der Mode- und Lifestyle-Magazine von A-Z gekauft ist, ist jedem vernünftigen Leser klar. Beim TagesAnzeiger ist das schon noch etwas anders.

Frank Hofmann 20. Juni 2014, 10:07

Was noch lange nicht heisst, dass der TA unabhängig oder gar neutral ist. Nein, er ist staatsnah und -gläubig, links und grün und somit DAS Mainstream-Medium par excellence.

muggs dolda 20. Juni 2014, 08:09

Ist doch völlig normal, dass Banken zusammenbrechen und vom Steuerzahler gerettet werden müssen, sagte der Bankmanager, der eifrig an der Bankenkrise mitgewerkelt hatte. Etwa so, Frau Müller?

Andreas Von Gunten 20. Juni 2014, 08:27

Ich denke nicht, dass es eine Zeit vor dem Internet und vor Gratiszeitungen gab, in welcher das System viel besser funktioniert hat. Es ist nun einfach offensichtlicher geworden. Wir sollten nicht vergessen, dass die Geschichte der Zeitungen mit Annoncen begonnen hat.

Es ist zwar richtig, dass es zwischen den 1960er und 1990er Jahren eine kurze Blütezeit gab, in welcher Redaktionen relativ stark die Richtung des Verlages prägen konnten. Aber gerade in der kleinen Schweiz war es wohl schon immer so, dass viele Geschichten, die als „unabhängige“ Stories daherkommen, letztendlich von Aussen induziert wurden. Darum wäre es langsam an der Zeit, dass bei den Stories, egal in welchem Medium, jeweils dazu geschrieben würde. Woher der Journalist den Impuls erhalten hatte, darüber zu schreiben, wie die Recherche stattgefunden hat und welche Haltung er bzw. sie dazu hat. Transparenz würde hier Vertrauen schaffen.

Fred David 20. Juni 2014, 09:02

Offenheit tut letztlich meistens gut. Auch in diesem Fall. @Karin Müller beschreibt die Realität. Auch wenn ich ihre resignative Haltung nicht teile.

Auf Dauer ist ordentlicher Journalismus, der irgendwo noch meinungsrelevant bleiben will, nur noch über finanziell sehr gut ausgestattete Stiftungen als Träger von Medien möglich. Alles andere ist Illusion.

Es gibt funktionierende Geschäftsmodelle. „Der Spiegel “ zum Beispiel, oder „The Guardian“.

In der Schweiz mit ihren schätzungsweise 150 Milliardären wäre es ohne weiteres möglich. Grundvoraussetzung ist, dass sich die Geldgeber aus der Stiftung völlig zurückziehen und der Stiftungszweck die inhaltliche Unabhängigkeit garantiert.

Auf’s Alter hin richten Milliardäre für alle möglichen Zwecke Stiftungen ein, weil sie das Erbe nicht sinnlos verplempern lassen wollen und weil sie mit ihrem Namen der Nachwelt für mehr in Erinnerung bleiben wollen als fürs profane Geldsammeln.

Klingt idealistisch, ist aber realistisch. Man muss sie auf diese ihre Chance ansprechen: publizistische Unabhängigkeit auf lange Sicht zu sichern, was in einer direkten Demokratie nötiger denn je ist.

Journalistische Unabhägigkeit ist mit viel Geld käuflich. Das ist, vor diesem Hintergrund, nur scheinbar ein Widerspruch.

Frank Hofmann 20. Juni 2014, 14:17

Beispiel „Tageswoche“, linke Ideologie dank Millionen aus Pharma und Chemie. Der Erfolg ist durchschlagend, wie sich gezeigt hat.

Fred David 23. Juni 2014, 18:18

Bei allen Geschäftsmodellen, auch bei herkömmlichen, gibt es solche die funktionieren und solche die nicht funktionieren. „Spiegel“ funktioniert, „The Guardian“ funktioniert als Stiftungsmodell. Sowas braucht nicht nur ein bisschen Geld. Es braucht viel. Es gibt viele weitere Stiftungsmodelle ausserhalb der Publizistik, die so funktionieren, und zwar sehr gut. Das ist kein Thema für Ideologen.

Ueli Custer 20. Juni 2014, 12:08

Wie Kari Lüönd und ich schon vor einer Woche unter https://medienwoche.ch/2014/06/12/sbb-ziehen-glueckslos-mit-sonderbeilage/#more-20224 geschrieben haben, ist diese Praxis weitaus älter und existierte schon vor 50 Jahren als die Presse noch Geld wie Heu verdiente. Und ich bleibe dabei: Die SBB-Beilage war guter Journalismus. Alles andere interessiert mich als Leser nicht. Es gibt Unmengen von besseren Beispielen, um die Unterwanderung der Presse durch die PR aufzuzeigen. Aber die sind eben nicht so klar deklariert wie diese Beilage…

Matthias Hackemann 20. Juni 2014, 12:48

Ja, der Befund stimmt, das Fazit ist mir zu pessimistisch, aber eins bleibt etwas außen vor, das Ueli Custer angesprochen hat: Nämlich die Frage, ob „Zulieferungen“ nicht trotzdem journalistisch gut sein können.
Wir haben auch schon für einige Kunden sehr nützliche, echte Verbraucherinfos recherchiert und publiziert – weil sich anscheinend keine Journalisten von sich aus für das Thema interessierten oder sich damit nicht auskennen. Wenn viele Leute aber nach diesen Dingen online suchen und die gefundenen Infos weiterempfehlen, ist doch zu sehen, dass der Bedarf da ist.
Solange die Infos gut sind, sollte die Quelle kein Problem sein. Außer, wenn die Infos manipulativ sind. Das ist aber leider, leider bei vielen Journalisten aufgrund ihrer politischen Einstellung, ihrem Wunsch nach einer „tollen“ Story und vielen anderen Ambitionen ebenfalls oft so.
Ich würde deshalb empfehlen, den Absender einfach klar anzugeben: Wenn ich als Leser Informationen hilfreich oder Aussagen plausibel finde und feststelle, dass eine bestimmte Marke sie mir geliefert hat – dann bessert sich das Markenbild für mich doch noch auf. Gerade online ist letztlich herauszufinden, von wem welche Inhalte stammen, und entdeckte Heimlichkeiten bei Publikationen sind meist ein größerer Skandal als der ansonsten harmlose Inhalt von Publikationen. Und ehrlich: Die meisten lesen Texte ohnehin nicht komplett. Wenn dann irgendwo steht: Artikel mit Unterstützung/von Marke XY, wen stört’s in der Realität als Normalverbraucher? Außer man gibt sich als Newspaper der Illusion hin, man könne den Verbrauchern vormachen, total unabhängig zu sein.
Alternative für Journalisten zum Abschluss: so wie die krautreporter in Deutschland eine finanzielle Basis schaffen, die nicht von Klicks und Annoncen abhängt. Würde ich mir als Erfolg wünschen.

Fabian Vogt 20. Juni 2014, 14:52

Hallo Frau Müller
Ich gehöre zu diesen Jungjournalisten. Zu diesen von ihnen angesprochenen Durchlauferhitzern. Und nenne sie dann im Gegenzug eine stumpfe Feder.
Dass Sie den Wert einer Arbeit im Verdienst der Person sehen, spricht für sich. Dass Sie darum in die PR-Branche gewechselt sind, ist nur konsequent. Bitte tragen Sie dann aber nicht den Journalismus zu Grabe, wie es schon getan wurde, als nicht einmal Sie auf der Erde wanderten. Natürlich würden Sie sich fehlende Objektivität wünschen, schliesslich versuchen Sie nun beruflich, ihre Auftraggeber positiv in den Medien zu platzieren.
Und natürlich muss der Verlag Geld verdienen, damit der Journalist nicht arbeitslos wird. Wie andere Kommentatoren glaube darum auch ich, dass es sicher nicht falsch ist, wenn PR-Produkte als von Journalisten geschriebene Artikel erscheinen. Solange die Qualität stimmt und – wünschenswerterweise – die Interessensbindung ausgewiesen ist.
Doch die Rezipienten sind nicht derart unmündig, wie Sie es darstellen. Sollte PR den Medieninhalt bestimmen, wenden sich die Leser/Hörer/Zuschauer endgültig vom Bezahljournalismus ab – und sowohl Journalismus wie PR haben verloren.
Meiner Meinung nach sollten Journalisten (Lifestyle-Magazine zu erwähnen, wenn Sie eigentlich Recherche-Journalismus meinen, ist übrigens nicht sehr brillant) aufhören, jede Mitteilung der Unternehmen zu veröffentlichen, nur weil diese Klicks bringen. Wenn heute jedes Samsung-Gerücht auf der Titelseite vom Blick landet, wären die Firmen schön blöd, noch Anzeigen zu schalten. Es ist nämlich nicht so, dass die PR-Branche am «längeren Hebel» sitzt. Das suggeriert sie bloss gerne, hat aber nun mal keinen direkten Draht zur Bevölkerung.
Darum gibt es diese endlosen Debatten über die Zukunft des Journalismus und welche Rolle PR dabei spielt. Und diese sind nicht so sinnlos, wie von Ihnen impliziert. Sie sollten mal bei einer anwesend sein.

Jeeves 20. Juni 2014, 15:19

„Wir alle müssen uns von einem Journalismus verabschieden, der aus zwei Werten bestand: Qualität und Unabhängigkeit“

Schon zu Karl Kraus‘ Zeiten war „der Journalismus“ derart korrupt, dass man das sich- heute-„von-Qualität-und-Unabhängigkeit-verabschieden“ als im günstigsten Falle als ahnungslos bezeichnen muss. Die Qualität war schon immer mies (Ausnahmen bestätigen die…) und die hier behauptete Unabhängigkeit gab es nie (Ausnahmen wie K.K. bestätigen die…)

Charlotte Heer Grau 20. Juni 2014, 16:52

Bankrotterklärung des unabhängigen Journalismus = Bankrotterklärung der Demokratie

Eine derartige Bankrotterklärung von einer ehemaligen Journalistin ist mir selten untergekommen. Oh ja, Karin Müller sagt was schon lange Sache ist und was viele, auch gestandene JournalistInnen immer noch nicht wahrhaben wollen. Aber dem ein „who cares?“ voranzustellen? Karin Müller – wie viele andere – scheinen immer noch nicht begriffen zu haben, was wir verlieren, wenn wir hier die Schultern zucken! – „Künstliche Aufregung“? – die Dame macht mich wütend.

Spitze_Feder 20. Juni 2014, 19:02

So kann man sich die Abkehr vom (tatsächlich immer mühevoller) werdenden journalistischen Tagwerk auch schönreden. Ich verwette Omas kleines Häuschen dafür, dass Frau Müller schlichtweg hinter dieser Argumentationskette ihren Frust darüber verbirgt, nicht mehr auf der interessanteren, lebensnaheren und geistig anspruchsvolleren Seite der Kommunikation mitwirken zu können. Auf ihrer jetzigen Seite gibt’s zwar mehr Geld und wohl auch mehr Sicherheit – aber wirklich mit dem ehrlichem Herzen dabei sein – das wird sie nicht (können). Woher auch – sie muss ja nun „Geschichten“ als wahres Leben verkaufen bzw. ihren Auftraggeber helfen, sie zu verkaufen, die nur das widergeben, was beim Verkaufen hilft – auf Teufel komm raus.

Marcel Zufferey 21. Juni 2014, 12:39

Anfang der Neunzigerjahre war ich für den seinerzeit grössten Inserenten der Schweiz als Mediamensch tätig. Eines Tages hat sich ein heute nicht mehr existenter, Luzerner Titel über den Unternehmensgründer echauffiert und einen kritischen Artikel über den Unternehmensgründer geschrieben. Er wurde noch am selben Tag aus dem Mediaplan gekippt, die ehrenvolle Aufgabe, den Verlag über diesen Entscheid zu informieren, wurde mir zuteil. Ein ganzes Jahr lang erhielt diese Zeitung kein einziges Inserat mehr, obwohl es nur wenige Wochen nach dem erw. Artikel zu einer Gegendarstellung kam, die von der PR-Abteilung „begleitet“ wurde. Seither habe ich jeden Glauben an die journalistische Unabhängigkeit verloren. Das, was hier beschrieben wird, ist alles andere, als ein neues Phänomen.