von Eveline Dudda

Auswege aus dem Einheitsbrei

Es ist eines der Grundübel der Medienkrise: Alle versuchen dasselbe wie die Konkurrenz zu machen. Selbst in Bereichen mit grosser Titelvielfalt, findet man eigentlich nur Einheitsbrei. Sein Angebot kann nur differenzieren, wer weiss, was die Leserinnen und Leser wirklich wollen.

Seit ich nicht mehr nur freischaffende Journalistin, sondern auch noch Chefredaktorin eines Gartenmagazins bin, frage ich mich oft, wie man wohl rausfinden könnte, was die Leserinnen und Leser wirklich, tatsächlich, ganz brennend und echt interessiert.

Umfragen trau ich nicht über den Weg, denn man kann Fragen nur selten so stellen, dass die Antwort darauf tatsächlich die wirkliche Meinung wiedergibt. In Umfragen kaufen ja auch 90% der Leute Bio – nur in den Läden schlägt sich das nicht nieder. Oder fast alle machen in Umfragen Sport – auch wenn sie nur sportlich Auto fahren. Wie es mit der Quotenerfassung beim Fernsehen aussieht, hat Nik Niethammer in einer früheren Kolumne bereits dargestellt. Das taugt auch nur bedingt.

Ich träume im Moment von einem Modell à la Print-on-demand, um zu erfahren, worauf das Publikum im wahrsten Sinne des Wortes «Wert» legen. Dabei müsste niemand das ganze Heft kaufen, sondern könnten am Kiosk entscheiden, welche Themen sie gedruckt haben möchten und müssten natürlich auch nur für diese bezahlen. Die Bewertung ginge folglich Seite für Seite übers Portemonnaie. Ich denke das wäre spannend. Vor allem wenn der Preis hoch genug wäre.

Ich schätze jedenfalls, dass die meisten Zeitschriften und Magazine deutlich dünner würden. Und ich vermute, dass nur selten ein Editorial gekauft würde, wenn man separat dafür zahlen könnte. Denn obwohl alle Magazine, jedenfalls alle Garten- und Lifestyle-Magazine die ich je in die Hand genommen habe, IMMER mit einem Editorial beginnen, muss das ja noch lange nicht heissen, dass alle Leserinnen bereit wären, für ein Editorial zu zahlen.

Ich persönlich gäbe keinen Rappen dafür aus und vermute ein bisschen, dass das ganze primär auf Nachahmungstrieb basiert: Weil alle Redaktionen ein Editorial haben, meinen alle anderen, sie müssten auch eines haben. Und weil die anderen Editorials langweilig sind, muss das eigene auch nicht wirklich besser sein. (Falls sich jetzt irgendjemand getreten fühlt: Das bezieht sich, wie gesagt, nur auf jene Zeitschriften und Magazine der Garten- und Lifestyle-Kategorie die ich kenne….)

Oder nehmen wir die Briefe an die Redaktion: Tatsächlich gibt es Zeitschriften oder Zeitungen in denen die Leserbriefe mindestens so spannend sind wie die eigentliche Berichterstattung. In Garten- und gartennahen Lifestyle-Magazinen ist das aber nie der Fall. Dort enthalten die Leserbriefe fast nur Aussagen wie «Wunderschönes Heft!» oder «Herzlichen Dank für die tollen Beiträge!» und dergleichen Lobgesänge mehr. Würden die Leserinnen für solche «Briefe an die Redaktion» wirklich etwas bezahlen, wenn Sie die Wahl hätten? Ich glaube kaum. Höchstens wenn der eigene Name abgedruckt worden ist.

Diese Art geschriebener Selfies kennt man aus Foren, Blogs, Facebook und Co schon zur Genüge. Und was würde wohl mit den «Leser-fragen-wir-antworten-Rubriken» passieren? In denen die LeserInnen komischerweise immer die «richtigen» Fragen, zum jeweiligen Monatsthema passend, stellen. Ich zweifle ein wenig, dass diese Seiten viel Geld in die Print-on-demand-Kasse spülen würden. Aber man soll ja nicht von sich selbst auf die grosse Masse schliessen.

Mir scheint, diese Gleichschalterei ist eines der Grundübel der Medienkrise: Dass alle versuchen dasselbe wie die Konkurrenz zu machen. Selbst in Bereichen, wo es wirklich viele Titel gibt, (Garten-Natur-Lifestyle!) findet man eigentlich nur Einheitsbrei. Was Leserinnen und Leser tatsächlich wollen weiss zwar niemand so recht, aber welche Zeitschriften erfolgreich sind, scheinen alle zu wissen. Und wenn das Konzept XY erfolgreich ist, dann wird nicht nur das Konzept kopiert, sondern gleich auch noch das Layout und sämtliche Rubriken. Weil das alle machen, werden alle einander immer ähnlicher. Was man am Kiosk dann auch gut sieht…

Als Leserin ärgert mich das, denn ich habe eigentlich keine echte Wahl. Ich kann kein Garten-/Lifestylemagazin ohne Leserbriefe, ohne Promis und Stars, ohne Leserfragen, ohne Kreuzworträtsel und ohne Kochrezept kaufen und ich muss mich dabei immer als «liebe Leserin» auf Seite 3 anquatschen lassen, obwohl ich eher nicht so lieb bin.

Dieses redaktionelle Beigemüse muss ich offenbar in Kauf nehmen wie den Sportteil, die Leserfotos und die Todesanzeigen in der Tageszeitung (Wobei die Todesanzeigen mit steigendem Alter wenigstens interessanter werden.) Bei einer Tageszeitung pro Region mag das ja noch angehen, bei dreissig oder noch mehr Gartenzeitschriften für den deutschsprachigen Raum sollte es dagegen Platz für mehr Vielfalt haben oder etwa nicht?

Als frischgebackene Chefredaktorin macht mich dieser Einheitsbrei nervös. Denn wenn alle in die gleiche Richtung fahren, könnte es ja durchaus sein, dass alles andere zur Geisterfahrt wird. Und die geht selten gut aus. Drum wünsch ich mir so dringend Print-on-demand. Damit ich erfahre, was die Leserinnen und Leser wirklich wollen. Und was ihnen etwas wert ist.

Leserbeiträge

Ueli Custer 11. November 2014, 07:50

Ich denke, dass Sie in die Digitalfalle getappt sind. Man kann sich schon fragen, ob einzelnen Beiträge oder Rubriken wirklich das Interesse der Mehrheit der Lesenden finden. Aber das ist nicht das Kriterium. Eine gedruckte Publikation und damit auch eine Fachzeitschrift darf durchaus ein „Gesamtkunstwerk“ sein. Darin unterscheidet sich ein Printprodukt eben von den digitalen Angeboten, die à la carte sind. Im Gourmetrestaurant passen mir im grossen Siebengänger auch nicht immer alle Gänge gleich gut. Aber ich entdecke dann meistens doch das eine oder andere Gericht, das mich im nachhinein begeistert. Und so soll es auch mit dem Inhalt eines gedruckten Publikation sein.

Eveline Dudda 11. November 2014, 09:02

Hmm. Das bedeutet quasi, wenn man die langweiligen Gänge gegessen hat, schmeckt ein gelungener Gang umso besser? Das hat natürlich was, den Gaumen kann man nicht ununterbrochen kitzeln. Aber ob das beim Lesen auch der Fall ist? Digital funktioniert’s ja auch…. Aber Merci für die Anregung!