von Ronnie Grob

Politiker der Redaktion

Macht die Weltwoche Propaganda für die Ziele von Christoph Blocher und der mit ihm verbundenen Teile der SVP? Eine Spurensuche im Blatt hinterlässt zumindest teilweise diesen Eindruck. Es fehlt an Distanz zu den Strategen dieser Partei.

«Je fais déjà de la politique! Mais non, un mandat n’est pour l’instant pas le but.»

Roger Köppel in «24 heures» vom 28. April 2014.

Ausgabe 27/2014 vom 3. Juli

In der Medienkolumne liefert Kurt W. Zimmermann unter dem Titel «Übung abgeschlossen» im Stil einer Verkündigung Zahlen zur Übernahme der Basler Zeitung. Darin steht beispielsweise:

Mitaktionär Christoph Blocher kann eine Mischrechnung machen. Sein Darlehen von 40 Millionen muss laut Abmachung zwar ebenfalls verzinst und amortisiert werden. Aber Blocher wird grosszügig sein und Gewinne ­lieber bei der Zeitung als bei sich selber anfallen lassen.

Quellenangabe: Keine. Doch die intransparent bleibenden Einflüsterer schreien einem geradezu entgegen. Muss der Leser wirklich in einer Medienkolumne, die für sich unabhängig bleiben sollte, über die angebliche Grosszügigkeit von Blocher erfahren? Auch über die Weltwoche erfährt man Dinge direkt aus dem Hinterzimmer:

Seitdem, mit Ausnahme des schwierigen 2013, hat die Weltwoche jedes Jahr einen Gewinn von ein bis zwei Millionen Franken abgeliefert.

Offenbar gab es hier etwas zu kommunizieren. Und wer sollte das tun? Die jeweiligen Verantwortlichen. Nicht der Hauskolumnist.

Ausgabe 28/2014 vom 10. Juli

SVP-Nationalrat Thomas Matter schreibt den lesenswerten Gastbeitrag «Rettet die Privatsphäre». Der letzte Absatz lautet so:

Die Unterschriftensammlung geht jetzt in die entscheidende Schlussphase. Dieser Aus­gabe der Weltwoche sind Unterschriftenbogen beigelegt. Mit Ihrer Unterschrift können Sie als Bürgerinnen und Bürger dafür sorgen, dass unsere Finanzmarktstrategie nicht von Behörden und Politikern bestimmt wird und ein wichtiger Grundpfeiler unserer Freiheit er­halten bleibt.

Will die Weltwoche politisch unabhängig sein? Dann sollte sie es vermeiden, Schützenhilfe für befreundete Politiker zu leisten. Will sie die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» aktiv unterstützen? Dann muss sie das schon offensiv (und nicht verdruckst) kommunizieren.

Ausgabe 28/2014 vom 10. Juli

Was sind die
«Blocher-Medien»
– und wer gehört dazu? Retten sie den Journalismus oder schaffen sie ihn ab, geht es um Information oder Propaganda? Die MEDIENWOCHE beleuchtet in einer Serie Persönlichkeiten und Medien, die in einer Beziehung mit dem Politiker und Unternehmer Christoph Blocher stehen.

Der Artikel «Was, wenn die EU der Schweiz kündigt?» von Florian Schwab beginnt mit Zitaten aus der NZZ und der Basler Zeitung, darauf wird in einer «Interessenlage» aufgezeigt, was (aus Sicht der Weltwoche) die Kündigung der einzelnen bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU bedeuten würde. Als «Experte» mehrfach zu Wort kommt in der Folge exakt eine Person, ein Mann aus der Wirtschaft namens Christoph Blocher. Der letzte Satz lautet:

Sollte die EU trotz allem einen Wirtschaftskrieg vom Zaun brechen, dann hält die Schweiz das aus, davon ist Blocher überzeugt.

Man staunt: Von allen möglichen Personen und Firmen, die in der Schweiz dazu hätten befragt werden können, kommt Journalist Schwab einzig ein in die zweite Reihe zurückgetretener Chemieunternehmer in den Sinn?

Ausgabe 29/2014 vom 17. Juli

Ein «Glossar» von Peter Keller will über eine angebliche «sprachliche Verwedelung» durch Modebegriffe aufklären. Darin aufgeführt sind unter anderem:

Roma – Was sie sagen: Roma. Was sie meinen: Zigeuner. (…)

Falsch: Roma ist eine Eigenbezeichnung, Zigeuner mehrheitlich eine Fremdbezeichnung, ein Unterschied. Oder würde es Peter Keller gefallen, wenn ich, nachdem er sich mir mit «Keller» oder «Peter» vorgestellt hat, ihn konsequent mit «Plausch-Pesche», «SVP-Peter» oder «Blocher-Peach» anreden würde? Die Lage hier ist eindeutig komplexer, als sie Keller gerne haben möchte. In einem Text für die NZZ hat sich Martin Woker damit auseinandergesetzt.

Menschen mit Migrationshintergrund – ginge auch kürzer, präziser und ehrlicher: Ausländer.

Falsch: Menschen mit Migrationshintergrund können Ausländer sein, aber auch Inländer, also zum Beispiel Kosovo-Albaner oder Schweizer. Für die statistischen Behörden in Deutschland gehören zu den Menschen mit Migrationshintergrund (im weiteren Sinn) «alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil».

Ausgabe 30/2014 vom 24. Juli

Christian Mundt ist Journalist bei der Weltwoche – und dazu im Vorstand der Jungfreisinningen Schaffhausen. Über Christoph Blocher hat er einen Text mit dem gloriosen Titel «Der den Rheinfall staut» geschrieben. Es ist ein Heldenepos, das auch von einem Schreiber in den unfreien russischen Medien über Wladimir Putin hätte verfasst werden können. Fast meint man, es mit Wilhelm Tell persönlich zu tun zu haben:

«Während wir auf das Boot warten, das uns zum Felsen in der Mitte des Falls bringen soll, möchte ich wissen, woher er seine Kraft schöpft: für die Familie, für das Unternehmen und nicht zuletzt für die Politik, in der er nun seit vierzig Jahren aktiv ist – und oft alleine gegen alle anderen ankämpfte. (…)

Sieht sich Blocher als Naturkraft? Er würde es nicht zugeben, aber so falsch ist die Gleichsetzung nicht. (…)

Er hat alle Wahlen und Abwahlen, alle Erfolge und alle Demütigungen überlebt. In seinem Gesicht haben die Kämpfe Spuren hinterlassen: Sein Blick ist immer noch lauernd, herausfordernd, aber vielleicht versöhnlicher und abgeklärter als früher. Die Haut wirkt durchsichtiger, dünner, aber immer noch widerstandsfähig.»

Es ist schon witzig, dass solche Zeilen erscheinen in einer Zeitschrift, die sich als Herausforderung des etablierten Journalismus sieht, über einen Politiker, der sich als Herausforderung der «Classe Politique» sieht. Es ist auch nicht so, dass die Weltwoche so etwas bei anderen Zeitungen akzeptiert. In der «Personenkontrolle» vom 18. September wird dem Chefredaktor der Solothurner Zeitung, Theodor Eckert, vorgeworfen, sich vor Lokalpolitiker Kurt Fluri «in den Staub» zu werfen und «im bewährten Prawda-Stil sämtliche heiklen Punkte zu umschiffen». Mal ehrlich, solche Speichelleckerei hat doch keiner der Beteiligten nötig.

Ausgabe 36/2014 vom 4. September

Auf dem Titel dieser Ausgabe sind die beiden männlichen Ursprünge der Weltreligionen Christentum und Islam erkennen: während bei Jesus ein friedlicher Gesichtsausdruck zu erkennen ist, hat Mohammed einen Krummsäbel in der Hand und einen Balken über dem Gesicht. Auf Seite 2 heisst es dazu: «Wir haben bewusst darauf verzichtet, das Gesicht Mohammeds zu zeichnen, um nicht den Zorn radikaler Muslime zu nähren.» Der Untertitel der Geschichte heisst «Die Blutspur einer Religion», ja, tatsächlich, nur «einer». Obwohl zu gleicher Grösse auf dem Titel, erwähnt die Ausgabe die zahlreichen Verbrechen im Namen des Christentums mit keinem Wort. Kirchenopfer.de kann hier etwas nachhelfen: Kreuzzüge, Inquisition, Hexenwahn und andere Missbräuche im Namen des Christentums haben viele Millionen von Opfern gefordert. In der «Weltwoche» heisst es dazu: «Wer im Christentum bis zum Äussersten geht, wird zum Heiligen wie der sanftmütige Franziskus, der mit den Tieren spricht und allen Besitz von sich wirft. Wer Mohammed konsequent nachfolgt, wird zum heiligen Krieger.»

Liest man die bemerkenswert schlichte Titelgeschichte von Peter Keller, so fällt zuallererst auf, dass bei der Abbildung von Mohammed auf Seite 23 kein schwarzer Balken über seinem Gesicht ist; die vorgebliche Absicht, nicht «den Zorn radikaler Muslime zu nähren», fällt so in sich zusammen. Stattdessen spielt Peter Keller einen barmherzigen Jesus («Den Armen und Ausgestossenen wird Jesus die Treue halten», «Jesus ist die Antithese zur Gewalt») gegen einen ungebildeten Mohammed aus («Der Sohn eines Händlers kann weder lesen noch schreiben», «wahrscheinlich ein Leben lang Analphabet»).

Mit Peter Keller, gemäss eigenem Lebenslauf von 2002 bis 2008 «persönlicher Mitarbeiter von Nationalrat bzw. Bundesrat Christoph Blocher (Redenschreiber, Betreuung verschiedener Dossiers)» sass bis vor Kurzem ein aktiver SVP-Mann am Redaktionstisch der Weltwoche. Keller ist gewählt als Nationalrat bis 2015, der auch schon mal den Bundesrat beschäftigt, weil er wissen will, ob wir denn alle auch gut genug überwacht werden. Auch wenn er nach wie vor mehrere Artikel pro Ausgabe schreibt, wird er inzwischen im Impressum als «redaktioneller Mitarbeiter» aufgeführt. Aber wenigstens von 2009 bis 2012 hörte Blochers persönlicher Redenschreiber als Redaktor alle Diskussionen mit, wusste Bescheid über Geheimnisse auf der einen wie auf der anderen Seite. Zu Recht oder zu Unrecht wurde er von Seiten der Journalisten als auch von Seiten der Politiker verdächtigt, die jeweils andere Seite mit Interna zu versorgen. Er war sozusagen ein legitimiert agierender Doppelspion.

Roger Köppel mag Freude haben an solchen die Öffentlichkeit irritierenden Spielen, tatsächlich schwächt Kellers Personalie die Glaubwürdigkeit des eigenen Blatts gehörig. Auch wenn einer durchaus ordentlich schreibt und ein guter Historiker ist, schädigt seine Existenz als aktiver Politiker die Unvoreingenommenheit der Weltwoche. Das Argument, dass aktive Politiker auch früher in Redaktionen anzutreffen waren und aktive Journalisten in Parlamenten, gilt nicht, denn entweder will man die Wahrheit herausfinden oder politisch wirken – für Journalisten gibt es letzteres nur durch ersteres. Der Presserat hat dazu eine klare Haltung: «Der Beruf als Journalist ist grundsätzlich nicht mit dem Ausüben einer öffentlichen Funktion vereinbar. Nimmt er aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise eine politische Tätigkeit wahr, trennt er die Funktionen strikt.» Keller könnte also in der Weltwoche über etwas schreiben, das überhaupt nichts mit Politik zu tun hat. Aber was hat schon nichts mit Politik zu tun?

Wer redigiert nochmals die Editorials von Roger Köppel? Sein Stellvertreter Philipp Gut, und eben auch Peter Keller, so Köppel 2011 im MEDIENWOCHE-Interview. Kann eine Partei denn mehr Einfluss haben auf ein Blatt, als wenn sie die Leitartikel des Chefs gegenliest? Köppel mag behaupten, er sei frei und unabhängig von Blocher und seiner SVP, aber wer den langjährigen Reden-Schreiber Blochers am publizistischen Herzstück herumschnippeln lässt, ist das schlicht und einfach nicht. Und wer, wie 2007, seinen damaligen Stellvertreter Markus Somm zusammen mit SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli ein Interview führen lässt, auch nicht. Wer Propagandisten undeklariert schreiben lässt, muss sich den Vorwurf der Propaganda gefallen lassen. Korrekt wäre es, alle politisch Tätigen aus dem Impressum zu streichen und ihre Texte klar als Texte von Politikern zu kennzeichnen.

Ausgabe 43/2014 vom 23. Oktober

Und nochmals Peter Keller. Sein Artikel «Kastrierte Demokratie» handelt von einer «Classe politique», die versuche, die Volksrechte abzubauen: «Am Ende steht gewollte Willkür – und die Herrschaft der Apparatschiks». Zur Erinnerung: Keller ist einer dieser vom Volk gewählten «Apparatschiks» der «Classe politique». Er erhält vom Staat ein Jahreseinkommen (26 000 Franken), Taggelder (440 Franken), eine Jahresentschädigung für «Personal- und Sachausgaben» (33 000 Franken), eine Mahlzeitenentschädigung (115 Franken pro Tag), eine Übernachtungsentschädigung (180 Franken für die Übernachtung zwischen zwei aufeinander folgenden Sitzungstagen), Reiseentschädigungen, Familienzulagen, Vorsorgebeiträge, ein SBB-Generalabonnement der 1. Klasse und hat Anspruch auf Überbrückungshilfen, weitere Taggelder, Sonderentschädigungen und Repräsentationsauslagen. So wie jeder andere Nationalrat auch.

Offenlegung: Ronnie Grob hat bisher mehrere Beiträge in der Basler Zeitung und in der Weltwoche veröffentlicht. Sie wurden angemessen vergütet, die Zusammenarbeit war stets erfreulich und verlief ohne jegliche inhaltlich-politische Einflussnahme.
Inputs zur Serie erhalten wir gerne in den Kommentaren oder per E-Mail.

Übersicht der Serie zu den «Blocher-Medien»:
1. Teil: Schlachtplan Zufall
2. Teil: Unter dem Guru von Herrliberg
3. Teil: Der Provokateur
4. Teil: Es braucht wieder Fakten
5. Teil: Politiker der Redaktion
6. Teil: Für Partei und Vaterland
7. Teil: Sicherheit in Statistiken
8. Teil: Sie sind klein und sie sind überall

Leserbeiträge

Sam Pirelli 12. November 2014, 19:20

Auch bei der BaZ wird der eigentliche Zweck des Kaufs immer deutlicher: Blocher benutzt das Blatt zur Vorbereitung seiner Initiativen. So feuerte Beni Gafner in kurzer Folge gegen die Menschenrechte und den EGMR; den anderen Titeln im Newsnet-Verbund war das dann doch zu viel, sie übernahmen die Pamphlete nicht. Kommentare, in denen man das kritisch hinterfragt, werden selbstredend nicht publiziert. Und heute durfte Dominik Feusi, seines Zeichens BaZ-Bundeshauskorrespondent, kräftig die Werbetrommel rühren für die Goldinitiative – der tendenziöse Artikel war selbstverständlich nicht als Meinung resp. Kommentar markiert. Auch die BaZ hat sich von den journalistischen Standards verabschiedet – ganz im Sinn des Brotherrn, der seinerseits weder für demokratische Spielregeln noch normale Umgangsformen je viel übrig hatte.