von Adrian Lobe

Grosskonzerne setzen auf Sponsored Content

Anders als in Schweizer Medien werben die heimischen Grosskonzerne Credit Suisse und Zurich auf englischsprachigen Medienplattformen mit Sponsored Content. Wall Street Journal oder New Republic erhalten dafür viel Geld. Schliesslich soll Werbung, die nach Journalismus aussieht, besser wirken als herkömmliche Inserate. Das ist nicht unproblematisch.

Während Medien in Europa erst allmählich für Sponsored Content öffnen,boomt das Geschäft in den USA. Gemäss dem Marktforschungsinstitut Socintel360 wird sich das Werbevolumen für Native Ads von 4,3 Milliarden Dollar 2015 auf 8,8 Milliarden im Jahr 2018 verdoppeln. Das viele Geld stammt in erster Linie von Grosskonzernen, die mit ihren Werbeanstrengungen neue Wege gehen.

So setzt der Mischkonzern General Electric GE schon länger auf Sponsored Content, u.a. prominent beim Economist, bei Buzzfeed und bei Vox.com. GE spielt auf allen Kanälen. Jason Hill, der Medienstratege von General Electric, sagte dem Portal eMarketer.com: «Traditionelle digitale Anzeigen sind zur Tapete geworden. Es verbessert nicht die Erfahrung von irgendjemandem auf der Seite oder Lesern (…). Marken, die eine starke Meinung und Partner haben, die dabei helfen, diese auszudrücken, können ein beträchtliches Engagement (mit Native Ads) geniessen.» Der Trend zu Sponsored Content ist inzwischen auch bei Schweizer Konzernen angekommen.

Die Zurich Insurance Group nutzt das Instrument für Beiträge in US-Zeitschriften. «Wir platzieren derzeit Sponsored Content im Wall Street Journal Online und auf Bloomberg», teilt der Versicherer auf Anfrage mit. «Auf diesem Weg stellen wir ausgesuchten Lesergruppen, in denen insbesondere unsere Unternehmenskunden überproportional vertreten sind, komplexere Inhalte oder technische Zusammenhänge direkt vor. Dazu gehören beispielsweise Erkenntnisse aus Studien.»

Zum Beispiel wurde auf den Seiten des Wall Street Journal ein Beitrag über die «Interkonnektivität von Risiken» und chronische Krankheiten publiziert, der eins zu eins auch auf der Website von Zurich zu lesen ist. Einen Interessenkonflikt sieht der Konzern nicht. «Sämtliche Artikel sind klar als nichtredaktioneller Inhalt gekennzeichnet und werden ebenfalls auf unserer Website publiziert. Die Artikel werden entweder in unserem Auftrag von unabhängigen, freischaffenden Textern geschrieben oder von uns intern. Die Platzierung erfolgt wie bei einem klassischen Inserat, d.h. die Journalisten, die im redaktionellen Teil eines Mediums über uns berichten, sind nicht involviert.» Diese Spielregeln gelten ebenso für Publireportagen, die Zurich vereinzelt in Schweizer Medien schaltet.

Auch die Credit Suisse nutzt Sponsored Content als Form des Marketings. Die Grossbank publiziert regelmässig in «The New Republic». Die Zeitschrift ist eine Institution des liberalen Amerika. Unter dem neuen Herausgeber, dem Facebook-Mitbegründer Chris Hughes, sollte der New Republic in ein «digitales Unternehmen» umgebaut werden. Doch die Pläne stiessen auf Widerstand der Belegschaft, fast die gesamte Redaktion reichte die Kündigung ein. Hughes bereitete den Boden für Sponsored Content.

Die Credit Suisse veröffentlichte jüngst einen Artikel zur Wohlstandsverteilung in den USA, der klar als Sponsored Content ausgewiesen ist. In dem 5000-Zeichen-Artikel taucht Credit Suisse fünfmal auf. Es wird eine Studie der Bank zitiert, dann kommt ein Vorstandsmitglied ausführlich zu Wort. Kein Zweifel: Es ist ein Artikel von und für Credit Suisse. Daran ist nichts verwerflich. Die Bank zahlt ja für diese Art der Werbung. Wie viel Geld Zurich und Credit Suisse aufwenden, wollen die Konzerne nicht verraten. Von der Pressestelle der Zurich heisst es nur: «Die Kosten für einen Beitrag setzen sich zusammen aus den Schreibkosten und den Inseratekosten. Weitere Angaben machen wir nicht, wie wir dies auch bei Inseratekosten nicht machen.»

Doch es dürfte sich um stattliche Summen handeln. Der Branchendienst Digiday hat die Tarife für Sponsored Content aufgelistet. So verlangt Buzzfeed für vier bis fünf Listicles, die sein Team im Auftrag eines Unternehmens erstellt, ca. 100 000 Dollar. Gawker stellt für 12-16 individuelle Stücke zwischen 300 000 und 500 000 Dollar in Rechnung. Und die Huffington Post verlangt für einen Artikel inklusive Vermarktung über soziale Netzwerke 40 000 Dollar. Ein lukratives Geschäft. In dieser Grössenordnung dürfte sich auch der Sponsored Content von Zurich und Credit Suisse bewegen.

Doch warum gehen Konzerne dazu über, Sponsored Content anstatt Anzeigen zu schalten? Was macht Native Ads so attraktiv? Victor Pickard, Journalismus-Professor an der Annenberg School for Communication der University of Pennsylvania, erklärt das so: «Die Leute lesen eher Sponsored Content, was zumindest zum Teil der Tatsache geschuldet ist, dass dieser Content zu einem gewissen Grad camouflierte Werbung ist.» Es ist eine Win-Win-Situation: Marken, sprich Unternehmen, bekommen eine Plattform, über die sie ihre Botschaften mitteilen können, und die Medien Geld. Das Geschäft mit Sponsored Content ist für Medien oft einträglicher als normale Anzeigen, die erst tausendmal angeklickt werden müssen und von den Lesern als lästig empfunden werden. Sponsored Content schmiegt sich an die Inhalte der Zeitung heran – so als wäre es nur ein weiterer Artikel.

Der Softwarehersteller SAP hat sogar einen eigenen Kanal auf Brand Voice, der Sponsored-Content-Seite von Forbes, wo wöchentlich zwei bis drei Artikel erscheinen. Die Beiträge machen meist mit einem Teaser auf, z.B. «Hassen Sie ihre Job?». Das Muster ist stets dasselbe: Es wird ein Problem erläutert, dann wird die Firma mehr oder weniger subtil in dem Text eingeflochten. Entweder hat ein SAP-Mensch auf einer Konferenz etwas Wichtiges gesagt oder hat SAP ein Tool entwickelt, auf das es nun aufmerksam macht. Zwar gehorchen die Beiträge dem Gebot der Transparenz. Trotzdem gibt es ethische Bedenken. Denn letztlich bekommt der Leser journalistisch aufgemotzte Pressemeldungen an einer Stelle, wo er eigentlich einen ausgewogenen Artikel erwarten kann. Das Problem: Sponsored Content lässt sich der Form und Inhalt nach kaum von Artikeln unterscheiden (daher auch der Name Native Ads). «Die Leser wissen oft gar nicht, dass sie Anzeigen lesen», konstatiert Professor Pickard.

Die Washington Post hat vor kurzem ein Produkt namens BrandConnect Perspective eingeführt, eine Erweiterung der native-ad-Plattform BrandConnect. Mit «Perspective» kann ein Anzeigenkunde einen Kommentar veröffentlichen, der dann in der Rubrik «Opinions» der Zeitung auftaucht. Jim Blome, Präsident der Sparte Bayer CropScience, warb darin für moderne landwirtschaftliche Methoden, die sein Konzern vermarktet. Die bezahlten Meinungsstücke werden kaum redigiert. Jed Hartman, Finanzvorstand der Post, sagte gegenüber Digiday: «Sie schicken uns ein Stück über ein Thema, das gerade in den News ist, und wir spielen es mit geringer Veränderung.» Selten war Meinungsmache so einfach. Für einen Gastbeitrag in der sogenannten Op-Ed-Rubrik der Washington Post oder New York Times musste man einst hochwertige Texte liefern, die von der Redaktion fein säuberlich ausgewählt wurden. Heute kann man sich mit Meinungsbeiträgen einfach in die Kommentarspalten einkaufen – und so Aufmerksamkeit erzeugen.

Die strikte Trennung zwischen redaktionellem und nichtredaktionellem Inhalt wackelt hier bedenklich. Medienexperte Pickard hält diese Entwicklung für problematisch: «Ich denke, der Mangel an Transparenz und in manchen Fällen die bewusste Täuschung sind für jede demokratische Gesellschaft schädlich.» Sein Kollege Jeremy Caplan, Ausbildungsdirektor am Tow-Knight Center for Entrepreneurial Journalism in New York, fragt sich vor allem nach den Langzeitauswirkungen dieses Geschäftsmodells. «Wenn ein Teil des Contents von einem Konzern gesponsert ist, werden die Leser dann letztlich annehmen, dass es viel oder das meiste ist, und Schritt für Schritt das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Mediums verlieren?» Diese Frage müssen sich Medien, die Sponsored Content anbieten, auch stellen. Denn durch immer mehr Artikel aus der Feder von Unternehmensschreibern unterminieren sie letztlich ihre eigene Glaubwürdigkeit.