von Ronnie Grob

Journafrica: Korrespondent des Kontinents

Die Berichterstattung über den riesigen Kontinent Afrika ist schwierig und führt immer wieder zur Kritik. Ein junges Team versucht nun mit der Website Journafrica ein neues Konzept: Statt Korrespondenten aus Europa schreiben Journalisten vor Ort.

Der Kontinent Afrika ist dreimal so gross wie Europa und 732-mal so gross wie die Schweiz. Die Menschen dort leben in 54 verschiedenen Ländern und sprechen über 2000 verschiedene Sprachen. Und doch reden viele über das Gebiet, als wäre es ein homogenes Gebilde, in dem alles in etwa gleich läuft. Das liegt auch an den Journalisten und den Lesern. Einige von ihnen flippen fast aus, wenn jemand «Züricher» statt «Zürcher» schreibt oder wenn jemand Baselland, Baselstadt und Kleinbasel durcheinanderbringt. Und finden gleichzeitig nichts dabei, Senegal und Sambia in einen Topf zu werfen.

Mit dem Projekt Journafrica versuchen nun rund zehn Personen im Alter von 22 bis 28 Jahren, das Afrikabild im deutschsprachigen Raum zu beeinflussen und eine Gegenperspektive zur gängigen Berichterstattung zu bieten. «Die Struktur unserer Massenmedien trägt entscheidend dazu bei, dass noch immer ein negativ verzerrtes und einseitig konstruiertes Afrika-Bild die öffentliche Meinung prägt», steht in der Beschreibung der seit November 2014 existierenden Website. Hinter Journafrica steht der von Stiftungen finanzierte Verein treemedia e.V. aus Leipzig.

Statt die beobachtenden Korrespondenten, die aus Europa zu Besuch sind, berichten auf Journafrica Personen vor Ort. Mohamed Ahmed Shabasha über die Wahlen im Sudan, Anaclet Hakizimana über den Immobilienmarkt in Burundi, Lola Akomatsri über die Entsorgungspolitik in der Hauptstadt von Togo. Manche der Beiträge sind exklusiv für Journafrica verfasst, andere werden über Websites gefunden. Journafrica kauft den Beitrag ein, übersetzt ihn auf Deutsch und stellt dann beides auf die Website. Bezahlt wird über einen Schlüssel, der die Honorare an die Kaufkraftparität des jeweiligen Landes anpasst. Viele der Beiträge können journalistisch noch zulegen, aber das Konzept greift durchaus: Die Geschichte von Sunny Ntayombya über eine Fahrt in einem Überlandbus würde von einem westlichen Korrespondenten wohl ganz anders erzählt.

Ein Mitglied des Journafrica-Teams treffe ich in Berlin, Oliver Reimer. Er ist 24 Jahre alt, Student der Afrikanistik an der Universität Leipzig und ursprünglich aus Dresden: «Wenn über Afrika berichtet wird, dann geht es fast immer um die drei Ks: Krisen, Konflikte, Katastrophen. Ich würde gerne mehr über Musik und Kultur lesen, verstehen, wie die Wirtschaft funktioniert und wie die afrikanischen Länder zueinander stehen.» 2012 war er erstmals in in Afrika, in Tansania, später dann besuchte er auch Kenia, Ruanda und Uganda. Die für Journafrica schreibenden Journalisten versucht Reimer, zu ermutigen, tatsächlich das zu schreiben, was sie denken, und nicht das, was sie glauben, was er hören möchte. Denn: «Wir erhalten auch Artikel, die für unsere Ohren geschrieben worden sind. Das Ziel ist aber, dass sich die Leute ausdrücken können.»

An gute Bilder und Videos heranzukommen für einen Artikel, sei oft schwierig, sagt Reimer. Agenturen wie AFP würden zwar gute Bilder machen, doch afrikanische Presseagenturen gebe es kaum: «Wir liefern nächstens einen Artikel über die neue Nachrichtenagentur Lilongwe News Agency (LINA) in Malawi, aber das sind ganz zarte Anfänge.» Im Sommer 2015 macht Euronews mit der Gründung des Schwesterkanals Africanews in Brazzaville, Kongo, einen weiteren Anfang. Der neue Newssender mit einer Startbelegschaft von 40 Journalisten soll aus und für die Subsahara-Region berichten, zunächst auf Französisch und Englisch, später auch auf Arabisch, Portugiesisch und Suaheli.

Reimer sieht Journafrica weniger als eine Konkurrenz zu den etablierten Medien, sondern mehr als ein Korrektiv. Der Nairobi-Korrespondent der NZZ, Markus M. Haefliger, begrüsst das Projekt auf Anfrage, hält es aber nicht für notwendig: «Ungefilterte afrikanische Stimmen können als Ergänzung sinnvoll sein, allerdings ist dazu kein neues Portal nötig. Die meisten afrikanischen Medien sind online präsent, und dann gibt es Allafrica.com.» Ihn erinnert das Projektkonzept an eine entwicklungspolitische Sendung des damaligen Schweizer Radio DRS, für die er in den 1980er-Jahren als Redaktor zuständig war, «Südsicht»: «Wir hatten unglaublich Mühe, die Beiträge unserer afrikanischen Mitarbeiter allgemeinverständlich zu redigieren. Niemand mochte die Sendung, ausser ein paar Exoten und dem damaligen Programmdirektor, und sie wurde zum Glück bald abgesetzt.»

Auch wenn die Kritik an der Berichterstattung über Afrika, so von Lutz Mükke 2009 («Allein auf weiter Flur: Korrespondenten in Afrika») oder von Binyavanga Wainaina 2005 («How to Write about Africa»), wahrgenommen wurde, hat der Abbau von Korrespondentenstellen zu einem oberflächlicheren Bild und zu einem vergrösserten Unwissen geführt. Wer die Berichterstattung zu den über das Mittelmeer Flüchtenden verfolgt, erhält fast den Eindruck, als sei Europa so überrascht wie seine Journalisten, diese Menschen an den Küsten Italiens auftauchen zu sehen. Dennoch sei festgehalten, dass viele Afrika-Korrespondenten hervorragende Arbeit leisten und, wenn überhaupt, vor allem durch die Ignoranz ihres Publikums und ihrer Chefredaktoren eingeschränkt werden.

Besonders unterhaltsam und augenöffnend persiflierte die oft einfach nur beschämende Sicht des Westens auf Afrika Walter Wippersberg. Sein Film «Das Fest des Huhnes» von 1992 ist eine inszenierte Dokumentation über Oberösterreich: