von Nick Lüthi

Nirgendwo gibt es alles

Online-Kioske wie Blendle und Pressreader bieten einen einfachen Zugang zu vormals nur gedruckt oder im Digitalabo erhältlichen Medien. Der frisch gewonnenen Vielfalt an verfügbaren Titeln und Artikeln stehen auf der Negativseite teils strukturelle, teils technische Mankos gegenüber.

Sicher, das Angebot wächst und wächst. Aber gleichzeitig steigt auch der Aufwand, um die neue Vielfalt sinnvoll nutzen zu können. Digitalkioske für Textmedien, wie das jüngst in den deutschen Sprachraum expandierte Blendle oder der schon länger verfügbare Pressreader, lassen die Zeitungswelt auf App-Grösse schrumpfen. Zahlreiche weitere Dienste, wie etwa Pocketstory oder Axel Springers iKiosk, präsentieren je ihr eigenes Medienangebot.

Doch die neue Vielfalt ist fragmentiert. Wer beispielsweise sonntags gerne einen Blick in den britischen Observer wirft, wird beim Pressreader fündig. Für einen Franken gibts die gesamte Ausgabe gut lesbar aufbereitet für den Smartphone-Bildschirm. Bei Blendle sucht man vergeblich nach der Sonntagszeitung aus dem Hause Guardian, weil sich das englischsprachige Angebot erst im Aufbau befindet. Oder nehmen wir die Schweizer Medien. Die NZZ kommt demnächst auf Blendle, aber Tamedia zeigt solchen Modellen gegenüber eher skeptisch. Den Tages-Anzeiger hat man bereits 2011 aus dem Angebot von Pressreader, damals noch Newspaper Direct, zurückgezogen. Entsprechend sieht Tamedia auch keine Kooperation mit Blendle vor. Wer also wochentags den Tages-Anzeiger, am Sonntag den Observer und zwischendurch die Weltwoche liest, muss drei Konten in drei verschiedenen Aboverwaltungssysteme unterhalten. Blendle wäre dann noch ein viertes Login. Überall stehen andere Kassenhäuschen mit unterschiedlichem Preistafeln und Zugangsschranken. Mal gehts mit einem Umweg über Facebook rein, mal über Twitter oder Google+. Mal zahlt man mit Kreditkarte, mal mit Paypal oder ganz konventionell mit einer Rechnung.

Eine lästige Hürde stellen die vielfältigen Login- und Abrechnungsverfahren vor allem bei der Komposition seines Medienmenüs dar. Wo löse ich ein Abo? Lohnt sich ein Abo oder kaufe ich einzelne Artikel? Wieso kostet das Gleiche nicht überall gleich viel? Preistransparenz existiert nicht. Auch ist es schon vorgekommen, dass kostenpflichtige Blendle-Artikel auf der Website der betreffenden Publikation kostenlos erhältlich sind. Das lässt sich leicht verhindern, zeigt aber auch, wie schwierig es ist, das Zusammenspiel von Medienanbietern und Aggregatoren optimal einzustellen und Reibungsverluste zu vermeiden. Wo immer geschräubelt wird, es wirkt sich aufs Ganze aus.

Letztlich soll der Nutzer mit so wenig administrativen Vorgängen belästigt werden wie möglich. Daher müssen die verschiedenen Zugänge zu den kostenpflichtigen Inhalten besser miteinander verschlauft werden.  in manchen Fällen bleibt die erste Anlaufstelle die Website des betreffenden Titels. Wer etwas in der Süddeutschen sucht, geht zuerst zu Süddeutsche.de – nur um dann festzustellen, dass er rüber zu Blendle muss, um den gesuchten Artikel dort im Einzelverkauf zu erwerben. Dabei liesse sich das sinnlose Rumgehüpfe zwischen den Plattformen einigermassen elegant vermeiden, schliesslich bietet Blendle nicht nur einen Artikelkiosk, sondern auch eine Paywall an, eine Funktion, von der bisher erstaunlich selten die Rede ist. Ein Klick auf den orangen Button und man hat den ganzen Artikel vor sich, bezahlt via Blendle, ohne in die App wechseln zu müssen.

Klar ist heute schon: Den «One-Stop-Shop» für digitale Medieninhalte wird es nie geben. Und das ist auch gut so. Denn die Vielfalt zeugt von Wettbewerb und dieser wiederum von Innovation.  Das heisst aber auch, dass die vielbemühte Kiosk-Metapher auf Plattformen wie Blendle oder Pressender nicht oder nur schlecht zutrifft. Im Papierzeitalter bot der Kiosk, zumindest gefühlt, alles und noch viel mehr. Heute bieten die Digitalkioske zwar auch immens viel, aber ihr Angebot bleibt lückenhaft – nicht nur gefühlt, sondern ganz real erfahrbar.