von Antonio Fumagalli

Basteln an der Ich-AG

Ohne Eigenwerbung geht nichts: Gerade junge Journalistinnen und Journalisten promoten sich auf Twitter, Facebook und persönlichen Websites, was das Zeug hält – schliesslich soll man ja eine Marke sein. Doch wie viel Selbstvermarktung ist zu viel?

Schön, haben Sie auf diese Kolumne geklickt. Vielleicht schauen Sie regelmässig bei der Medienwoche vorbei und lesen diejenigen Artikel, die Sie interessieren. Vielleicht aber – und das ist der wahrscheinlichere Fall – sind Sie via Twitter oder Facebook darauf gestossen.

Ich habe den Link zu meiner Kolumne ebenfalls auf Social Media geteilt, allerdings nur auf Twitter. Und auch dort mit einem gewissen Widerwillen. Gerne gebe ich zu: Die sogenannten sozialen Medien mit ihren Möglichkeiten zur Selbstdarstellung, verbunden mit meiner beruflichen Tätigkeit – sie überfordern mich. Ich habe den richtigen Umgang noch immer nicht gefunden.

Was sind wir Journalisten eigentlich? Sind wir nichts anderes als ein Maurer und arbeiten anstatt mit Mörtel und Spachtel mit Buchstaben und Geschichten? Auch wir verrichten – sofern wir festangestellt sind – zuerst einmal eine Arbeit zugunsten unseres Unternehmens und werden dafür entlöhnt. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist eine abwechslungsreiche, herausfordernde und schöne Arbeit, aber es ist eine Arbeit. Oder verlangt die Medientätigkeit, gerade weil sie per se öffentlich und damit gesellschaftlich relevant ist, von uns Autoren auch Diskussionsbeiträge, die über die Publikation in unserem Medium hinausgeht?

Was damit einhergeht: Ein Journalist ist automatisch eine Marke. Und eine Marke will gepflegt sein, wie in einem MAZ-Kurs mal gepredigt wurde. Mehr als in anderen Berufen baut man auf den eigenen Namen. Kein Wunder gibt es kaum Journalisten und Journalistinnen, die bei der Heirat den Namen des Partners annehmen – es würde die Aufbauarbeit mit einem Schlag zurückwerfen. Das Internet legt uns dazu Werkzeuge in die Hand, die vor einer Generation noch undenkbar gewesen wären. Nie war es einfacher, an der Ich-AG herumzubasteln. Facebook und Twitter sind nur die prominentesten Plattformen, eine ganze Reihe von Berufskollegen – gerade in meiner Altersklasse – betreibt mittlerweile eine eigene Website. Das ermöglicht künftigen Arbeitgebern, rasch einen Überblick über das (selektionierte) Schaffen zu gewinnen. Es erleichtert vielleicht den Dialog mit den Lesern. Aber es befeuert auch eine Eitelkeit, die in der Branche ohnehin schon stark ausgeprägt ist.

Mich selbst stellt das immer wieder vor ein Dilemma. Ich weiss, wie wichtig Marketing in eigener Sache ist – in Zeiten von klammen Redaktionsbudgets sowieso. Ich weiss auch, dass einem gerade im Berufsleben wenig geschenkt wird. Wer nicht laut genug in die Menge ruft, wird viel eher überhört. Und doch mag ich nicht auf allen Kanälen daueraktiv sein. Womit ist zu rechtfertigen, dass ich über die eigene Zeitung hinaus die ganze Welt an meiner Arbeit und meinen Gedanken teilhaben lasse?

Mein persönliches Rezept habe ich noch nicht gefunden. So bleibt meine Präsenz in den sozialen Medien diffus: Mal poste ich was, dann wieder wochenlang nichts. Ich nehme auch nur selten an Diskussionen auf Facebook und Twitter teil. Und auf die eigene Website verzichte ich bislang – auch, weil ich nicht als freier Journalist arbeite und nur beschränkt darauf angewiesen bin, mich zu «verkaufen». Das spart Zeit und Nerven – zum Preis, dass der Aktienwert der eigenen Ich-AG darunter leidet.

Leserbeiträge

bugsierer 01. Dezember 2015, 11:22

als werbetexter weiss ich, dass marketing bei journalisten (und anderen intellektuellen) einen schlechten ruf hat.

aber die beteiligung an diskussionen und das teilen von spannenden links in sozialen medien, eine eigene website und weitere präsenzen im netz kann man auch „nur“ als kommunikation sehen. wenn also ein journalist sich aktiv und lustvoll am netzleben beteiligt, wird er fast automatisch zur marke. gute werbung ist immer auch gute kommunikation – und umgekehrt.

gute journi-kommunikation denkt nicht an den aktienwert, sondern an den mehrwert für die crowd und für sich selber, dieser entsteht durch interaktion, nicht durch verkrampftes marketinggeschwurbel.

grundvoraussetzung für journalisten, ein bekannter netzbewohner zu werden, ist der spass an der sache. wem es keinen spass macht, sich mit wildfremden menschen im netz zu unterhalten, von den empfehlungen anderer zu lernen und selbst welche zu teilen, hat in zukunft sicher schlechte karten. das ist dann das gleiche wie beim koch, der die hitze nicht verträgt, er hat den falschen beruf.

zum thema passt auch diese lieste:
http://www.blog-cj.de/blog/2015/11/29/worueber-wir-2016-reden-werden/

Hans-Jürgen John 20. Dezember 2015, 00:21

Danke für Ihren interessanten Beitrag.

Viele sind auf Social Media – gleich, ob sie es beruflich oder privat nutzen. Social Media, das sind oft geschlossene Systeme, deren Inhalte – wohl aus Konkurrenzgründen – Google nurteilweise zugänglich sind.

Um alle Lesende oder viele zu erreichen und abzudecken versucht man in möglichst vielen Plattformen präsent zu sein. Mit der Folge bekommt man das Gefühl sich zu verlieren.

Gerade erst vor wenigen Tagen habe ich auf LinkedIn und Facebook verkündet eine weltweite Plattform für Journalisten zu gründen. Die Domain ist dafür bereits reserviert: johntext.news.

Johntext.de existiert bereits als Modell, dort für Autoren. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die kostenlose Vergabe von Webseiten wenig wertgeschätzt wird. Finde ich keine Sponsoren und Unterstützer wird Johntext.news wohl Gebühren verlangen 🙂

Herzliche Grüsse aus dem Aargau: Hans-Jürgen John