von Nick Lüthi

Plädoyer für den Status Quo

Ein Diskussionspapier war versprochen, herausgekommen ist ein Plädoyer für den Status Quo. Die Eidgenössische Medienkommission drückt sich in ihrem Service-public-Bericht vor den heissen und heiklen Fragen.

Natürlich kann auch eine hinlänglich bekannte Position zur Diskussion anregen. So gesehen handelt es sich beim gestern veröffentlichten Dokument der Eidgenössischen Medienkommission Emek tatsächlich um ein «Diskussionspapier». Angesichts der medienpolitischen Grosswetterlage und des nicht eben geringen Klärungsbedarfs zum Service public im Allgemeinen und zur SRG im Speziellen, hätte man von einer unabhängigen Expertenkommission mehr Mut erwarten dürfen. Gemessen an der heterogenen Zusammensetzung des Gremiums überrascht der klare Positionsbezug nachgerade. Die Emek plädiert für das Festhalten am Status Quo, denn: «Das duale Modell mit Mischfinanzierung, also die Finanzierung der SRG auch über Werbegelder sowie einiger privater Anbieter auch über Gebühren bzw. Haushaltsabgaben hat sich grundsätzlich bewährt. So liest sich das Papier über weite Strecken wie eine Verteidigungsschrift der SRG für ihr (Geschäfts)modell.

Alternativen zur aktuellen Medienordnung hat die Kommission genau zwei geprüft – und natürlich beide verworfen. Einige Sympathien konnten die Fachleute dem reinen dualen Modell entgegenbringen. Damit wäre die SRG werbefrei und rein nutzerfinanziert, während die Privaten gebührenfrei und rein werbefinanziert auskommen müssten. Schliesslich überwogen aber die altbekannten Argumente, die schon vor 15 Jahren gegen ein solches Modell in einer kleinteiligen und mehrsprachige Medienlandschaft sprachen. Auch das Provider-Modell von Avenir Suisse, das den Service-public-Veranstalter als reinen Inhalte-Anbieter sieht, fällt bei er Emek durch. Angesichts der «No Billag»-Volksinitiative, die jegliche Form öffentlicher Medienfinanzierung verbieten will, überrascht es doch einigermassen, dass sich die Kommission mit diesem Szenario gar nicht erst befasst hat.

Dass für die Medienkommission kein anderes als das gegenwärtige Modell in Frage kommt, liegt an der Prämisse, die sie dem Bericht zugrunde gelegt hat: «Privatwirtschaftlich organisierte Medien allein können die Produktion der journalistischen Medienangebote, die für die Demokratie notwendig sind, weder als einzelnes Medium noch in ihrer Summe nachhaltig garantieren.» Der Gegenbeweis lässt sich nur schwerlich erbringen solange die SRG existiert. Das sollte eigentlich die Kraft des Arguments schwächen. Die Emek aber baut ihre ganze nachfolgende Argumentation auf dieses wacklige Fundament.

Auch in einem anderen zentralen Punkt mangelt es dem Bericht an Klarheit. So liefert die Kommission keinerlei Antwort auf die Frage, welche publizistischen Inhalte und Formen den medialen Service public ausmachen. Auch wenn sich die Kommissionsmitglieder hierzu wahrscheinlich nicht auf eine abschliessende Definition hätten einigen können, wäre es doch interessant zu erfahren, wie ein branchenweit breit abgestütztes Gremium diese Frage diskutiert. Aber Fehlanzeige, das heisse Eisen bleibt unangetastet. Zur viel diskutierten Frage, in welchem Mass etwa Unterhaltungssenungen zum Service public zählen, schweigt die Kommission.

Erst auf den letzten paar Seiten kann man dem Diskussionspapier doch noch einen Nutzen abgewinnen für die laufende und kommende Debatte zur Medienordnung. Hier schlägt die Kommission konkrete Massnahmen für mehr Transparenz und Qualitätssicherung bei der SRG vor. Mit dem Vorschlag einer neuen, staatsunabhängigen Regulierung und Aufsicht der Telekom- und Medienmärkte der Schweiz bringt die Emek einen neuen Aspekt in die Diskussion ein.

Der Emek-Bericht zum Service-public ist eine verpasste Chance. Er dürfte in der weiteren Diskussion kaum eine Rolle spielen, zumal er keine wirklich neuen Denkrichtungen aufzeigt, sondern mit bekannten Argumenten das Bestehende bekräftigt, sowie hier und dort ein paar Reformen anregt. Was vor allem irritiert, ist das Auseinanderklaffen von Aufwand und Ertrag. In zahlreichen morgenfüllenden Hearings mit Branchenvertretern hat sich die Kommission ein Bild machen können vom breit gefächerte Verständnis von Service public in der Schweizer Medienbranche. Das Diskussionspapier ist dafür ein etwas dünn geratenes Dokument.

Leserbeiträge

Ueli Custer 15. Dezember 2015, 11:56

Ich habe den Bericht zwar nicht integral gelesen sondern nur überflogen. Dabei hat mich vor allem eines gewundert: Warum definiert man nicht zuerst die Eckpunkte, die festlegen, welche Ansprüche an das Mediensystem in der Schweiz angesichts der 3 bzw. 4 Sprachen zu stellen sind. Denn die Diskussion wird nach wie vor aus einer Deutschschweizer Optik geführt. Vieles von dem, was hier noch funktionieren würde, ist in der Westschweiz kaum und in der Südschweiz gar nicht umsetzbar. Nur ein Modell, das Lösungen für alle Sprachregionen anbietet, ist ein praktikables Modell. Alle andern Lösungen sind reine Zeitverschwendung.
Und ganz allgemein gilt: Bezüglich Werbung sind auch die Bedürfnisse der Wirtschaft in die Überlegungen einzubeziehen. Werbung ist nicht einfach ein Almosen, das die Wirtschaft den Medien überlässt, damit sie ihre Produkte finanzieren können. Werbung ist ein entscheidender Faktor der Marketingkommunikation. Das geht bei solchen Diskussion allzu oft vergessen.

Martin 17. Dezember 2015, 16:39

Was nicht besprochen wird ist die Tatsache, dass der Konsument heute nebst Auslagen für die Billag noch Kosten für Internetzugang, Apps, Pay-TV, Mobile Abo etc. hat. Früher gab es all diese Kanäle nicht. Ich glaube daher nicht, dass die überteuerte Finanzierung der SRG mittels Billag eine Zukunfts-Chance hat.

Ueli Custer 06. Januar 2016, 14:27

Sie betrachten die Sache offenbar aus der Konsumentensicht während für mich die staatsbürgerliche Optik im Vordergrund steht. Und nur die kann Grundlage für die Definition der Anforderungen an ein Mediensystem in der Schweiz darstellen. Alles andere wäre eine politische Bankrotterklärung.

twimc 09. Januar 2016, 10:18

Wenn jemand zeigt, wie seine Freiheiten beschnitten werden, ist dies nicht auch eine staatsbürgerliche Optik?

Ueli Custer 11. Januar 2016, 09:23

Nach meiner Meinung eben gerade nicht. Die staatsbürgerliche Optik hat das grosse Ganze im Blickfeld. Also das Gesamtinteresse im Gegensatz zum Einzelinteresse.

twimc 13. Januar 2016, 14:42

Wie wärs denn jetzt hier mit diesem ‚Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile‘ oder so ähnlich.

twimc 06. Januar 2016, 13:52

Zeichen und Wunder?
Dieses Diskussionspapier ist letztlich die logische Konsequenz der Abstimmung letzten Jahres.