von Redaktion

Werbung wird automatisch zielgerichteter

Erst geschätzte fünf Prozent der Werbung in der Schweiz werden automatisiert abgewickelt. Das Potenzial datenbasierter Werbevermittlung ist entsprechend gross. Frank Bachér*, Nordeuropachef des Digitalvermarkters Rubicon Project, zeigt in einem Gastbeitrag fünf Technologien, die automatisierte Werbung ermöglichen.

Wie automatisierte Werbung genau funktioniert, ist letztlich einfacher als manche behaupten. Im Prinzip geht es bei der «Automatisierung» nur darum, beim Einkauf von digitalen Werbeflächen die Telefone, Faxgeräte und Excel-Tabellen durch intelligente, digitale Plattformen zu ersetzen. Einer der wichtigsten Vorteile dieser Systeme ist, dass alle am Prozess beteiligten Mitarbeiter produktiver werden. Denn sie müssen sich weniger mit der Verwaltung von Werbung befassen und können sich stärker auf kreative Aufgaben und die Kampagnen konzentrieren. Dadurch erzielen Werbungtreibende bessere Ergebnisse und Publisher höhere Umsätze.

Automatisierte Werbung ist in manchen Märkten schon zum Standard geworden. In den USA haben zum Beispiel laut IAB 98 Prozent der Publisher schon eine «programmatische Strategie». In Grossbritannien werden dieses Jahr über 50 Prozent des digitalen Budgets über automatisierte Kanäle gebucht. In der Schweiz rechnen wir bis Ende des Jahres mit rund fünf Prozent. Vielleicht weniger bekannt sind die unterschiedlichen Anwendungsgebiete, für die diese Technologie inzwischen eingesetzt wird. Fünf davon werden hier dargestellt:

1. Eins-zu-eins-Geschäfte
Schon lange ist bekannt, dass Publisher über einen Schatz von sehr wertvollen, einzigartigen Nutzerdaten verfügen. Typische Nutzerdaten sind Geschlecht, Alter und Interessen wie z.B. an Finanzen, Autos, Sport oder Technik. Wenn Publisher über entsprechende Angebote verfügen, können auch sehr spezifische Kundeninteressen vorliegen, beispielsweise wer ein bestimmtes Smartphone oder Automodell kaufen möchte. Allerdings fehlten bislang effektive, sichere Methoden, diese Daten mit den entsprechenden Webseiten, auf denen Werbung erscheint, zu kombinieren. Und wenn, dann waren diese Verknüpfungen oft schwer ausbaubar, bis vor knapp drei Jahren sogenannte «Private Marketplaces» entwickelt wurden. Diese stellen einen geschlossenen Marktplatz zur Verfügung, auf dem nur ausgewählte Teilnehmer bestimmte Werbeplätze verhandeln können. Durch diese programmatisch gehandelten Eins-zu-eins-Geschäfte können Publisher ihre eigenen Daten (sogenannte First-Party-Daten) mit dem Werbeflächen-Inventar verknüpfen und somit höhere Preise erzielen. Gleichzeitig können die Werbungtreibenden, also die Einkäufer dieser Werbeflächen, ihre Zielgruppenansprache um weitere Kriterien ergänzen und so Kampagnen effektiver über diverse Premium-Websites und mobile Apps aussteuern.

2. Vertriebs-Barometer
Neben der effizienten Vermarktung des Inventars haben Publisher recht schnell erkannt, dass eine Technologie zur Automatisierung von Werbung auch zur Generierung von neuen Leads eingesetzt werden kann. Wie sieht diese Lead-Generierung im Zusammenhang mit Werbung aus? Damien Pigasse, VP of International Media Sales bei DailyMotion, hat die Technologie als ein Vertriebs-Barometer bezeichnet. Das funktioniert, weil in dem programmatischen System erkennbar ist, welcher Werbekunde oder welche Agentur auf die Werbeflächen des Publishers bietet und zu welchem Preis. Dailymotion kann damit das Marktpotenzial in den einzelnen Ländern bestimmen und bei Bedarf Vertriebsmitarbeiter in den wichtigsten Märkten einsetzen.

Sogar für Unternehmen, die nur lokal agieren, können sich Vorteile ergeben. Eine Reihe von Publishern hat Daten aus dem Realtime-Bidding – also der offenen Auktion für Werbeflächen – genutzt, um neue Kunden zu identifizieren. Sowohl aus den Listen der Werbekunden, die über RTB gekauft und bezahlt haben, als auch unter denen, die lediglich auf das Inventar in offenen Auktionen geboten haben, ohne den Zuschlag zu bekommen. Aus einer offenen Auktion heraus kann der Verkäufer dann in den direkten Dialog mit dem Käufer treten und wertvollere, Eins-zu-eins-Deals über Private Marketplaces abwickeln. Dabei können zunehmend cross-mediale Vereinbarungen einschliesslich Mobile, Video und Print vereinbart und umgesetzt werden. Insbesondere Medien, die auch über das sogenannte «Internet-Protokoll» ausgeliefert werden, können programmatisch buchbar gemacht werden. Somit kann ein Werbungtreibender oder eine Mediaagentur künftig Werbung nicht nur auf Desktop-PC oder auf Mobilgeräten schalten sondern auch auf anderen digitalen Bildschirmen, wie zum Beispiel am Flughafen oder dem Bahnhof sowie im Webradio über eine einzige Plattform effizient und übergreifend programmatisch buchen.

3. Publisher-Trading-Desks
Die Publisher gewöhnen sich inzwischen an die neue Werbetechnologie. Mit wachsender Erfahrung werden «Publisher-Trading-Desks» der nächste Schritt in der programmatischen Evolution. Mit ihnen kann ein Publisher seine eigenen User mit denen von anderen Websites und Apps ergänzen. Anders formuliert, baut er die Reichweite (und potenziellen Einnahmen) aus, indem er seinen Werbekunden anbietet, über eine einzige Buchung Nutzer auf den eigenen Webseiten und auf Webseiten anderer Publisher anzusprechen. Es gibt bereits eine Handvoll Publisher, die diesen Ansatz erfolgreich umsetzen. Darunter beispielsweise De Telegraaf in den Niederlanden, das Danish Publisher Network und The Guardian in Grossbritannien.

4. Moderne Multi-Screen-Kampagnen
Konsumenten verteilen ihre Zeit online über immer mehr Bildschirme und Geräte. Eine Entwicklung, die Werbungtreibende in ihren Kampagnen berücksichtigen möchten. Tatsächlich wird bis nächstes Jahr mehr als die Hälfte aller Werbedollar in den USA in Multi-Screen-Kampagnen fliessen, wie die Association of National Advertisers herausgefunden hat. Dabei sind viele der Tools (Telefon, Excel oder sogar Fax), die noch immer für den Handel mit digitaler Werbung eingesetzt werden, dafür nicht wirklich geeignet. Inzwischen können Technologien für den automatisierten Werbehandel zunehmend über einen einzigen Marktplatz Inventar über mehrere Plattformen hinweg anbieten. Während Multiscreen-Kampagnen in der Vergangenheit durch individuelle Datensätze und umständliche Arbeitsprozesse erschwert wurden, können diese neuen Marktplätze die Abläufe einfacher gestalten, besser messbar und Kampagnen damit insgesamt effektiver machen – und das über mehrere Screens.

5. Automated Guaranteed
Die oben erwähnten Beispiele zeigen, wie Käufer und Verkäufer von Werbeflächen automatisierte Systeme einsetzen und davon profitieren. Dabei gibt es weitere Bereiche, die noch grössere Veränderungen in der Medienbranche versprechen. Bis jetzt lag der Fokus vieler Werbetechnologien auf den indirekten Verkäufen, sogenannten «non-guaranteed Sales». Dabei werden meist Werbeplätze im Markt frei und in Echtzeit angeboten. Heute ist es möglich, dass auch «guaranteed Sales» programmatisch abgewickelt wird. Also die Kampagnen, bei denen ein Verkäufer einem Einkäufer über einen bestimmten Zeitraum eine festgelegte Anzahl an Impressions für eine Anzeige garantiert. Diese garantierten Verkäufe machen momentan den Löwenanteil des digitalen Werbemarkts aus. Allein in den USA läutet dieser Bereich mit 9 Milliarden US-Dollar eindeutig die nächste Phase in der Entwicklung der automatisierten Werbung ein. Käufer verlangen die garantierte Auslieferung ihrer Werbung und Verkäufer brauchen stabile Einnahmen. In vielerlei Hinsicht verspricht die Automatisierung sogar, die traditionell «guaranteed» gekauften Anzeigenplätze erheblich anzukurbeln, indem zum ersten Mal zusätzliche Daten zur Zielgruppendefinition einfliessen können, die bei Private Marketplaces bereits zum Einsatz kommen.
Die Automatisierung von Werbung beeinflusst den Einkauf und Verkauf von Werbung schon jetzt massgeblich. Ein Verständnis dieser Technologien ist demnach extrem wichtig, um die Veränderungen in der Medienbranche zu erkennen und effektiv zu nutzen.

*Über Rubicon Project
Rubicon Project (NYSE: RUBI) hat mit der Advertising Automation Cloud eines der grössten Real-Time-Cloud- und Big-Data-Systeme entwickelt. Die Mission der Firma ist es, den Kauf und Verkauf von Werbung zu automatisieren, indem sie weltweit Käufer und Verkäufer über innovative technische Produkte zusammenbringt. Weitere Informationen auf RubiconProject.com Twitter: @RubiconProject