von Carmen Epp

Wer ist heute noch «Charlie»?

Nach dem Angriff auf die Redaktion von «Charlie Hebdo» Anfang Jahr wurde sie einhellig heraufbeschworen, die Medienfreiheit – auch in der Schweiz. Elf Monate und zwei Beispiele später zeigt sich: Auch hierzulande ist noch einiges zu tun.

Das Medienjahr 2015 ist tragisch gestartet. Im Januar stürmten zwei Attentäter die Redaktion von «Charlie Hebdo» in Paris und rissen elf Personen mit in den Tod. Schnell war klar: Der Anschlag galt nicht allein dem Polit- und Satiremagazin, sondern der Medienfreiheit als solche. Aufgerüttelt durch das tragische Ereignis verbündete sich daraufhin scheinbar die halbe Welt im Kampf für die freie Rede, die Meinungs- und Medienfreiheit – ausgedrückt in drei Worten: Je suis Charlie!

Dieses Bekenntnis war zwar richtig und wichtig. Aber wie stand es zuvor um die Pressefreiheit in der Schweiz – und was würde bleiben von dieser einhelligen Bekundung? Diese Fragen stellte ich im Januar an dieser Stelle schon einmal. Nun, da sich das Medienjahr dem Ende zuneigt, ist es Zeit für eine Bilanz. Und die fällt – festgemacht an zwei Beispielen – durchzogen aus.

Wie hoch die Pressefreiheit hierzulande gehalten wird, konnte ich im Fall Walker selber erleben. Die «Rundschau» und daraufhin auch weitere Medien, darunter auch ich, überprüften die Urner Justiz und brachten so nach und nach Missstände zutage, die sonst im Verborgenen geblieben wären. Missstände, die nicht nur den Angeklagten Ignaz Walker als Einzelperson betrafen, sondern das Justizsystem als solches – und nicht zuletzt die Urner Staatskasse. Urjournalistische Arbeit also, gelebte Medienfreiheit.

Dass die Enthüllungen der Urner Justiz nicht gefallen würden, war absehbar und zu einem gewissen Grad auch verständlich. Statt sich der Kritik zu stellen, wurde aber auch hier immer wieder probiert, die Medienfreiheit – vor allem des Schweizer Fernsehens – zu beschneiden. So verlangte das Obergericht mehrfach von der «Rundschau», Akten herauszugeben und damit das Quellen- und Redaktionsgeheimnis zu brechen – zwei wichtige Elemente der Pressefreiheit.

Nicht nur lokale Richter oder Staatsanwälte haben manchmal so ihre Mühe mit der Medienfreiheit. Auch nationale Politiker halten sie oft nur so lange hoch, wie sie ihnen nicht unangenehm werden. Das hat zuletzt FDP-Nationalrätin Christa Markwalder bewiesen. Nachdem Markus Häfliger im Mai in der NZZ die Verbindungen diverser Vorstösse von Markwalder zu Kasachstan offenlegte, reagierte die Nationalratspräsidentin mehr als nur «not amused».

Sie forderte gegenüber Journalisten und der SDA, den Kasachstan-Skandal nicht mehr zu erwähnen. Und versuchte zuletzt gar bei der Wahl zum «Journalisten des Jahres», bei dem auch Häfliger zur Auswahl stand, Einfluss zu nehmen.

Der Versuch blieb glücklicherweise ohne Erfolg: Markus Häfliger wurde zum «Journalisten des Jahres 2015» gewählt. Gemäss der Zeitschrift «Schweizer Journalist», welche die Wahl jeweils veranstaltet, sei auch Roman Banholzer für seine Recherchen zum Fall Walker vorgeschlagen worden.

Damit haben zumindest die fast 2000 Journalisten, die an der Abstimmung teilnahmen, ein Votum für die Pressefreiheit abgegeben – allen Druckversuchen zum Trotz. Das stimmt mich zuversichtlich. Ebenfalls positiv zu werten ist der Entscheid des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zur Verwendung der versteckten Kamera eines «Kassensturz»-Beitrags. Ausserdem hat der Presserat im Frühjahr einen Passus im Journalistenkodex gestrichen, der die Veröffentlichung von Informationen, die durch unlautere Methoden erlangt wurden, verboten hatte.

Auf politischer Ebene ist in der Schweiz allerdings noch einiges zu tun. Noch immer steht in den eidgenössischen Räten ein Whistleblower-Gesetz zur Diskussion, das es Angestellten fast verunmöglicht, beobachtete Missstände in ihren Firmen den Medien zu melden. Und noch immer haben nicht alle Kantone ein Öffentlichkeitsgesetz.

Bleibt zu hoffen, dass der Geist von «Je suis Charlie!» trotz des tragischen Ursprungs auch im kommenden Jahr anhält.

Leserbeiträge

Spooky Red 30. Dezember 2015, 04:48

Inzwischen geht es der Urner Justiz nur noch darum, wie sie sabotieren kann, Ignaz Walker eine Millionen-Abfindung bezahlen zu müssen.

Heinrich Frei 06. Januar 2016, 21:25

Die Frage sei erlaubt: Stehen hinter all den Terroranschlägen im Westen, wirklich immer nur islamistische Terroristen? Rechtfertigen dies «islamistischen» Massaker die «christliche» Bombardierung des Iraks und Syriens, die jetzt wieder tausenden Zivilisten das Leben kosten und die Infrastruktur dieser Länder noch mehr zerstört?

Wenn den Toten des furchtbaren Charlie Hebdo Massakers vom 7. Januar 2015 die Treue gehalten werden soll, muss alles darangesetzt werden, abzuklären wer für dieses Massaker verantwortlich gewesen ist. Sofort war damals scheinbar klar: Es wären wieder islamistische Terroristen die zugeschlagen hatten, wie angeblich bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA (1) und wie beim London Bombing am 7. Juli 2005, bei den Anschlägen in der Metro und auf einen Bus in London (2). Wer Zweifel an der islamistischen Charlie Hebdo Täterschaft hegte, wurde sehr schnell diffamiert.

Der Journalist Gerhard Wisnewski stellte Fragen zu der islamistischen Täterschaft. Warum beging Helric Fredou, ein führender Ermittler der ersten Stunden beim «Charlie Hebdo»-Massakers, noch in der Nacht nach dem Anschlag Selbstmord? Nach Aussagen des Arztes litt Helric Fredou nicht unter Depressionen, wie anfänglich gesagt wurde. Warum hatten die vermummten Täter einen Personalausweis dabei und liessen ihn nach der Tat auch noch im Fluchtwagen liegen, und konnten so sofort identifiziert werden? Warum konnten die Mörder ihre Taten verüben, obwohl sie längst unter Beobachtung der Behörden standen? Gerhard Wisnewski dokumentierte seine Zweifel im Buch: „Die Wahrheit über das Attentat auf Charlie Hebdo“, Kopp Verlag, 29.04.2015

Interview über den Fall „Charlie Hebdo“ mit Gerhard Wisnewski:
https://www.youtube.com/watch?v=IknIwckDI1o

https://www.youtube.com/watch?v=K7T-40_0nAE

(1) In der Schweiz dokumentierte Andreas Bertram mit vielen Übersetzungen Fragen rund um 9/11, unter http://www.ae911truth.ch/

(2) Fragwürdige Aufklärung
Paul Schreyer 07.07.2010
Fünf Jahre nach den Londoner Anschlägen
http://www.heise.de/tp/artikel/32/32915/1.html
Paris, der Terror und die Übungen
Paul Schreyer 17.11.2015
http://www.heise.de/tp/artikel/46/46585/1.html