von Jens Mattern

Fernsehen unter der Fuchtel von «Kaczynskis Bullterrier»

Die polnische Regierungspartei PiS macht Ernst: Das öffentliche Radio und Fernsehen des 40-Millionen-Einwohner-Landes steht neu unter Staatskontrolle. Aber auch die privaten Medien kommen nicht ungeschoren davon. Ausländisches Eigentum soll eingeschränkt werden. Ringier Axel Springer, das in Polen unter anderem die regierungskritische Newsweek Polska herausgibt, sieht noch keinen Anlass zu Besorgnis.

«Wenn die Medien glauben, dass sie die nächsten Wochen damit füllen, unsere Veränderungen und Projekte zu kritisieren, so muss das unterbunden werden.» Das sagte jüngst der Fraktionschef der polnischen Regierungspartei «Recht und Gerechtigkeit» (PiS) Ryszard Terlecki. Dies war nur eine von zahlreichen Aussagen aus den Reihen der seit Mitte November allein regierenden Partei, welche die Polen und mittlerweile auch die internationale Öffentlichkeit aufschrecken liess – bei dem einstigen Musterknaben der osteuropäischen EU-Mitglieder, herrschen zunehmend undemokratische Verhältnisse. Die Europäische Kommission will darum über die Lage in Polen beraten, die EU plant nun sogar ein sogenanntes Rechtsstaatlichkeitsverfahren.

Parteichef Jaroslaw Kaczynski treibt jedenfalls einen rasanten nationalkonservativen Wandel im Land voran. Nachdem das Verfassungsgericht als kontrollierende Instanz per Gesetz geschwächt wurde, können nun andere Gesetzesnovellen aus der Ideenkiste der Partei an die Öffentlichkeit gelangen. So auch das sogenannte «kleine Mediengesetz» – es wurde noch kurz vor dem Glockenschlag zum Neuen Jahr von beiden Kammern des polnischen Parlaments verabschiedet. Am vergangenen Donnerstag setzte auch Staatspräsident Andrzej Duda seine Unterschrift darunter. Der Doktor der Rechte hat bislang noch alles unterschrieben, was ihm die PiS vorgelegt hat. Auch der Appell Ingrid Deltenre, der Generaldirektorin der Europäischen Rundfunkunion und früheren Schweizer Fernsehdirektorin, das Mediengesetz nicht zu unterzeichnen, um die «Integrität und Unabhängigkeit der öffentlichen Medien als Symbol eines freien und demokratischen Landes zu bewahren», hat Duda nicht beeindruckt.

Dem «kleinen Mediengesetz» zufolge kann von nun an das Schatzministerium die Führungsposten der öffentlich-rechtlichen Medien (dies sind der Fernsehsender «TVP», «Polskie Radio» sowie die polnische Presseagentur «PAP») nach eigenem Ermessen austauschen. Damit wurde der bisher zuständige Rundfunkrat entmachtet, der auch nicht mehr länger das Personal des Rundfunk-Aufsichtsrat besetzen darf.

Im Polskie Radio 1 wurde zum Protest an Neujahr jede Stunde die Nationalhymne gespielt, das beliebte Polskie Radio 3 sendete polnische Popsongs der frühen Achtziger Jahre mit politischen Anspielungen, eine deutliche Botschaft an die älteren Zuhörer. Damals befand sich das Land im Kriegszustand, nachdem die Kommunisten die freie Gewerkschaft Solidarność in die Illegalität gedrängt hatte.

Vier Direktoren des öffentlichen Fernsehens TVP kamen an Neujahr ihrem absehbaren Rausschmiss durch Kündigung zuvor. Was nicht weiter erstaunt: Das Fernsehen wird seit 8. Januar von Jacek Kurski geleitete. Der ehemalige Journalist, Europaabgeordnete und einstige Wahlkampfleiter der PiS ist nicht für lange Diskussionen bekannt. Er nannte sich selbst auch schon den «Bullterrier der Kaczynskis». Am Samstag 9. Januar demonstrierten in mehreren polnischen Städten Tausende für die Freiheit und Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien in Polen.

Die PiS und ihre Unterstützter bleiben derweil im Freund-Feind-Schema gefangen. Der mittlerweile rechts orientierte polnische Journalistenverband SDP warf der bisherigen Berichterstattung in den Öffentlich-Rechtlichen «Pathologie» «Einseitigkeit» und einen «Mangel an Pluralismus» vor.

Bei der Berichterstattung zum Wahlkampf im Oktober war dies nicht zu beobachten: Die Sender haben damals beiden grossen Parteien, der PiS und der noch regierenden «Bürgerplattform» (PO) in etwa gleich viel Platz eingeräumt. Doch der Wunsch nach Einfluss der PiS auf die öffentlich-rechtlichen Medien ist gross. Nach dem sogenannten kleinen wird nun noch ein grosses Mediengesetz folgen, das allerdings noch mit der EU Kommission konsultiert werden soll. Demnach werden die öffentlich-rechtlichen Medien in staatliche «Kulturinstitute» umgewandelt und direkt dem Ministerium für «Kultur und Nationales Erbe» unterstellt.

Aus den öffentlich-rechtlichen Medien würden dann «nationale» Medien, die im Namen der Nation sendeten und nicht mehr zuvorderst der Zivilgesellschaft verpflichtet wären. Der derzeitige Rundfunkrat und Rundfunkaufsichtsrat soll durch einen «Nationalen Medienrat» abgelöst werden, deren Mitglieder vom Parlament und dem Staatspräsidenten bestimmt werden und sechs Jahre im Amt sind.

Am vergangenen Dienstag wurde zudem Details zur ideologischen Ausrichtung bekannt gegeben. Die Programme müssten künftig «christliche Werte» achten, sowie «Patriotismus» ,»nationale Traditionen» und Humanismus vermitteln müssen. Das Recht soll bis zum Sommer in Kraft treten. Damit macht sich die Regierung die Medien zu einem Sprachrohr für weitere unpopuläre Gesetzesvorlagen, etwa die mögliche Entlassung von 1600 leitenden Personen im öffentlichen Dienst. Staatsmedien werden es auch unterlassen, die Umsetzung der sozialen Regierungsversprechen kritisch zu begleiten. Die Verschmelzung vom Willen des Volkes, der regierenden Partei und den Aussagen der staatlichen Medien führt direkt zurück in die Zeit der sozialistischen Volksrepublik Polen.

Aber auch nach der Wende versuchten die regierenden Parteien mit Besetzung des Rundfunkrates und des Aufsichtsrates für den Rundfunk Einfluss auf die Öffentlich-rechtlichen zu nehmen. Besonders die PiS hat sich hierfür schon immer stark engagiert. In ihrer Regierungsperiode 2005 bis 2007 koalierte sie mit der Rechtsaussen-Partei «Liga Polnischer Familien» sowie der Bauernpartei «Selbstverteidigung» und konnte mittels einer Gesetzesänderung 2006 den Rundfunkrat dominieren. Unter dem damaligen Intendanten Bronislaw Wildstein verliessen rund hundert Journalisten den Fernsehsender. In dieser Zeit wurden politische Gegner oder verstossene Weggefährten mittels heimlicher Aufnahmen, die zur besten Sendezeit gezeigt wurden, zu kompromittieren versucht.

Kritisch berichten in Polen weiterhin die private Mediengruppe TVN mit ihrem Nachrichtenkanal TVN2. Die Zeitung Gazeta Wyborcza gilt mit ihrer teils kampagnenhaften Berichterstattung als entschiedenste Gegnerin der Regierung, wie auch Newsweek Polska. Aber auch den Printmedien droht die Hand des Staates. Denn die PiS hat bereits eine «Repolonisierung» der Presse angekündigt, vor allem das deutsche Kapital sei zu dominant. Die PiS-Sprecherin Elzbieta Kruk kündigte kürzlich nebulös an, dass es Eigentümer geben werde, die Anteile verkaufen müssten. Manche sollten sich vielleicht auch ganz aus dem polnischen Markt zurückziehen

Ein Verschwinden der Newsweek Polska wäre der Regierung sicherlich genehm – denn dort wirkt mit Tomasz Lis ein entschiedener Regierungsgegner als Chefredakteur. Das Magazin gehört dem schweizerisch-deutschen Joint-Venture Ringier Axel Springer. Dort sieht man die aktuelle Entwicklung in Polen allgemein kritisch, doch macht man sich offiziell keine Existenzsorgen. «Wir sehen derzeit keine Entwicklung, die uns als privates Medienunternehmen bedrohen würde und vertrauen weiterhin auf den Rechtsrahmen der Europäischen Union», erklärte Sprecherin Alexandra Delvenakiotis auf Anfrage.