von Ronnie Grob

Mehr PR-Kritik, bitte!

Während sich die Medien- und Journalistenkritik im letzten Jahrzehnt eines Aufschwungs erfreuen konnte, wird die Arbeit hochbezahlter Kommunikationsstellen und -büros kaum je kritisiert. Das muss sich ändern. Gerade direkt und indirekt von Steuergeldern finanzierte PR-Leute benötigen mehr Kontrolle und Kritik durch die Öffentlichkeit. Ein Blick auf vier aktuelle Fälle aus der Praxis.

Es ist ein erfreuliches Novum. In den letzten Wochen gaben in den Medien gleich mehrere Fälle aus der Kommunikationsbranche zu reden:

Die Kommunikationsberatung von Johann Schneider-Ammann
«Vorgeführt!» worden sei Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann von seinen Kommunikationsleuten, lautete das Urteil von Peter Hossli im Sonntags-Blick. «Komplett versagt» gar habe die Kommunikation in diesem Fall, fand Peter Rothenbühler. In der Kritik, den Wirtschaftsminister mit einem Video zum Tag der Kranken in eine lächerliche Situation gebracht zu haben, steht vor allem Noé Blancpain, Informationschef des Kommunikationsdiensts des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF). Zum Team von Blancpain gehören die beiden langjährigen Pressesprecher Evelyn Kobelt und Erik Reumann sowie die Ex-Journalistin Irène Harnischberg, die bis 2014 als Ringier-Politikredaktorin gearbeitet hatte. In der Kommunikationsberatung brauche es «eine solide Vorbereitung und ehrliche Feedbacks», findet etwa Politikberater Mark Balsiger – beim Videodreh zum Tag der Kranken scheint das nicht stattgefunden zu haben. Wer glaubte, dass sich die WBF-Kommunikationsleute wenigstens im Nachhinein ihrer Verantwortung stellen, sah sich getäuscht. «Wir hätten strenger sein sollen», verlautbarten sie, als wäre der Minister ein ungezogener Schüler. Bundesrat Schneider-Ammann hatte auch vorher schon keine glückliche Hand bei der Auswahl seines Kommunikations- und Beraterstabs. Sein früherer Sprecher Ruedi Christen kam bereits angeschlagen wegen seines Verhaltens in der Affäre um Botschafter Thomas Borer. Bei Schneider-Ammann agierte er glücklos und musste gehen.

Hirzel Neef Schmid Konsulenten
Das «Public Affairs Konzept 2016», ausgeheckt von der PR-Firma für den Stromkonzern Alpiq, empörte nach einem Bericht von Dominik Feusi in der Basler Zeitung viele: Um politischen Druck zu erzeugen, soll der finanziell angeschlagene Konzern als «too big to fail» dargestellt werden und so entweder verstaatlicht oder stark subventioniert werden. Via Verbände sollen Forschungsaufträge an ETH, EPFL, HSG und Juristen erteilt und finanziert werden, deren Stossrichtung dann auf Nachfrage durch die Alpiq selbst bestätigt werden soll. Die Medien sollen die Rolle von «Supportern» spielen, die «Politiker als Helden ins Zentrum stellen». Autor des Papiers ist der Lobbyist Dominique Reber. Einen Bericht der SRF-Tagesschau dazu kommentierte die Agentur mit den Worten: «Kleine Neider beleben das Leben. Wer das Papier wirklich liest, weiss dass wir richtig gehandelt haben». Nachtrag, 14. März 2016, 16 Uhr: Nachdem auch Watson.ch zu diesem Facebook-Eintrag etwas schrieb, machte die Agentur Krisenkommunikation in eigener Sache – und nahm gleich die komplette eigene Facebook-Seite offline.

Die Kommunikation von itsystems AG, Namics und DTI
Nach dem millionenteuren Relaunch von Parlament.ch – ein gemäss Medienmitteilung «wegweisendes Projekt der Parlamentsdienste unter der Federführung des IT- Dienstleisters itsystems AG in Zusammenarbeit mit Namics und DTI» – ärgerten sich Politiker, Journalisten und Bürger über Unzulänglichkeiten der Website und über tote Links, die MEDIENWOCHE berichtete zuerst. Während die Parlamentsdienste zeitnah, transparent und in der gebotenen Ausführlichkeit informierten, schwiegen die Firmen, die den Auftrag ausführten. Und das, obwohl sie ihre Mitarbeit am Relaunch in veröffentlichten Medienmitteilungen priesen und natürlich auch Kontaktpersonen nannten für Medienanfragen. Sebastian Pastuschek von Namics antwortete auf die Anfrage der MEDIENWOCHE, er werde Feedback einholen und sich wieder melden. André Heymann von IT Systems schrieb lediglich zurück, er habe die Anfrage an die Parlamentsdienste weitergeleitet. Beide meldeten sich nicht wieder.

Die Ringier-Kommunikationsabteilung
Der Blick.ch-Artikel «‹Steuererleichterungen gehen zu wenig weit›: Kanton Zürich vergrault Start-ups» ist nicht mehr verfügbar, er wurde gelöscht. Weshalb? Barnaby Skinner von der «Sonntagszeitung» schreibt, Ringier-CEO Marc Walder habe der Chefredaktion ein SMS geschrieben: «Der Artikel müsse weg.» Skinners Erkundigungen bei Ringier ergaben dieses Resultat: «Die Redaktion wollte keine Stellung nehmen und verwies an die Medienstelle. Diese gab an, der Ringier-CEO habe Besseres zu tun, als sich um ‹Blick›-Artikel zu kümmern.» Wer den zweiten Satz genau liest, merkt sofort, dass das gar kein Dementi ist, sondern eine allgemeingültige, vage Aussage, die sich auf alles Mögliche beziehen könnte. Eine erneute Nachfrage an die Ringier-Medienstelle mit der Bitte um die Aufklärung der Sachlage zum SMS von Walder blieb unbeantwortet.

Fazit
«Keine Gegendarstellung von der Wissenschaft oder von Medienschaffenden, dass sie sich nicht derart instrumentalisieren lassen, kein Aufschrei von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, dass sie als Marionetten der Spin-Doktoren vorgeführt werden», notiert Andreas Von Gunten in einem Blogbeitrag zum Alpiq-Strategiepapier. Er fordert, «dass wir eine Debatte über die ethischen Grundlagen der politischen Öffentlichkeitsarbeit führen, denn offenbar scheinen sich die Medienschaffenden, die Volksvertreter und die Wissenschafter bereits daran gewöhnt zu haben, dass die Politik so funktioniert. Keine Empörung weit und breit.»

Man kann da Von Gunten nur beipflichten. Wer unter den Journalisten ein echtes Interesse hat an einer kritischen Öffentlichkeit, muss die bezahlte Öffentlichkeitsarbeit demaskieren – gerade dann, wenn es auch um Steuergelder des Bürgers geht. Dass Journalisten im Dienste der Wahrheit immer schlechter bezahlt werden und immer genauer unter die Lupe genommen werden, ist ein Fakt. Aber muss es denn sein, dass Kommunikationsarbeiter immer besser bezahlt werden, ihre teilweise die Öffentlichkeit täuschende und manipulierende Arbeit jedoch von der Öffentlichkeit unbeachtet bleibt?

Leserbeiträge

Traumschau 19. März 2016, 22:53

Erst kommt das Fressen, dann die Doppelmoral! Wenn so viele Menschen diesem System zuarbeiten – aus welchen Gründen auch immer – und ihr Handeln nie reflektieren, sehe ich wenig Chancen, aus der „Nummer“ friedlich heraus zu kommen. Das wird noch ganz bitter …