von Antonio Fumagalli

Mehr Angriff, bitte!

Sportler-Interviews sind am Schweizer Fernsehen oft sehr dröge. Das Publikum hat sich daran gewöhnt und geisselt den Reporter, der mal etwas griffiger zur Sache geht, sogleich als Spielverderber. Dass es auch anders geht, zeigen die Sportmagazine von ARD und ZDF.

Wenn alles, was zuvor gespielt wurde, nichts mehr zählt, dann ist im Schweizer Eishockey Playoff-Zeit. Da fliegen die Fäuste eher mal, da sind die Stadien voller, da sind mehr Emotionen im Spiel. Das gilt auf, aber auch neben dem Eisfeld – zum Beispiel im Umgang der (mehr oder minder) Beteiligten gegenüber den Medien.

Letzte Woche haben wir gleich mehrere schöne Müsterchen erleben dürfen: Am meisten zu reden gab das Interview von Patent-Ochsner-Frontmann Büne Huber mit dem Bezahlsender Teleclub. Es geniesst schon kurz nach der Veröffentlichung Kultstatus. Die Reporter-Leistung beschränkte sich allerdings auf das Glück, den Gesprächspartner im Moment einer akuten Mitteilungsbedürftigkeit vor das Mikrofon gekriegt zu haben und ihm dieses dann fünf Minuten lang gerade hinhalten zu können.

Journalistisch schon interessanter war hingegen ein Interview von Schweizer Fernsehen SRF während Spiel drei der Play-Off-Finalserie zwischen dem HC Lugano und dem SC Bern. Unmittelbar nach Ende der regulären Spielzeit und vor Beginn der Verlängerung knöpfte sich der Reporter Damien Brunner vor. Dem Lugano-Spieler glitt kurz zuvor nach einer gegnerischen Attacke vor dem Tor der Stock aus der Hand. Penalty oder Schwalbe? Brunner fällt dem Sportjournalisten sofort ins Wort, als dieser ihn bittet, die strittige Szene nochmals gemeinsam anzuschauen. Doch der Fernsehmann lässt sich glücklicherweise nicht mit der Aussage «Es ist Foul» abspeisen, sondern hakt nach und weist den Spieler zweimal darauf hin, dass er den Stock etwas gar leicht fallen liess. Zuviel für Brunner: Er schmeisst dem Reporter «Wetsch mi verarsche?» an den Kopf und läuft davon.

Der SRF-Journalist musste sich in der Folge auf den sozialen Medien, aber auch in den Kommmentarspalten der Onlineportale einiges anhören. Sein Vorgehen sei unprofessionell gewesen, die Fragen unsportlich, ihm sei es nur darum gegangen, eine spektakuläre Antwort herauszukitzeln, ja er sei gar untragbar am Eisrand. Der Tenor war klar gegen ihn. Ein Teil des Publikums hat sich offensichtlich an die Wohlfühl- und Weichspühlwortwechsel am Spielfeldrand gewöhnt und verwechselt das mit Journalismus.

Nicht nur, aber auch gerade darum braucht es umso mehr solcher provokativer Interviews in der Schweizer Sportwelt! Viel zu oft müssen wir uns brave Fragen à la «Erzählen Sie von Ihren Emotionen», «Was geht Ihnen durch den Kopf?», «Warum hat der Plan nicht funktioniert?» anhören. Dass darauf keine substanzielle Replik kommt, liegt auf der Hand – wie die Frage, so die Antwort.

Die Spieler und Trainer fühlen sich so nicht aus den Reserven gelockt und kriegen eine dankbare Plattform, um ihre mit Kommunikationsprofis einstudierten Standardsätze runterzurattern. Sie unterscheiden sich in der Regel nur in Nuancen. Bestes Beispiel dafür sind die Schweizer Fussballnationalspieler. Was da jeweils an «Analyse» über den Sender läuft, ermuntert zum sofortigen Weiterzappen. Würde man das Gesicht verdecken und die Stimme verfälschen, man könnte einen Shaqiri kaum von einem Lichtsteiner oder einem Seferovic unterscheiden.

Ein wichtiger Grund für die uniformen und unpersönlichen Aussagen liegt in der Professionalisierung der Sportkommunikation – und ja, nicht jeder Fussballer bringt gleich viel rhetorisches wie sportliches Talent mit. Aber es ist auch die Interviewtechnik der Journalisten. Dabei würde es nur schon helfen, wenn die Sportreporter statt einer Frage einfach mal eine – wenn möglich provokative – Aussage in den Raum stellen würden. Wohl würde es vermehrt zu Eklats wie unlängst mit Damien Brunner kommen, aber sowohl Unterhaltungswert als auch Erkenntnisgewinn würden mit Sicherheit gesteigert. Und diskreditieren sich Sportler nicht selbst, wenn sie einfach das Gespräch abbrechen? Auf lange Sicht können sie sich das nicht leisten.

Dass es auch anders geht, sieht man in Deutschland. Mag sein, dass da auch Mentalitätsunterschiede mitspielen, aber die Kollegen etwa bei der Sportschau auf ARD oder dem aktuellen Sportstudio auf ZDF schaffen es immer wieder, den Sportlern mit angriffiger Fragetechnik überraschende, pointierte und deshalb auch spannende Aussagen zu entlocken. Es kommt vor, dass die anschliessende Interviewrunde packender ist als das vorhergehende Bundesligaspiel – was bei der Qualität des deutschen Fussballs etwas heissen will.

Leserbeiträge

Frank Hofmann 11. April 2016, 18:32

Der Autor hat wenig Ahnung von Eishockey, sonst würde er das „Nachhaken“ des Reporters als einfältiges Insistieren einstufen. Der beidhändige Stockschlag des Berners auf die Hände von Brunner war so eindeutig, dass es überhaupt keine Rolle spielt, wie und wann der Stock aufs Eis fiel. Dieser Reporter war wirklich zum Davonlaufen. Die Schiedsrichter zu kritisieren, braucht ein Minimum an Rückgrat, insbesondere wenn man fürs Staats-TV arbeitet.