von Ronnie Grob

Wenn Journalisten am eigenen Ast sägen

Medien beklagen sich regelmässig und völlig zurecht über die Kommunikationsverhinderung durch Verwaltung und Behörden. Nur: Das Know-How der Staatsangestellten stammt mehrheitlich von praktizierenden und ehemaligen Journalistinnen und Journalisten, welche die Gegenseite schulen. Wie die Recherche zeigt, ist das ein florierendes Geschäft.

Ist es berufsethisch vertretbar, wenn Journalisten neben ihrer Hauptbeschäftigung Staatsangestellte trainieren, damit sie gegenüber den kritischen Fragen der Medien besser dastehen? Kein Problem, findet zum Beispiel Eva Novak, die Leiterin der Bundeshausredaktionen der Neuen Luzerner Zeitung und der Zentralschweiz am Sonntag. 2013 und 2014 liess sie sich vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) für zwei Medienseminare sowie einen Grundkurs Medienarbeit bezahlen (die MEDIENWOCHE berichtete). Das Ziel der Kurse war es, mit Kamera- und Interview-Trainings die Kommunikations- und Auftrittskompetenz der Verwaltungsangestellten zu verbessern sowie deren Verständnis für die Arbeitsweise und Bedürfnisse von Medienschaffenden zu fördern.

Kein Problem, findet auch ihr langjähriger Chef, der per Ende April zurückgetretene NLZ-Chefredaktor Thomas Bornhauser. Er wies auf die 80-Prozent-Teilzeitarbeit seiner Kadermitarbeiterin hin: «Frau Novak arbeitet bei uns als redaktionelle Teilzeitangestellte. Sie ist damit arbeitsrechtlich grundsätzlich frei in der Gestaltung ihrer weiteren beruflichen Tätigkeiten, soweit diese die Interessen ihres Arbeitgebers LZ Medien nicht tangieren.» Kein Problem, findet auch EDA-Sprecher Georg Farago: «Wir wollen betonen, dass Journalistinnen und Journalisten, die solche Mandate übernehmen, keinesfalls ihre Unabhängigkeit und Kritikfähigkeit gegenüber dem EDA oder der Bundesverwaltung verlieren. Weder verlangt das EDA von Ihnen Wohlwollen in der Berichterstattung noch erwartet es diese indirekt.»

Aber ist es wirklich kein Problem? Novak unterstützt die Verwaltung, die sie mit den Fragen der Öffentlichkeit konfrontieren sollte, darin, sich geschickter diesen Fragen zu widersetzen. Kann journalistisch glaubwürdig bleiben, wer der Gegenseite beibringt, wie man die Anfragen der eigenen Zunft am Besten ins Leere laufen lässt? Können die Leser von der NLZ und der ZaS kritischen Journalismus über die Behörden erwarten, wenn die Bundeshauschefin einen Teil ihres Einkommens von ihnen finanzieren lässt? Sehen die Journalisten in der Vereinigung der Bundeshaus-Journalisten (VBJ), der Novak als Präsidentin vorsteht, in ihr weiterhin eine Vertreterin der eigenen Interessen gegenüber der Bundesverwaltung? Und wenn diese Tätigkeiten so problemlos und unverfänglich sind, wie sie dargestellt werden, warum gibt es nur sehr wenige Journalisten, die mit dem Thema offen umgehen? Einer der wenigen ist Jacques Briod, der auf seiner Website jbcomm.ch Journalismus, Kommunikation, Beratung und Medientraining anbietet – als gäbe es keinen grundlegenden Unterschied zwischen journalistischen und werblichen Tätigkeiten. 2012 schulte er zusammen mit der ehemaligen Radio- und Fernsehjournalistin Elisabeth Weyermann das Bundesamt für Polizei fedpol – das EJPD verbuchte den Betrag von 22’872 Franken.

Neben Novak war auch der Verantwortliche der Bundeshausredaktion der Tageszeitung «Le Temps», Bernard Wuthrich, für die Behörden tätig. 2013 erklärte er für 1000 Franken Honorar Mitarbeitern des BFS, was ein Journalist von einer Medienmitteilung erwartet. Ausserdem führte er für das EDA an fünf halben Tagen einen jeweils mit 700 Franken vergüteten Grundkurs Medienarbeit durch. Er wäre, so schreibt er auf Anfrage, für seinen Aufwand gerne nur mit einer Schachtel Pralinen oder einer Flasche Wein kompensiert worden, aber das sei leider nicht Usus bei der Bundesverwaltung: «Mein Ziel war, die Kursteilnehmer zu ermutigen, Fragen von Journalisten zu beantworten und nicht zu verweigern. Diese Engagements wurden im Einvernehmen mit meiner Chefredaktion durchgeführt und haben immer ein einziges Ziel verfolgt: die Interessen der Journalisten zu verteidigen.»

Jürg Rüttimann vom Tages-Anzeiger war 2013 Leiter der Wirtschaftsredaktion bei der SDA. Für 4500 Franken brutto unterrichtete er drei Kurstage über Medienarbeit und schulte Fachmitarbeiter des Bundesamts für Kultur (BAK) im Verfassen von Medienmitteilungen. Einen Interessenskonflikt mit seiner Arbeit als Journalist sieht Rüttimann deshalb keinen, weil die Behördenmitarbeiter in einem anderen Bereich tätig waren als er (Kultur statt Wirtschaft) – wäre das anders gewesen, hätte er das Angebot abgelehnt. Vermittelt wurde er über einen Bekannten eines Bekannten, weil noch deutschsprachige Kursleiter gesucht wurden. Im Budget des BAK tauchen die Kurstage mit 9000 Franken auf, verrechnet an die Weiterbildungsstelle der Universität Fribourg.

Das SRF hat die Problematik von Medientrainings durch Journalisten erkannt und gehandelt. Seit einem Geschäftsleitungsentscheid im Sommer 2012 dürfen SRF-Mitarbeiter keine Medientrainings mehr anbieten. Im entsprechenden Reglement heisst es: «Eine Tätigkeit als Medientrainer/in (Training von Interviews, Medienauftritten, Tipps für Medienarbeit) ist für Mitarbeitende von SRF aus Glaubwürdigkeitsgründen problematisch und mit ihrer beruflichen Funktion grundsätzlich nicht zu vereinbaren.» Der inzwischen pensionierte SRF-Journalist Thomas Kropf führte im Auftrag des MAZ ab 2012 jedes Jahr Kurse für Personen aus dem EJPD durch – das Departement listet einen Betrag von 14’000 Franken auf. Keine Medientrainings, vielmehr schulte Kropf EJPD-Juristen in einer regelmässig stattfindenden Schreibwerkstatt, die zu besser verständlichen Manuskripten für Reden von Bundesrätin Sommaruga führen sollte. Problematisch findet er das aus mehreren Gründen nicht: die Kursteilnehmer waren nicht im Kontakt mit Journalisten, er selbst hatte als Radio-Nachrichtenredaktor keinen Kontakt zu den Kursteilnehmern und vermittelt wurde nicht, wie man sich gegenüber Journalisten verhält, sondern nur die Erstellung eines verständlichen Redetextes. SRF-Mediensprecherin Andrea Wenger bestätigt seine Tätigkeiten für die Behörden: «Thomas Kropf war bis 2015 Teilzeit bei SRF in der Ausbildung und in der Chefredaktion Radio tätig und durfte damit Nebenbeschäftigungen nachgehen.»

Viele der Staatsbediensteten-Trainer sind ehemalige Journalisten: Noch letztes Jahr bildeten Christian Müller und Andreas Stutz die Chefredaktion der Zürcher Oberland Medien (ZOB) und verantworteten die Tageszeitungen «Zürcher Oberländer» und «Anzeiger von Uster». Jetzt sitzen sie in einer Villa in Uster und bieten speziell auf Behörden und Organisationen zugeschnittene Medientrainings an. Zum Pauschalpreis von 4400 Franken können staatliche Stellen bei der Dimedio GmbH für maximal 12 Personen ein Tagesseminar inklusive Vorbesprechung, Kursunterlagen und Zertifikat buchen. Daniel Deicher (Ex-Sonntagsblick) und Simon Kopp (Ex-SRF) im luzernischen Buchrain werben damit, besonders praxisnah zu sein: «Deicher | Kopp Kommunikation arbeitet mit Fallbeispielen aus dem Umfeld Ihrer Organisation oder mit realen Medienmitteilungen und Kampagnen.» Die metacom GmbH in Aarau wird geführt vom ehemaligen Kriegsreporter Beat Krättli und von der Ex-Videojournalistin Anna Muser und beschäftigt auch SRF-Journalisten, wie die SRF-Mediensprecherin auf Anfrage bestätigt: «Henriette Engbersen arbeitet 60 Prozent als Journalistin für die Tagesschau und darf damit Nebenbeschäftigungen nachgehen. Dasselbe gilt für Thomas Pressmann, der 80 Prozent für das Regionaljournal Bern, Freiburg, Wallis tätig ist. Beide gehen einer Nebenbeschäftigung in Nachdiplom- und Diplomstudiengängen in Krisenkommunikation nach. Die SRF-Journalisten unterstützen dort die Übungsleitung während Krisensimulationen. Hierbei geht es primär darum, den Studierenden aufzuzeigen, wie die Medien arbeiten und welche Bedürfnisse sie haben.» Für Dimedio, Deicher/Kopp und Metacom verbuchte das Staatssekretariat für Migration SEM im Zeitraum von 2013 bis 2015 62’800 Franken. Der Gesamtbetrag aller Medientrainings für den Staat ist natürlich viel höher, kann aber nicht offiziell beziffert werden.

Aufgrund der Integration der Medientrainingskurse der Zollverwaltung in das Kursangebot des Ausbildungszentrums der Bundesverwaltung (AZB) musste das Eidgenössische Personalamt (EPA) Ende März erstmals eine Ausschreibung auf Simap.ch publizieren (Projekt-ID 138216), denn der im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen Art. 6b festgesetzte Schwellenwert von 230’000 Franken für Dienstleistungen wurde überschritten. Wie im Aufgabenbeschrieb der Ausschreibung ersichtlich ist, geht es bei den (allen Mitarbeitern der Bundesverwaltung offenstehenden) Medientrainings um das Erlernen des Umgangs mit Journalisten: «Die Kurse zum Umgang mit Medien bereiten Mitarbeitende und Kader auf die Kommunikation mit den Medien in unterschiedlichen Situationen vor.» Wichtig scheint die Pflege des Images der Bundesangestellten zu sein: «Der professionelle Auftritt der Mitarbeitenden der Bundesverwaltung vor den Medien beinhaltet immer auch die Komponente der Imagepflege der Bundesverwaltung.» Noch bis zum 13. Mai 2016 können sich Medientrainer bewerben, die dem Anforderungsprofil entsprechen – darunter werden natürlich auch Journalisten sein. Das EPA rechnet von 2017 bis 2024 mit 144 Kurstagen auf Deutsch und 48 Kurstagen auf Französisch. Rechnet man mit dem Behördentraining-Tagessatz der Dimedio von 4400 Franken, so wären es rund 120’000 Franken pro Jahr, die das EPA einsetzen will, um Journalisten zu verstehen und um den eigenen Glanz zu pflegen.

Anders als beispielsweise in Deutschland, wo sich renommierte Journalistenschulen klar von der PR abgrenzen, wird Journalismus und PR in der Schweiz bereits in der Ausbildung vermischt. Im Institut für angewandte Medienwissenschaften IAM in Winterthur studieren künftige Journalisten und PR-Leute im modular aufgebauten Studium «Bachelor Kommunikation» Seite an Seite. Bereits hier werden Beziehungen aufgebaut, die danach für den kritischen Journalismus zum Problem werden können. Denn welcher Journalist möchte schon einem netten ehemaligen Schulkamerad mit einer Story ein grosses Problem einhandeln? Im PR-Sprech auf der Website des IAM klingt das freilich anders: «In der Ausbildung trainieren Sie von Anfang an, die Perspektiven nicht zu vermischen, sondern einander entgegen zu setzen und im Verlauf des Studiums zu profilieren.» Die Journalistenschule MAZ führt regelmässig Medientrainings durch und unterrichtet dabei auch Behörden. Die Kursleiter werden aus einem Pool von Medientrainern ausgewählt, die nach Angaben des MAZ allesamt keine aktive Journalistenfunktion inne haben. Umsätze gibt das MAZ keine bekannt, aber die «Kunden Kommunikation | Rhetorik» sind im Jahresbericht nachzulesen. 2015 waren zum Beispiel dabei: die Eidgenössischen Departemente EDA, WBF, VBS, EFD, die Bundesämter BLV, BBL, BFE, BAG, BSV, BFS, BAV, BABS, ARE, Baspo, Bafu, Astra, Swisstopo, Armasuisse, die Finma, Präsenz Schweiz, die Zollverwaltung. Weiter aufgeführt sind sechs Universitäten, fünf Stadtverwaltungen, fünf IV-Stellen, vier Gemeindeverwaltungen, vier Kantonspolizeien, zwei Stadtpolizeien, zwei Fachstellen. Und selbst die Medien brauchen Medientrainings: Die SRG ist genau so unter den Kunden wie die NZZ, die AZ Medien AG oder die BauernZeitung. Insgesamt nahm das MAZ 4,8 Millionen Franken netto durch Kursgelder ein; die Abteilung Kommunikation erwirtschaftete dabei erstmals mehr Umsatz als die Abteilung Journalismus.

Der Text erschien zuerst in gekürzter Form in der Zeitschrift «Schweizer Journalist».

Leserbeiträge

Mark Balsiger 09. Mai 2016, 10:48

Der Vorwurf an das IAM in Winterthur, Journalismus und Unternehmenskommunikation zu vermischen, ist so alt wie die Schule selber. Ich halte ihn für überholt. Die allermeisten (ehemaligen) IAM-Studierenden, mit denen ich ich den letzten Jahren darüber gesprochen habe, stützen „Die-anderen-sind-DER-Feind“-Rhetorik nicht.

Der Ansatz, die Ausbildung zur Journalistin bzw. zum Berufskommunikator müsse komplett autark geschehen, ist weltfremd. Auch anderswo gab und gibt es immer wieder menschliche Nähe zwischen den beiden Berufsgruppen: an Seminaren der Uni, im Volleyballclub, in den Bars, in denen sich Journis und PR-Fuzzis gemeinsam die Lampe füllen usw. Die Realität ist, dass man sich nach ein paar Jahren in diesen „Bubbles“ ohnehin kennt.

Im Gegensatz zum Autor dieses Beitrags habe ich Vertrauen in (junge) Journalisten, die ihre Themen neugierig und unvoreingenommen angehen. Sie sind befähigt, eine klare Grenze zu ziehen. Es spielt in ihrem Berufsverständnis keine Rolle, ob sie die angeblich so phösen PR-Leute auf der anderen Seite persönlich kennen, sei es seit dem IAM, den Zeiten im Sportclub oder dem letzten gemeinsamen Abend mit viel Alkoholika.

Ronnie Grob 09. Mai 2016, 10:59

Deine Meinung sei Dir unbenommen, Mark. Wie alle Berufskommunikatoren profitierst Du von einer möglichst engen Beziehung zu Journalisten. Journalisten, finde ich, sollten das anders sehen, und, jedenfalls in den entscheidenden Fragen, auf Distanz gehen. «Eine klare Grenze zu ziehen» ist meines Erachtens auch vielen Journalisten nicht möglich. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige von ihnen Rücksicht nehmen auf gute und enge Beziehungen, wenn es hart auf hart kommt.

Wie siehst Du eigentlich den Hauptteil des Artikels? Dass sich Bundeshausjournalisten in führender Position vom Staat bezahlen lassen?

Hans Meier 11. Mai 2016, 19:35

Man sollte bei der aktuellen Diskussion grundsätzlich folgendes Bedenken:
Es wäre kein Krieg möglich ohne die Hochfinanz und deren Medien und ohne die korrupten Politiker mit ihren Verwaltungen. Wenn nur Einer der vier genannten Parteien seine Mitwirkung versagen würde, wären die Kriege des 20. und 21. Jhd. mit den mehr als 200 Millionen Toten unmöglich gewesen. Ich denke, es ist klar, was wir von Journalisten zu halten haben.
Es gibt für ihre Mitwirkung keine Entschuldigung, wenn sie sich nicht trauen, die Wahrheit zu berichten, wäre es für die Menschheit besser, sie würden ihren Beruf an den Nagel hängen, denn dann würde zumindest das Volk nicht mit Propaganda zum Krieg aufgehetzt werden!

Peter Graf 13. Mai 2016, 16:18

Sollen also die Behördensprecher die Kommunikationslaien der Nation bleiben, während die Wirtschaft sich von eben solchen Journalisten und Journalistinnen wesentlich besser zahlend professionalisieren lässt? Davon ist leider in ihrem Artikel nichts zu lesen. Dabei wäre mehr Transparenz im globalisierten Wirtschaftsgeschehen mindestens so wichtig und politisch ebenso relevant wie die Auskunftspraxis der Behörden.
Peter Graf, pensionierter Journalist und ehemaliger Behördensprecher