von Nick Lüthi

Der Arm des Anstosses

Hat das Schweizer Fernsehen ein Tattoo-Problem? Natürlich nicht. Einen anderen Eindruck könnte indes gewinnen, wer sich die Reaktionen auf eine eigentlich ganz harmlose Kolumne ansieht, wo ein älterer Herr sein Missfallen über den Körperschmuck einer TV-Moderatorin äusserte.

Als «TV-Kritik» rubriziert und in einer Fachpublikation veröffentlich, gewinnt das individuelle Geschmacksurteil schnell an Gewicht und Bedeutung. Dabei ist solche Kritik ein ganz banaler und alltäglicher Vorgang. Wer fernsieht, wertet und bewertet dauernd, hegt Sympathie und Abneigung gegenüber Figuren und Charakteren, findet Sendungen gut oder schlecht – einfach so.

Vieles vermag den Sehgenuss zu verdriessen: die Gesichtsbehaarung des Nachrichtensprechers, die penetranten Kalauer des Moderators oder eben auch: gut sichtbare Tätowierungen einer Journalistin. Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Was den einen ein Graus ist, registrieren andere nicht einmal. So unterschiedlich sind die Geschmäcker.

Das zeigen auch die Reaktionen auf den Auftritt einer Moderatorin des Schweizer Fernsehens, die mit einem tätowierten Arm das Mikrofon einem Bundesrat entgegenstreckte. Eine Mehrheit hält den Auftritt für völlig unproblematisch, eine laute Minderheit dagegen für unziemlich und vom Gespräch mit dem Magistraten ablenkend.

Anders als für den journalistischen Auftritt gibt es für Äusserlichkeitnen wie Kleidung und Schmuck keinen verbindlichen Kodex. Der «gute Geschmack» hilft hier auch nicht weiter. Und das vermeintliche Argument, dass zu offensiv zur Schau gestellter Körperschmuck vom Inhalte ablenke, trifft zumindest im vorliegenden Fall nicht zu. Handelte sich doch um ein People-Magazin, das an einem People-Anlass zugegen war. Und dort gilt das Motto: Sehen und gesehen werden.