von Nick Lüthi

Die kleinen Lokalen sind die grossen Unbekannten

Dem Lokaljournalismus geht es ausgezeichnet. Unabhängige Verlage versorgen Bürgerinnen und Bürger mit recherchierten und relevanten Nachrichten. Das ist kein Wunschbild, sondern in vielen Regionen der Schweiz weiterhin die Realität. Die MEDIENWOCHE stellt in loser Folge Lokalzeitungen vor, die in der medienpolitischen Diskussion gerne vergessen gehen.

Mit solchen Eckwerten gehört man gemeinhin zu einer besonders bedrohten Art: kleine Auflage, personell schwach dotiert, ein Layout, das bestenfalls als zweckmässig durchgeht und von einer Internet-Strategie so weit entfernt wie von der nächsten Grossstadt. Doch der Schein trügt. Lokalzeitungen, wie sie in fast jeder Region der Deutschschweiz erscheinen, stehen ungleich stabiler da als ihre grösseren Geschwister in den Städten, die sich seit Jahren schon von Sparübung zu Sparübung hangeln und oft nur noch dank Zusammenschlüssen und Kooperationen als eigenständige Titel existieren.

Das Erfolgsrezept dieser Blätter aus Andelfingen, Frutigen oder Willisau besteht massgeblich aus zwei Komponenten: Geografie und Unabhängigkeit. In relativ klar abgegrenzten Einzugsgebieten sind die Zeitungen, die oft zwei oder dreimal pro Woche erscheinen, die einzige Quelle, die kontinuierlich und verlässlich über das Geschehen vor der Haustür informiert. Von einer Monopolstellung profitieren sie nur insofern, als dass die Konkurrenz der grösseren Regionalzeitungen nur punktuell in die Niederungen des Hyperlokalen eintauchen können, weil sie viel grössere Verbreitungsgebiete abdecken und gar nicht (mehr) über die Ressourcen verfügen, jeder Dorfgeschichte nachzugehen.

Mit ihrer Nähe zu den Akteuren und ihrer Leserschaft leisten diese Lokalzeitungen einen essenziellen Beitrag für ein funktionierendes Gemeinwesen, indem sie kommunale Entscheidungsträger für ihr Handeln verantwortlich machen und als Chronist das lokale Geschehen dokumentieren. Solch elementare journalistische Aufgaben erfüllen praktisch flächendeckend in der ganzen Schweiz Dutzende unabhängiger Verlage und das oft schon seit hundert und mehr Jahren.

Umso erstaunlicher, dass diese Gattung in der medienpolitischen Diskussion keine Rolle spielt. Zwar liest man in regelmässigen Abständen Lamenti über den Niedergang des Lokaljournalismus. Aber in diesen Abgesängen und Warnrufen steht nie etwas von den Leistungen der lokalsten aller Lokalmedien. Und auch die Wissenschaft lässt sie links liegen. Vermutlich sähe das oft gezeichnete Szenario vom Niedergag des (Lokal)journalismus etwas weniger düster aus, wenn die Leistungen der lokalen und regionalen Wochen- und Zweimal-die-Woche-Blättchen in eine Gesamtschau eingerechnet würden.

Um diese offene Frage besser beantworten zu können, wird die MEDIENWOCHE von nun an in loser Folge unabhängige Lokalzeitungen aus der Schweiz näher vorstellen. Den Anfang macht ein Titel, der auch schon ausserhalb seines Wirkungskreises von sich reden gemacht hat. Der Willisauer Bote gilt gemeinhin als Prototyp dieser verkannten Gattung. Mit seinem Journalismus ist er nah dran, aber nicht zu nah. Das zeigen auch die Preise, mit denen die Arbeit der Redaktion aus dem Luzerner Hinterland für seine Arbeit immer wieder ausgezeichnet wird.

In der zweiten und dritten Folge der Serie stellen wir die Schaffhauser AZ vor und danach den Frutigländer. Das Blatt aus der Munot-Stadt ist insofern ein Spezialfall, als dass es nicht in einer ländlichen Region erscheint, sondern als kleiner Konkurrent einen übermächtig erscheinenden Platzhirsch herausfordert. Doch abgesehen davon weist die Zeitung sämtliche Merkmale ihrer Schwesterblätter auf dem Lande auf: traditionsreiche Geschichte, verlegerische Unabhängigkeit, eigenständiger Journalismus, solide Leserzahlen.

Der Frutigländer aus der gleichnamigen Region im Berner Oberland wiederum entspricht dem Prototyp der Landzeitung schon wieder besser, mit einer entscheidenden Ausnahme: Trotz traditionell anmutender Namensgebung handelt es sich um eine relativ junge Neugründung aus dem Jahr 2005, die sich aber vom publizistischen Profil her mit den Pendants in anderen Regionen des Landes problemlos vergleichen lässt.