von Nick Lüthi

Warum der Abstimmungskampf um No-Billag schon jetzt tobt

Dass bereits vier Monate vor dem Abstimmungstermin die Wogen zur Gebührenabschaffungsinitiative hochgehen, hat nicht nur mit der Brisanz der Vorlage zu tun, sondern auch mit einem nachrichtenarmen Oktober.

Und jetzt das: Von 4000 Leserinnen und Lesern des tagesanzeiger.ch würden heute 75 Prozent die No-Billag-Initiative ablehnen. Hat der Wind gedreht? Bisher verhiessen doch alle Umfragen eine deutliche Mehrheit zugunsten der Gebührenabschaffung.

So viel ist klar: Aussagen zum Ausgang der Abstimmung vom 4. März 2018 lassen sich anhand solcher Online-Barometer keine treffen. Aber es gibt sehr wohl Erklärungen dafür, warum ausgerechnet jetzt, vier Monate vor dem Urnengang, bereits die Wogen so hochgehen.

Cloé Jans, Projektleiterin im Forschungsinstitut gfs.bern, sieht primär drei Gründe für dieses Vorglühen des No-Billag-Abstimmungskampfs:

  • Der Themendruck war im Oktober, verglichen mit anderen Jahren, eher dünn, unter anderem weil Ende November keine nationalen Abstimmungen anstehen, über die sonst berichtet würde. Auch sonst sieht Meinungsforscherin Jans gerade wenig zwingende Themen auf der Agenda: Bundesrat Cassis ist gewählt, die Altersvorsorge kein heisses Thema mehr und das Rüstungsgeschäft birgt gerade keinen Sprengstoff. «Das lässt Raum für die breite No-Billag-Berichterstattung», sagt Jans im Gespräch.
  • Weil es ein Thema ist, das auch die Medien direkt betrifft, treiben sie selbst die Berichterstattung stark voran – mit Ausnahme der SRG, die sich redaktionell zurückhält, respektive das Thema nicht anders behandelt als alle anderen Themen.
  • Zudem spiele die weltweit geführte Debatte zum Medienwandel eine wichtige Rolle für die aussergewöhnlich früh geführte öffentliche Debatte, findet Cloé Jans. «Es geht hier um Grundsatzfragen darüber, welche Rolle die Medien insgesamt haben sollen im demokratischen System».

Ginge es nun nach dem bekannten Muster des Meinungsbildungsprozesses bei Volksinitiativen weiter, würde die Zustimmung zur Vorlage abnehmen, je näher der Abstimmungstermin rückt. «In einer frühen Phase des Abstimmungskampfs ist die Zustimmung bei einer Volksinitiative vergleichsweise hoch», weiss Cloé Jans von gfs.bern. «Sobald sich aber breitere Bevölkerungskreise intensiver mit der Vorlage befassen, beginnt das Ja-Lager zu bröckeln».

Doch die Annahme der Anti-Minarett-Initiative und der Initiative «gegen Masseneinwanderung» zeigten, dass es auch Ausnahmen gibt, die nicht der gängigen Entwicklung der Meinungsbildung entsprechen. Beide Vorlagen fanden am Schluss eine Mehrheit bei der Bevölkerung. Dies habe insbesondere an der «emotionalisierten, populistischen Aufladung der Kampagnen» gelegen, sagt Jans. Deshalb sieht sie auch die Möglichkeit, dass sich auch «No-Billag» zu einem solchen Ausreisser entwickelt. Umso mehr, als dass Versuche von Behörden oder der von einer Gebührenabschaffung betroffenen SRG auf den Abstimmungskampf einzuwirken, sich als Bumerang erweisen können und so die Gegenseite stärken.

Leserbeiträge

Lahor Jakrlin 07. November 2017, 17:18

Wie David gegen Goliath

Das umstrittene SRF ist die grösste Meinungsbildungsmaschine der Schweiz: 17 Radio- und 7 TV-Programme, 1.3 Mrd. Billageinnahmen plus 400 Mio Werbeeinnahmen, omnipräsent, und 6000 Mitarbeitende, die um ihre best entlöhnten Stellen fürchten müssen. Noch nie erlebte ich ein derart aktives „Publikum“ auf Twitter, eine regelrechte Armada, die jeden Tag noch wächst, und alle blasen, mehr oder minder arrogant, ins gleiche Horn, von Selbstkritik nicht die leiseste Spur.

Auf der andern Seite das kleine Fähnlein um Kessler und Schwab, wenns hoch kommt 30 liberale Geister und ein libertärer Anhang von etwa 50 Köpfen. Ein Freisinn, der dem Etatismus der Fluri-Prägung frönt, ein Jungfreisinn, der zögert, die KMU, die sich noch nicht gross äussern, und eine SVP, die bis auf einige bekannte Köpfe (Zanetti, Schmid) auf Twitter inexistent ist.

Die Waffen sind verteilt und die Chancen der #NoBillag-Anhänger (ich gehöre dezidiert auch dazu), sind sehr nahe bei Null.

Allerdings, es gibt die Geschichte von David, und wenn sie wahr ist, dann ist am 4. März alles möglich. Dafür mit Fakten (1 R-/TV-Sender pro Sprache würde genügen, müssen es 1300 SRF-MA im Ticino sein, müssen die GAV-Löhne die höchsten der medienszene sein, usw. usf.) und Überzeugungen zu kämpfen, lohnt sich auf jeden Fall.

Vielleicht werden die bisher mit Schweigegeldern (Beiträge an die Privaten) gut geköderten Verleger ihre Denkmaschinen anwerfen und sich die Frage stellen: Was wäre WIRKLICH, wenn …

Frank Hofmann 07. November 2017, 19:57

Die Tagi-Umfrage ist ja wohl kaum repräsentativ. Tagi-Leser, v.a. solche die dafür bezahlen, sind links“liberal“ und grün, also staatsgläubig. Viele von denen würden Zeitungen wie BaZ und Weltwoche am liebsten verbieten.

Reinhard Meier 08. November 2017, 11:33

Die Blocher-Maschine haben sie beim „kleinen Fähnlein um Kessler und Schwab“ noch vergessen.

Lahor Jakrlin 08. November 2017, 11:56

Blocher-Maschine: Können Sie die benennen?

Namen bzw. Twitterprofile?

Interessiert mich aufrichtig.

Ich persönlich bin überzeugt, dass seitens der „Blocher“ nichts orchestriert wird, es wäre mir aufgefallen.

Danke für ein Feedback.

Alex Schneider 08. November 2017, 15:02

Mit der Annahme der No Billag-Initiative eröffnet sich die Chance, das Programmangebot der SRG zu revidieren und eine Neuverteilung der Gebührengelder (zum Beispiel auch für die indirekte Unterstützung der Printmedien) vorzunehmen. Wird die No Billag Initiative hochkant abgelehnt, wird auch die Revision des Mediengesetzes nichts bringen. Der Koloss SRG ist von aussen nicht steuerbar.

Martin Kreutzberg 08. November 2017, 18:03

An den Sendungen der SRG gibt es, je nach Standpunkt, vieles auszusetzen: Zu ängstlich, kaum kontrovers und damit zu wenig zur Meinungsbildung anregend. Wird nun Billag angenommen und gibt es dann keine SRG mehr, kann man sich ohne grossen Einbussen über die internationalen Ereignisse bei ARD, RAI, TF1 ORF oder ZDF informieren. Die nationale Berichterstattung dagegen geht zu den Privatsendern. Und die werden von der Werbung finanziert. Hier gilt: Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe. Unverdaulich.
Martin Kreutzberg

Andreas Imhasly 12. November 2017, 18:25

Ungewöhnlich früh, ja und eigenartig koordiniert. NZZ, NZZ/So, az etc. mit immer neuen Beiträgen, von Chefredaktoren, Redaktionskollegen, bis hin zum Filmkritiker, der auch sein Bekenntnis als „der Liberale“ ablegen muss. Nicht total, aber mengenmässig Einheitsbrei der sog. unabhängigen Blätter. Man kann ahnen, was geschehen würde, setzten sich die PrivatInteressen der Medienunternehmer durch: landauf, landab die gleiche Richtung, ähnliche Ziele, die gleichen Verharmlosungen. Da wird Wettbewerb eingefordert als liberales Dogma und die Realität: grosse Medienkonzerne, die heute schon flächendeckende Konstrukte haben (wie NZZ und az) oder Private mit zuviel flüssigen Mitteln, die die halbe Schweiz zum Regionalpresse-Bündel „aufsaugen“ (Motto: den Teich leer fischen) sind am Werk, heute nicht mehr als Partei-Presse, aber sehr wohl als ideologische Instrumente!
Hier werden die wahren Interessen meist verdeckt, nicht aufgeklärt, vernebelt und sie wollen morgen die Garanten einer offenen, vielfältigen Meinungsbildung sein? Schade, wenn durch die massive Verteufelung der SRG und die Disqualifizierung von Hr.n de Weck offenbar eine wachsende Zahl von Nicht- und LeserInnen darauf hereinfallen. Privatisierungen öffentlicher Aufgaben sind äusserst selten im Sinne des ursprünglichen Auftrags gelungen!

Julienne Warnez 12. November 2017, 23:23

@Imhasly: Wahren Sie doch die Dimensionen! Die SRG ist mit riesigem Abstand der grösste Medienplayer, ein echter Koloss. Das ist der wahre Einheitsbrei, mit 7 TV- und 17 Radioprogrammen. Ausser Tamedia und Ringier sind alles winzige Fische. Und wer Gebühren mittels Zwangsvollstreckung eintreiben darf, ist nicht unabhängig, sondern vom Staat abhängig. Und vergessen Sie die Werbeallianz SRG/Swisscom/Ringier nicht, die enorme Abhängigkeiten schafft und die Ringier-Presse zu SRG-Propagandaorganen macht. Es ist auch eine Unverschämtheit, privaten Medien, zu denen auch die Zeitungen gehören, Qualität abzusprechen.