von Marko Ković

Konzentration: Ein funktionierender Medienmarkt gefährdet die Demokratie

In der Schweiz erleben wir eine doppelte Medienkonzentration: Die grossen Verlage haben immer grössere Marktanteile, und immer mehr Medientitel publizieren dieselben Inhalte. Warum das ein Problem ist für die Demokratie, besprechen Christian Caspar und Marko Ković in der aktuellen Folge unseres Podcasts «Das Monokel» mit Daniel Vogler, Forschungsleiter am Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft fög der Universität Zürich.


Stellen Sie sich vor, Sie schalten den Fernseher ein, um zu schauen, was bei Ihrem Lokalsender gerade läuft. Das Lokalfernsehen ist seit jeher Ihre bevorzugte Informationsquelle, weil er ja sozusagen bei Ihnen um die Ecke gemacht wird. Sie schätzen die Vertrautheit und Nähe und informieren sich gerne über das Geschehen in Ihrem Ort und Ihrer Region.

Doch Ihr geliebter Lokalsender ist gar nicht so lokal, wie er sich gibt. In Tat und Wahrheit ist er Teil eines gigantischen Medienimperiums, das aus über 190 Sendern besteht und über 130 Millionen Menschen erreicht. Die Sender stellen zwar noch lokale Inhalte her, aber ein grosser Teil des Programms wird zentralisiert und für alle Sender gleichgeschaltet hergestellt. Und zwar mit dem Ziel, Sie politisch zu beeinflussen: Das riesige Lokalsender-Netzwerk nutzt seine enorme Reichweite, um rechtskonservative politische Propaganda zu verbreiten.

Das klingt dystopisch? Durchaus, aber die Dystopie ist Realität. Genauso wie im Beispiel beschrieben, funktioniert in den USA das Sendernetzwerk der Sinclair Broadcast Group. Das rechtskonservative Medienunternehmen kaufte über die Jahre fast zweihundert ehemals unabhängige Lokalsender auf und funktionierte sie zu Pfeilen in seinem grossen Propaganda-Köcher um. Die Sinclair Broadcast Group ist ein besonders drastisches Beispiel für einen Trend, der in vielen Mediensystemen der Welt zu beobachten ist: Medienkonzentration.

Bei uns in der Schweiz haben wir zwar noch keine amerikanischen Zustände. Aber die zwei Grundprobleme, die dem Beispiel von Sinclair zugrunde liegen, existieren auch bei uns – und sie spitzen sich seit Jahren zu. «Auch hierzulande sind es ein paar wenige Konzerne, welche die grossen Medien besitzen», sagt Daniel Vogler, Medienwissenschaftler der Uni Zürich, der in der aktuellen Folge unseres Podcasts zu Gast ist.

Viele Zeitungen und News-Sites in der Schweiz unterscheiden sich nur noch mit der regionalen Berichterstattung.

Zum einen gibt es auch in der Schweiz einen klaren Trend hin zu mehr Konzentration der Eigentumsverhältnisse. Im aktuellen Jahrbuch «Qualität der Medien» 2020 des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft fög wird aufgezeigt, dass die Marktanteile der jeweils drei grössten Medienhäuser im Bereich Presse und Online seit 2001 tendenziell gestiegen sind. Die TX Group (ehemals Tamedia) hat sich mit den Jahren zu einem Giganten in allen Sprachregionen entwickelt; nicht zuletzt durch Übernahmen bestehender Titel.

Zum anderen, und mindestens genauso problematisch, gibt es auch in der Schweiz einen massiven Trend hin zu inhaltlicher Konzentration, wie die Forschung ebenfalls dokumentiert: Zwar gibt es nach wie vor eine stattliche Anzahl an Medientiteln, aber immer mehr Titel eines Verlagshauses veröffentlichen dieselben Inhalte. Die saloppe Metapher vom medialen Einheitsbrei beschreibt diesen Sachverhalt recht treffend. Die Zeitungen und News-Sites unterscheiden sich nur noch mit der regionalen Berichterstattung.

Das Problem der Medienkonzentration ist letztlich ein Konflikt zwischen wirtschaftlicher und demokratischer Logik.

Der Entwicklung hin zu dieser doppelten Medienkonzentration ist eine unterschätzte Gefahr für die Demokratie. Zum einen, weil dadurch die Meinungsvielfalt ganz direkt abnimmt. Zwar gibt es nach wie vor viele Publikationen und Plattformen – doch das ist nur eine scheinbare Vielfalt, hinter der immer mehr formale und inhaltliche Einfalt steht.

Zum anderen bedeutet Medienkonzentration auch Machtkonzentration. Die Risiken, die Edward Herman und Noam Chomsky in ihrem Klassiker «Manufacturing Consent» beschreiben, akzentuieren sich im Zuge der Medienkonzentration. Es macht beispielsweise einen grossen Unterschied, ob ein ideologisch gefärbter Leitartikel nur in einem einzelnen Medientitel veröffentlicht wird, oder ob er in mehreren Titeln gleichzeitig erscheint – und somit das weltanschauliche Spektrum im öffentlichen Diskurs verengt und gleichzeitig ein viel grösseres Publikum erreicht.

Das Problem der Medienkonzentration ist letztlich ein Konflikt zwischen wirtschaftlicher und demokratischer Logik. So gefährlich Medienkonzentration für die Demokratie auch sein mag, so rational ist sie in ökonomischer Hinsicht: Medienkonzentration ist schlicht die kapitalistische Tendenz hin zu Oligopolen. Wir haben es mit einem Demokratieversagen zu tun, aber der Markt funktioniert genau so, wie er soll.

Was ist zu tun? Dem Trend der Medienkonzentration lässt sich nur mit gezielter Regulierung entgegenwirken. Das klassische Wettbewerbsrecht ist hierfür untauglich, denn im Medienmarkt geht es nicht um Turnschuhe oder Joghurt, sondern um Demokratie. Damit einhergehend brauchen wir auch zukunftsfähige Modelle für Medienförderung. Wenn der Markt jene journalistische Vielfalt, die wir als demokratische Gesellschaft zum Überleben brauchen, nicht bereitstellen kann, müssen wir eben nachhelfen.