von Ronnie Grob

Das Märchen der Objektivität

Bei Journalisten werden menschliche Neigungen offenbar ignoriert. Man nimmt an, es handle sich bei ihnen um Personen ohne Machtstreben, die nur der Wahrheit verpflichtet sind. Nehmen wir Matthias Aebischer: Während 18 Jahren arbeitete er als Moderator und Redaktor völlig neutral für das Schweizer Fernsehen, unter anderem für die durchaus politischen Formate “Tagesschau” und “Club”. Im Herbst kandidiert er im Namen der Sozialdemokraten für einen Nationalratssitz. Warum? Die SP habe “ganz klar die edelsten Anliegen aller Parteien”, sagte er 20min.ch. Es ist anzunehmen, dass diese Meinung auch in den Jahren seines stets ausgewogenen Schaffens für das Fernsehen vorgeherrscht hat.

Wie es genau ist mit den Journalisten und der Wahrheit, weiss keiner so genau, denn ihre Arbeit unterliegt so wenigen Kontrollen wie kaum eine andere. Der Presserat, einige Vereine und ein paar Medienblogs üben sich unter Ausschluss der grossen Öffentlichkeit in Medienkritik, viel mehr gibt es nicht. Auf den Podien der Branche, in den Blattkritik-Konferenzen der Redaktionen, wo diese Fragen diskutiert werden könnten, sitzen in aller Regel nur Leute, die sich gegenseitig gut kennen und gut zureden. Gepflegt wird in den meisten Fällen oberflächliches Wohlwollen, denn in der kleinen Deutschschweizer Medienszene könnte jeder Kritisierte der nächste Chef sein.

Es braucht keine Ausbildung, keine Zertifikate, keine Prüfungen, um als Journalist zu arbeiten. Einfach jeder, der publiziert und Geld dafür erhält, darf sich Journalist nennen. Und das ist gut so, denn nur, wenn der Journalistenberuf keinen Beschränkungen unterworfen ist, kann die Pressefreiheit gewährt werden.

Das Publikum neigt dazu, jenen Medien, die es aus Überzeugung regelmässig konsumiert, Glauben zu schenken. Andere Medien, die vielleicht das Gegenteil behaupten, werden oft gar nicht mehr wahrgenommen. Ein undifferenziertes Vorgehen, aber wer kann sich schon seinen Sympathien und Abneigungen ganz erwehren? Um ein Beispiel zu bringen: Ich kenne viele Leute, die bei jeder Gelegenheit auf die “Weltwoche” schimpfen, allerdings seit Jahren keine Ausgabe gelesen haben. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die eine “WOZ” nicht mal mit der Pinzette anfassen würden. Und in beiden finden sich lesenswerte und fragwürdige Storys.

Die Wahrheit liegt, wie immer, dazwischen. Das wissen auch die Konsumenten, die besonders in der Schweiz keineswegs zu Extremen neigen. Jene Zeitungen, die sich “Forumszeitungen” nennen, kommen diesem Wunsch nach Ausgewogenheit entgegen aus handfesten Gründen.

Journalisten wählen mehrheitlich links und grün, das ergeben Umfragen regelmässig. Die von ihnen erstellten Zeitungen nennen sich Forumszeitungen, weil auch die politisch nicht linksgrün orientierten Konsumenten zum Kauf der Zeitung motiviert werden sollen. Die hinter der Zeitung stehenden Aktiengesellschaften haben vor allem ein Ziel: Mit der Zeitung Geld zu erwirtschaften. Dass sich vorwiegend gewinnorientierte Verlagsprodukte trotzdem Mühe geben, sich an die Fakten zu halten, hat mehr mit Glaubwürdigkeit zu tun, weniger mit Sendungsbewusstsein.

Und ja, es ist ein Glück, dass es in der Schweiz kaum Medien gibt, die Fakten gänzlich ignorieren, um eine Meinung zu transportieren, so wie es etwa der US-TV-Sender  “Fox News” tut. In einer politischen und wirtschaftlichen Krise könnte sich das aber schnell ändern. Um so wichtiger werden dann Beobachter, die imstande sind, Fakten richtig zu stellen.

Journalisten, die eine Meinung und daraus erfolgende Interessen vertreten, sollten diese öffentlich machen. Raum dafür wäre allgemein im eigenen Blog oder konkret als Nachbemerkung im journalistischen Produkt. Das ist transparent und dem Leser gegenüber ehrlich. Die eigenen Neigungen dauernd zu verleugnen und sich und seine Produkte als hehrer Ort der Objektivität zu bezeichnen, ist verlogen. Journalistikprofessor Jay Rosen sagte kürzlich: “Journalisten sind nicht sehr gut darin, alle ihre Vorlieben und Neigungen aus ihren Berichten zu entfernen. Sie sollten nicht sagen, sie können das, weil es den meisten Leuten auf der Empfängerseite sehr klar ist, dass sie dauernd daran scheitern.”

Keinen Standpunkt hat nur, wer schwebt. Keine Meinung haben nur Menschen, die sich mit einem Thema (noch) nicht befasst haben. Journalisten gehören da, wenn sie ihren Job richtig machen, nicht dazu.

Leserbeiträge

Philippe Wampfler 02. Februar 2011, 20:23

Dieser Text entwickelt eine äußert vage These (man könnte auch sagen, ein Vorurteil), ohne sie an journalistischen Produkten zu belegen. In welchen Artikeln und in welchen Publikationen in der Schweiz wird die Wahrheit durch die Meinung einer Journalistin oder eines Journalisten denn beeinträchtigt?
Zudem scheint mir völlig falsch zu sein, dass der Medienkonsum in der Schweiz selektiv und einseitig sei. Alle Medienschaffenden, die ich kenne, informieren sich breit und ignorieren nicht wegen politischer Gesinnung gewisse Publikationen.
Falls die hier geäußerte Kritik aber jemanden treffen sollte, dann die Weltwoche und ihren Umgang mit Zahlen beispielsweise zur Sozialhilfe und zur Migrationspolitik.

Ronnie Grob 03. Februar 2011, 08:16

@Philippe Wampfler: Spricht es nicht gerade für Deine Meinung, dass Du findest, dass, falls die Kritik zutreffen sollte, besonders die „Weltwoche“ getroffen wäre?

Würdest Du denn bestreiten, dass sich viele Journalisten den Linken und den Grünen zugehörig fühlen? Also meine Erfahrung ist eine ganz andere: Ich treffe sehr selten auf Journalisten, die sich explizit von den Linken und Grünen distanzieren.

Eine Studie unter deutschen Journalistenschülern hat übrigens folgende politische Gesinnungen herausgefunden: Grüne 39%, SPD 21%, FDP 7%, CDU 5%, keine Angabe 28%.

http://netzwertig.com/2008/11/24/studie-ueber-journalistenschueler-woher-kommen-die-alpha-journalisten/

Philippe Wampfler 03. Februar 2011, 15:45

Die These, dass JournalistInnen „links“ eingestellt sind (im Vergleich zu wem eigentlich – zu ihrer Leserschaft), wollte ich nicht diskutieren.
Vielmehr ging es mir um die Behauptung, die politische Haltung von JournalistInnen wirke sich negativ auf die Qualität ihrer Texte aus. Diese Behauptung würde ich bestreiten – sie ließe sich aber (so meine Meinung) am ehesten bei JournalistInnen mit einer pointiert „rechten“ Haltung belegen, z.B. bei Alex Baur.
Ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen – und möchte mich vorerst noch gegen den Vorwurf verwahren, das nur zu denken, weil ich eine bestimmte pol. Haltung habe.

Ronnie Grob 03. Februar 2011, 16:01

@Philippe Wampfler: Es geht mir ja nicht darum, ob sich die Haltung von Journalisten auf die Texte auswirkt, sondern, ob die Journalisten bestreiten, dass sie das tut. Ich finde es ok, wenn ein Journalist eine Meinung hat. Er soll mir nur nicht weis machen, er habe keine oder er könne sie ausblenden und völlig „objektiv“ arbeiten.

Markus Schär 04. Februar 2011, 06:44

Also, dann mal her mit den Belegen (zumal auf dieser erfreulichen Website bisher eine erstaunlich differenzierte, auf Fakten und Argumente gestützte Diskussion herrscht). Alex Baur – das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch meine Erfahrung als Ex-Kollege – ist wohl eines der schlechtesten Beispiele für die These, dass eine pointierte (rechte) Haltung die Qualität des Journalismus beeinträchtige. Es geht ihm als journalistischem Trüffelschwein wirklich um Fakten, Fakten, Fakten; ich bewunderte immer, wie er aus den scheinbar ausgelutschtesten Geschichten (Pflegekinder im spanischen Wildschweinkäfig, Pfarrer von Röschenz) noch eigene, von niemandem beachtete Aspekte herausholte, weil er hinging und danach suchte. Und das ist nicht nur meine Meinung, sondern jene der Branche: Im aktuellen Rating des „Schweizer Journalisten“ belegt Alex bei den Rechercheuren – nachdem er auch schon gewonnen hat – wieder den 2. Platz hinter Hansjörg Zumstein: als „das Mass aller Dinge im Print“. Also: Belege, bitte, oder dann eine Entschuldigung. Im Vorbeischreiben ohne jegliche Begründung einen Kollegen zu diffamieren, ist zu billig. Das sollte auf dieser erfreulichen Website gar nicht erst einreissen.

Bobby California 04. Februar 2011, 08:53

Ja, Alex Baur ist in der Tat ein hervorragendes Beispiel. Der schrieb doch zum Beispiel, Strassenlärm sei gesund. Als einzigen Beleg für seine These präsentierte er seine eigene Meinung: Er sagte, der Lärm der Seebahnstrasse störe ihn nicht. Alle wissenschaftlichen Studien, die beweisen, dass Lärm der Gesundheit schadet, ignorierte er. Mit unvoreingenommenem Journalismus, der sich auf «Fakten Fakten Fakten» abstützt, hat das nichts mehr zu tun.

Markus Schär 04. Februar 2011, 15:08

Nur drei Bemerkungen @BC (das sind in diesem hoffnungslosen Fall schon drei zu viele, ich höre denn auch gleich wieder auf):

1. Das (einzige) Beispiel ist schlicht schwachsinnig, wie jeder in der SMD nachlesen kann (Wewo 7.5.09), der des Lesens mächtig und willens ist. Ich könnte abschnittweise gescheit provokative, faktengestützte Sätze zitieren, aber es ist einfach zu blöd. Jedenfalls behauptet Alex Baur nirgends, Strassenlärm sei gesund. Warum also lässt einer, der sich Journalist nennt, einen solchen Seich raus?

2. Die Debatte auf dieser erfreulichen Website hielt sich bisher auf einem hohen Niveau, weil ernstzunehmende Profis mit vollem Namen zu ihren Argumenten stehen. „Keine Eiferer“ oder zumindest „keine Geiferer mit Pseudonym“ wäre doch eine Regel, die sich durchziehen liesse. Sonst verkommt die Diskussion wie auf dem verdienstvollen Medienspiegel. Die Pöbler mögen zwar anfangs einen gewissen Unterhaltungswert haben, aber er strebt schnell gegen null und liegt in diesem hoffnungslosen Fall längst unter null.

3. Wer zum dritten Mal in einem halben Jahr erlebt, dass sich seine Opfer öffentlich beklagen, er habe sie falsch wiedergegeben oder gar nicht angefragt, sollte sich wohl für eine angemessene Anstandsfrist von der Debatte um Qualität im Journalismus fernhalten. (Das ist eine unbelegte Feststellung, ich weiss, aber ich liefere die Belege gerne nach.)

Philippe Wampfler 04. Februar 2011, 21:59

@Ronnie Grob: Ich folge der Argumentation nicht mehr ganz. Die Behauptung, eine Meinung wirke sich auf die journalistische Qualität eines Textes aus, muss gar nicht mehr belegt werden – weil die JournalistInnen sie bestreiten?
@Markus Schär: Das hier ist mein Beleg https://ivinfo.wordpress.com/2010/06/05/plundernauslandersozialwerke/
Ich behaupte damit nicht, Alex Baur würde nicht recherchieren.

Klaus Jarchow 06. Februar 2011, 12:52

Ronnie, dein Text leidet unter der stillschweigenden Annahme, dass nämlich Journalisten in ihrer Redaktion überhaupt ihre wahre Meinung schreiben dürften. Dabei ist bei keiner Berufsgruppe die Diskrepanz zwischen Privatmeinung und veröffentlichter Meinung so groß, wie gerade bei den publizistisch Tätigen. Wie viele von denen haben mir nicht abends beim Bier schon das Ohr mit dem Thema abgekaut, was sie eigentlich schreiben möchten und was sie aber nur schreiben dürften! Worauf sie alles Rücksicht zu nehmen hätten!

Das heißt mit anderen Worten, dass es völlig unerheblich ist, ob Journalisten privat links oder grün oder gar nicht wählen. Wichtig ist allein, was sie in ihrer Zeitung schreiben – und darüber entscheiden nicht sie. Ein guter Text zum Thema ist nach wie vor der hier: Warum die Mainstreammedien „Mainstream“ sind.

Fred David 07. Februar 2011, 10:42

@) danke, Klaus Jarchow, für den interessanten Link zum Text von Naom Chomsky: „Why mainstream media are mainstream“.

Da kriegt die Sache doch gleich eine neue Dimension, die über unsern üblichen Tellerrand raus reicht.

Als Schweizer fiel mir besonders die Sache mit der „Fabrikation von Konsens“ auf. Ein Thema, das mich als Journalist schon lange beschäftigt: Wie machen die das?

„…da sie ja in der Lage sind, Konsens zu fabrizieren und so die Wahlmöglichkeiten und Einstellungen der Menschen derart zu beschränken, daß sie letztlich immer nur gehorsam tun werden, was man ihnen sagt“…

und:

„Es geht darum, von wirklich wichtigen Dingen abzulenken…“

und:

„Die klassischen Werke darüber, wie man das Denken der Menschen kontrolliert, stehen nicht auf dem Lehrplan…“

Kommt einem alles irgendwie verdächtig bekannt vor. Wie wär’s denn, wenn eins unserer leading media den Chomsky-Text so abdrucken würde, wie er hier steht? Einfach so.

(sorry, war natürlich nur ein unflätiger joke)

…und den Machern von „medienwoche“ alles Gute. Der Start ist ja schon mal beeindruckend. Es gibt noch viel zu tun, ausserhalb des bluemeten und schön einghageten Gärtlis….

…und die Weltwoche ist wirklich nicht so wichtig, dass man sich damit dauernd so intensiv beschäftigen müsste, es ei denn als Beleg für die These: „Es geht darum, von wirklich wichtigen Dingen abzulenken…“

Fred David 07. Februar 2011, 18:02

@) Ronnie Grob: Deine Beweisführung für die rotgrüne Durchdringung von Redaktionen bleibt dünn. Grundlage sind ein paar Dutzend Journalistenschüler in Deutschland, deren politische Gesinnung man analysierte, Studenten also, junge Leute.

Mach mal eine Repräsentativumfrage quer durch alle Uni-Fakultäten, Die Profs kannst du gleich mit einbeziehen. Was glaubst du, was dabei rauskommt? – Eben! Und heisst das dann, die Lehre an der Uni sei rotgrün durch- bez. zersetzt? – Quatsch!

Es gibt nun mal Milieus, in denen die SVP stärker vertreten ist und in andern schwächer, oder die Grünen oder die SP oderwasweissich. Die Polizei ist kein Hort der Linken, auch der Baumeister- und der Bauernverband mutmasslich nicht. Ja und?

In der von dir genannten Umfrage gaben gerade 0,8 % an Sympathisanten der Partei Die Linke zu sein. Stützt das irgendeine These? Deine auf gar keinen Fall.

Ich würde mich als deutlich links der Mitte einstufen, aber ich denke doch nicht Tag und Nach daran, wie ich jetzt irgendeine Partei pushen könnte. Parteien sind mir ziemlich schnuppe. Aber natürlich fliesst meine Grunddisposition in meine Arbeit ein.

Im Alltagsgeschäft einer Redaktion spielen aber andere Ueberlegungen – und Zwänge! – eine viel stärkere Rolle. Wenn da einer anfängt zu missionieren, wird er ziemlich schnell demissionieren. Du unterschätzest die redaktionsinternen Hygienevorschriften, die in der Regel ganz gut funktionieren. Und wenn sie nicht funktionieren, liegt’s an der Redaktion , und insbesondere am Chef.

Journalisten sind hoffentlich neugierig, immer auf der Suche nach Neuem, Aufregendem. Da lieg es einfach in der Natur der Sache , dass bekennende Konservative in der Minderheit sind. Nicht , weil man sie nicht reinliesse, sondern weil sie sich nicht dahingezogen fühlen. Es ist nicht so sehr ihr Biotop.

Konservative wissen, was sie haben und wollen es bewahren. Ist doch auch gut so, aber es ist nicht unbedingt die Triebfeder für gute Geschichten, mit denen man aneckt, und oft dann eben bei den Mächtigen in Wirtschaft und Politik . Und dort ist anerkanntermassen der grünrote Linksdrall nicht sonderlich ausgeprägt. Konservative tun sich von daher eben eher schwer, am Bestehenden zu rütteln.

Und jetzt komm mir bitte nicht wieder mit der „Weltwoche“. Ich mag mich nicht mit Parteiorganen prügeln. Mit der NZZ, nur um ein anderes Beispiel zu nennen, einem anerkannt konservativen Blatt , setze ich mich hingegen mit Vergnügen auseinander. Und lerne dabei.

Ronnie Grob 08. Februar 2011, 10:09

@Fred David: Du hast die zweite Studie nicht beachtet, die ist repräsentativ und handelt von Journalisten und nicht von Journalistenschülern. Sie ist von 2005 und darin kommen die 0.8 Prozent für die damalige PDS vor. Wieso soll das „meine These“ nicht stützen? Ich meine, die Prozentzahlen (siehe Grafik weiter unten) zeigen ein eindeutiges Bild. Oder verfügst Du über andere Studien? Wenn ja, her damit!

Mir geht es nicht darum, dass es Milieus gibt und dass Menschen Meinungen haben. Sondern, dass viele Journalisten so tun, als seien sie nicht links oder grün, auch wenn sie klare Vorlieben haben. Dass Du Dich „deutlich links der Mitte“ einstufst, begrüsse ich also. So kann jeder Leser Deine Texte einstufen, so bist Du transparent. Wie (von Dir) gesagt, „natürlich fliesst meine Grunddisposition in meine Arbeit ein“, so ist das bei allen, auch bei mir.

Den Linken entgegensetzen solltest Du allerdings nicht die Konservativen, denn Konservative gibt es in allen Milieus, in allen Parteien, in allen Gruppen, in allen Verbänden. Sondern marktwirtschaftlich, liberal ausgerichtete Rechte: Also Kräfte, die Eigenverwortung, Freiheit, weniger Staat und Steuern durchsetzen wollen.

Fred David 08. Februar 2011, 11:09

@) Ronnie Grob: Studien hin, Studien her: Ich habe versucht, aufzuzeigen, dass es irgendwie logisch ist, dass es in Redaktionen mehr Grüne oder Linke gibt als Rechte, und dass das auch gut so ist. Das hat ursächlich mit diesem Gewerbe zu tun und damit, wie dieses funktioniert.

In einem Land wie der Schweiz, in dem es seit 163 Jahren ununterbrochen eine absolute Mehrheit von „Bürgerlichen“ (what ever it means) oder Rechten in Regierung und Parlament gibt, aber keine institutionalisierte Opposition, weil eben alle mit allen kungeln, ist es fast zwangsläufig, dass sich im Journalismus dazu eine gewisse Gegenöffentlichkeit bildet, die – oft äussert zaghaft – die Rolle dieser fehlenden Opposition einnimmt. Sonst wäre das Land überhaupt nicht mehr auszuhalten.

Aber da die Grundtendenz der Bevölkerung „konservativ“ ist (lassen wir diesen schwammigen Begriff einfach mal so stehen), sind auch die Medien in ihrer Gesamtheit sehr, sehr gemässigt, obwohl von Leuten gemacht (aber nicht besessen und geleitet, das ist der Unterschied), die mehrhrheitlich eher links-grün eingestellt sind – wobei in der Schweiz das Problem besteht, dass alles einfach als „links“ oder „furchtbar links“gilt, was nicht in den konservativ-bürgerlich-rechten Konsens passt. Und dieser Definitionsrahmen ist ziemlich eng gefasst, wie wir wissen.

Aber warum um den Brei reden: Stell dir eine 12-teilige Skala vor, sechs Striche nach links, sechs nach rechts. Wo stufst du dich selber ein?

+) Dazu muss man allerdings sagen: Was in der Schweiz als „links“ gilt, ist – um mal ein Beipiel zu nennen – in skandinavischen Ländern -gemässigte Mitte, und in Deutschland liefe eine SVP unter der Rubrik „rechts-extrem“ oder“ rechts-national“ . Ist eben alles relativ.

Ronnie Grob 08. Februar 2011, 11:36

@Fred David: Das ist aber genau das, um was es geht: Die Schweizer Sozialdemokraten, die gemäss neuem Parteiprogramm „den Kapitalismus überwinden“ wollen, werden von den Journalisten stets als gemässigte Partei angesehen – obwohl dieser Punkt nichts anderes bedeutet als das Anstreben eines sozialistischen Staats, der, wie alle bisher gemachten Erfahrungen weltweit zeigen, nicht demokratisch sein kann. Die SVP dagegen, die durchaus auch bescheuerte, etatistische, gar radikale Teile mit sich führt, wird seit x Jahren als „rechtspopulistisch“, manchmal sogar als „rechtsextrem“ oder „rechtsradikal“ dargestellt. Diese Wahrnehmungsweise ist mE an den Journalisten festzumachen. Von der grundlegenden Sympathie gegenüber grünen und „nachhaltigen“ Anliegen wollen wir gar nicht erst reden.

Ich stufe mich durchaus rechts der Mitte ein. Mir sind (direkte) Demokratie, Freiheit, Marktwirtschaft, Eigenverantwortung sowie ein effizienter und schlanker Staat wichtige Anliegen. Und Nachhaltigkeit eigentlich auch, nur ist das leider zu einem eher bedeutungslosen Allerweltswort geworden.

Bobby California 08. Februar 2011, 12:59

Ronnie, du munkelst nur immer von irgendwelchen dunklen Verschwörungen, aber du bringst keine Beweise. Das ist das grundlegende Problem deiner Argumentation. Du schreibst, irgendwelche linken Journalisten würden die SVP dämonisieren und die SP verharmlosen. Ja, dann bring doch endlich mal ein Beispiel für deine These! Dann könnte die Welt sehen, ob deine Verdächtigungen den Tatsachen entsprechen.

Handkehrum haben Philippe Wampfler und ich zwei Beispiele gebracht, die beweisen, dass rechte Journalisten immer wieder Fakten ignorieren und ausblenden, wenn sie nicht zu ihrer Ideologie passen. Es wäre ein leichtes, weitere Beispiele zu bringen, man muss dazu nur die Weltwoche aufschlagen. Warum nimmst du dazu nicht Stellung?

Fred David 08. Februar 2011, 14:36

@) Ronnie Grob: Ist ja durchaus ein wichtiges und interessantes Thema, an das sich wenige Journalisten heranwagen. Und du hast schon Recht: Es tun alle so, als gäbe es diese Standortfrage nicht, als wären wir alle Neutren oder noch schlimmer: Eunuchen. Bloss nicht darüber reden.

Ueber den Quatsch von der „Ueberwindung des Kapitalismus“ (in der Schweiz!) brauchen wir glaub ich , nicht zu diskutieren. Ich habe darüber in den Medien zurecht keinerlei Elogen oder Relativierungen gelesen oder gehört, im Gegenteil. Quatsch bleibt Quatsch. Abgehakt und hoffentlich bald vergessen.

Und dass hierzulande der Sozialismus ausbrechen soll, gleichfalls. Das glauben nicht mal die allerlinkesten Linken. Da bricht hier zuerst wohl noch was anderes aus, glaub ich.

Natürlich kann man die SP journalistisch in den Schwitzkasten nehmen wegen ihrem End of capitalism (hat übrigens, neben mehreren andern, Roger Schwainski mit SP-Präsident Levrat gemacht). Das liegt doch auf der Hand, für links- wie rechtsgepolte Journalisten.

Was du als deinen journalistisch-politischen Standort formulierst ist hingegen etwas arg platt: „Demokratie, Freiheit, Marktwirtschaft, Eigenverantwortung sowie ein effizienter und schlanker Staat sind wichtige Anliegen…“

Ich würde mal sagen, das würden 85-90 % aller Journalisten blind unterschreiben. Wischiwaschi.

Die Definition, wem der schlanke Staat in erster Linie dienen soll und wem nicht und wo das Fett abgesaugt wird und wo unter gar keinen Umständen , das sind dann die spannenden Debatten, wo sich die Wege durchaus trennen.

Zum Beispiel wissen die wenigsten Schweizer – weil es ihnen niemand sagt -, dass es in diesem Sommer eine stillschweigende Uebereinkunft unter den bürgerlichen Fraktionen gab, dass in der Budgetdebatte zum Dossier Landwirtschaft keine relevanten Kürzungen aufs Tapet kommen dürfen. Und so geschah es.

Muss man da jetzt eher links gepolt sein, um zu fragen: Hallo, was treibt ihr da für Spielchen in der Black Box Bern?

Das nur mal so als Beispiel.

Oder deine „Nachhaltigkeit“: Mensch, du bist ja auch so ein Grüner…

Da kannst du doch die Achsel zucken und sagen: na und? Dass du dich als Rechter geoutet hast ist doch okay. Dann bist du halt ein rechter Grüner. So what? Ich traue dir trotzdem zu, dass du über „Nachhaltigkeit“ etwas Vernüftiges schreiben kannst.

Stefan Millius 24. Februar 2011, 11:39

10 Jahre lang angestellt auf diversen Redaktionen, fast 10 Jahre lang freischaffend für diverse Verlage, insgesamt also 20 Jahre in nächster Nähe zu Journalisten und Redaktoren. Fazit klar: Massiver Überhang zu links-grün, null Toleranz gegenüber Mitte-Rechts. Zwar bemühen sich die meisten, in der reinen Berichterstattung objektiv zu bleiben, aber die Subjektivität wird bei der Auswahl der Ansprechpartner und dem Story-Ansatz bzw. der unterlegten Grundthese munter gelebt. – Ich kenne keine Redaktion (ausser natürlich der berühmten Ausnahme), bei der man in der Kantine straflos „Also, ich wähle SVP“ sagen könnte.

lorenz 25. Februar 2011, 14:04

tatsächlich scheint eine mehrheit der journis mitte-links eingestellt zu sein (nicht links-grün nach aktuellen umfragen). die mehrheit der verleger und chefredaktoren ist mitte-rechts eingestellt und das sind die leute, welche den publizistischen kurs des presseerzeugnisses bestimmen. insofern ist die viel gepflegte these, die medien seien mehrheitlich links, absoluter stumpfsinn. die grosse mehrheit der tonangebenden zeitungen, sonntagszeitungen, tagi, nzz, weltwoche, baz, schaffhauser nachrichten, etc. etc. sind neoliberale, mitte-rechts bis rechte blätter, mit einigen wenigen ausnahmen.

Niccolò Machiavelli 15. Dezember 2012, 21:50

Es braucht keine Ausbildung, keine Zertifikate, keine Prüfungen, um als Journalist zu arbeiten. Einfach jeder, der publiziert und Geld dafür erhält, darf sich Journalist nennen. Und das ist gut so, denn nur, wenn der Journalistenberuf keinen Beschränkungen unterworfen ist, kann die Pressefreiheit gewährt werden.

Sehr geehrter Herr Grob.
Ob es jetzt die Innere- oder die Äussere-Pressefreiheit ist, ist sie doch bei näherer Betrachtung gar nicht wirklich frei. Wieviele Artikel werden beim Redaktionsschluss nicht veröffentlicht? Wer selektioniert das Nachrichtengefälle? Wichtige Fragen die nur äusserst selten beantwortet werden können. Wie beim Harald Schumann der die Innere-Pressefreiheit beim Spiegel anprangerte. Oder der Publizist Hubert-Jakob Denk beim Bürgerblick.
http://www.buergerblick.de/index.php?AID=0000026978
Die sogenannte Pressefreiheit kann man doch am ehesten mit den Menschenrechten vergleichen. Sie wurde zwar festgeschrieben, doch hält sich kaum einer daran.

Bei der Objektivität der Medien haben es leider nicht alle ganz so verstanden.
Objektivität von Medien: Verzerrte Welt
http://www.handelsblatt.com/2879382.html

In meinem Bekanntenkreis kenne ich sehr viele, die die sogenannten Nach-Richten als bare Münze nehmen.

Denken sie nicht die vierte Gewalt wird schahmlos ausgenutzt?