von Nick Lüthi

Abrechnung, nachgerechnet

Alljährlich vergibt die Berner Tageszeitung «Der Bund» (Tamedia) einen Essaypreis. «Ich bin dann mal im Cyberspace» lautete der Schreibauftrag in diesem Jahr. Eine Expertenjury und das Publikum hat mit dem Text «Wir sind viele» eine «Abrechnung» mit dem Internet zum Gewinner gekürt. Autor des Werks ist der 27-jährige Michael Fässler. Bei genauerer Lektüre erweist sich das am Samstag veröffentlichte 15’000-Zeichen-Stück als Ansammlung von Plattitüden, gespickt mit Faktenfehlern.

Fässler leitet seinen preisgekrönten Essay vielversprechend ein: «Das Internet hat den globalen Meinungsmarkt auf beispiellose Weise demokratisiert.» Der Autor benennt gleich auch die Schattenseiten des demokratischen Mediums: «Für unsere Partizipation bezahlen wir aber einen hohen Preis.» Was danach in dem als «Abrechnung» präsentierten «Essay» folgt, trägt indes wenig zur Erhellung bei. Fässler stolpert über die eigenen Beine. Und das nicht nur einmal.

Die etwas länglich geratene Eröffnung, die der Autor wahrscheinlich aus dem Internet abgeschrieben hat (Quellen nennt er keine), handelt vom Musiker David Carroll, der über Nacht zum Internet-Star wurde. Fässler schreibt den Namen des Protagonisten konsequent mit einem r. Während sich dieser Schnitzer noch auf das Korrektorat abschieben lässt, geht es danach so richtig los. Wir dokumentieren nachfolgend die gravierendsten Fakten- und Denkfehler im preisgekrönten «Essay».

(..) Falls es herkömmliche Chroniken künftig überhaupt noch geben wird. Denn momentan droht der gesamte Wissensbestand der Menschheit ins Mitmach-Lexikon Wikipedia abzuwandern.

Wikipedia als schwarzes Loch, als wissensverschlingendes Monster. Welch dummes, und vor allem: falsches Bild. Dass es Wikipedia längst mit «herkömmlichen Chroniken» aufnehmen kann und kein Verlust droht, wenn «der gesamte Wissensbestand der Menschheit ins Mitmach-Lexikon» abwandert, zeigte schon 2005 ein Vergleich zwischen Wikipedia und der Encyclopaedia Britannica bei dem das Online-Lexikon nicht schlechter abschnitt als die renommierte Enzyklopädie.

(..) eigentlich interessiert uns der Schutz der Privatsphäre. Trotzdem ist es in unserem Leben denkbar, dass wir tagsüber gegen Überwachungskameras in unseren Innenstädten auf die Strasse gehen, abends aber die Bilder von der Demo ins Internet laden und der Welt zur freien Verfügung stellen.

Ob der Staat seine Bürger filmt und ihre Bilder in Datenbanken von potenziell Tatverdächtigen ablegt oder ob die Bürger sich selbst filmen, sind zwei Paar Schuhe. Im Umgang mit Bildern von Demonstrationen hat sich bei verantwortungsvollen Bürgern schon längst die Sitte etabliert, die Gesichter zu anonymisieren.

35 Millionen Mal haben wir Crockers Video bis heute angeklickt.

Wer ist eigentlich dieses «wir», von dem der Autor dauernd schreibt? Der Autor pauschalisiert damit auf unzulässige Weise und nimmt die Leser in Sippenhaftung, indem er ihnen bestimmte Handlungsweisen unterstellt.

Das Video, in dem sich der Steinbock Paul aus dem Berner Tierpark Dählhölzli mit den Hörnern am Hintern kratzt, wurde bisher auch bereits über eine halbe Million Mal angeklickt. Fellini war gestern.

Stimmt. Fellini ist seit 1993 tot. Die grossen Regisseure heissen heute Hooper, Coen, Tarantino, Forster – und ihre Hauptdarsteller heissen sicher nicht Steinbock Paul.

Dank Mark [Zuckerberg] sind wir auch jederzeit bestens darüber informiert, was unsere Freunde aus Übersee zum Znüni gegessen haben. An der Haustüre unserer Grosseltern haben wir aber seit Ewigkeiten nicht mehr geklingelt.

Nur weil der Autor schon lange nicht mehr bei den Grosseltern geklingelt hat, heisst das noch lange nicht, dass andere dies auch versäumt haben.

Das Internet macht uns zu Verbrechern.

Eine These, steiler als die Eigernordwand. Verbrechen sind gemäss Strafgesetzbuch Art. 10 Abs. 2 Taten, auf die Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren stehen. Der Autor meint vermutlich: Kriminelle. Aber auch das macht die These nicht plausibler. Denn das Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Inhalten aus dem Internet zum Privatgebrauch, von dem der Autor hier schreibt, ist in der Schweiz nicht strafbar. Nur der Upload.

Dann reiben wir uns die Augen, wenn wir durch die Berner Von-Werdt-Passage gehen und bemerken, dass ein weiterer exzellenter Plattenladen unserer Stadt wegen uns die Türe schliessen musste.

Ein Kausalzusammenhang zwischen illegalen Downloads und dem Ende der Plattenläden, wie ihn der Autor mit diesem lokalen Beispiel insinuiert, existiert nicht. In seiner Studie «The Effect of Filesharing on Record Sales» hat der Harvard-Ökonom Felix Oberholzer 2004 und 2007 nachgewiesen, dass illegale Tauschbörsen keine Auswirkungen auf die CD-Verkäufe haben. Brigitte Andersen und Marion Frenz von der Universität London konnten sogar belegen, dass Leute, die Musik im Internet tauschen, die besseren CD-Käufer sind.

Während [Helene Hegemanns] Buch «Axolotl Roadkill» letzten Frühling von der jungen Leserschaft euphorisch aufgenommen wurde, landete sie für ihren freizügigen Umgang mit ihren Quellen aus der Blogosphäre auf dem Scheiterhaufen der aufgebrachten Feuilletonisten.

Weshalb Quellen konsultieren, wenn ich auch aus der Erinnerung ungefähr die halbe Wahrheit hinkriege, muss sich der Autor bei dieser Passage gesagt haben. Die Hegemann-Posse spielte sich folgendermassen ab: Die Feuilletonisten waren nicht aufgebracht, sondern begeistert von der «sprachgewaltigen» Jungautorin. Aufgedeckt hat das Plagiat übrigens ein Blog.

Der Stärkere gewinnt eben auch im Internet, indem ihm die grösste Aufmerksamkeit zuteilwird.

Damit widerspricht sich der Autor selbst. In der Einleitung seines «Essays» erzählt er die Geschichte des «unbekannten Musikers» Dave Carroll (mit zwei r), der zum Youtube-Star wurde. Wie dieses Beispiel zeigt, hat im Internet eben jeder und jede und auch der vermeintlich Schwächere die Möglichkeit, sich globale Aufmerksamkeit und Gehör zu verschaffen.

Wer soll überhaupt noch Blogeinträge lesen, wenn doch alle mit dem Verfassen von Blogeinträgen beschäftigt sind?

Der Autor hat offenbar noch nie etwas von der 90-9-1-Regel gehört. In sozialen Communities im Internet, wozu in diesem Fall auch Blogs gezählt werden dürfen, lesen 90 Prozent der Nutzer nur, 9 Prozent beteiligen sich von Zeit zu Zeit und nur das letzte Prozent produziert regelmässig selbst Inhalte. Also von wegen: Wir sind alle mit dem Verfassen von Blogeinträgen beschäftigt.

Leserbeiträge

Michael Fässler 12. April 2011, 18:36

Guten Tag Herr Lüthi,

Vielen Dank, dass Sie meinem Essay Beachtung geschenkt haben. Die Schärfe, mit welcher Sie mit meinem Essay ins Gericht gehen, hat mich dann doch ein bisschen erstaunt. Grundsätzlich: Bei meinem Essay handelt es sich um einen Essay. „Der (…) Essay ist eine geistreiche Abhandlung, in der wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit seinem jeweiligen Thema. Die Kriterien streng wissenschaftlicher Methodik können dabei vernachlässigt werden“ (Die Quelle bleibe ich ihnen dieses Mal nicht schuldig: Wikipedia).

Nun möchte ich doch noch ein Paar Ihrer Einwände kommentieren:

„Die etwas länglich geratene Eröffnung, die der Autor wahrscheinlich aus dem Internet abgeschrieben hat (Quellen nennt er keine)“

Stimmt. Habe ich aus dem Internet abgeschrieben: http://www.davecarrollmusic.com. Ich habe darauf verzichtet, den Musiker direkt zu kontaktieren und auszufragen. Und ich habe darauf verzichtet, meine Quelle anzugeben. Ich denke, das ist in einem Essay ok.

„Wikipedia als schwarzes Loch, als wissensverschlingendes Monster. Welch dummes, und vor allem: falsches Bild. Dass es Wikipedia längst mit «herkömmlichen Chroniken» aufnehmen kann und kein Verlust droht, wenn «der gesamte Wissensbestand der Menschheit ins Mitmach-Lexikon» abwandert, zeigte schon 2005 ein Vergleich zwischen Wikipedia und der Encyclopaedia Britannica bei dem das Online-Lexikon nicht schlechter abschnitt als die renommierte Enzyklopädie.“

Gemeint ist hier die Abwanderung in einem quantitativen Sinn. Und nicht, dass Qualität abwandert (so kulturpessimistisch bin nicht mal ich). Im quantitativen Bereich schlägt Wikipedia die Encyclopaedia Britannica deutlich.

„eigentlich interessiert uns der Schutz der Privatsphäre. Trotzdem ist es in unserem Leben denkbar, dass wir tagsüber gegen Überwachungskameras in unseren Innenstädten auf die Strasse gehen, abends aber die Bilder von der Demo ins Internet laden und der Welt zur freien Verfügung stellen.“

Das war nie als direkter Vergleich zu verstehen. Das sind in der Tat zwei Paar Schuhe.

„Das Internet macht uns zu Verbrechern.“

Ich gebe Ihnen recht. Downloaden ist im Vergleich zum Upload in der Schweiz ist nicht illegal. Das ist in diesem Kontext irreführend.

„Weshalb Quellen konsultieren, wenn ich auch aus der Erinnerung ungefähr die halbe Wahrheit hinkriege, muss sich der Autor bei dieser Passage gesagt haben. Die Hegemann-Posse spielte sich folgendermassen ab: Die Feuilletonisten waren nicht aufgebracht, sondern begeistert von der «sprachgewaltigen» Jungautorin.“

Interessant, dass die Hegemann-Posse in diesem Rahmen nochmals auflebt. Ich mag mich an eine ausführliche Hegemann-Verteidigung in der ZEIT erinnern. Ich mag mich aber auch an die kritischen Stimmen von Willi Winkler (Süddeutsche), Jürgen Kaube (FAZ), Thomas Steinfeld (Süddeutsche) oder Philipp Theison (NZZ) erinnern. Lektüretipp hierzu: http://www.zeit.de/2010/08/Helene-Hegemann-Medien

„Damit widerspricht sich der Autor selbst. In der Einleitung seines «Essays» erzählt er die Geschichte des «unbekannten Musikers» Dave Carroll (mit zwei r), der zum Youtube-Star wurde. Wie dieses Beispiel zeigt, hat im Internet eben jeder und jede und auch der vermeintlich Schwächere die Möglichkeit, sich globale Aufmerksamkeit und Gehör zu verschaffen.“

Stimmt. Assange und Carroll (dieses Mal mit zwei r) haben es geschafft: Ihnen wird zugehört. Ganz vielen anderen dadurch aber nicht. Ich sehe den Widerspruch nicht.

Offenbar habe ich mit meinem bewusst polemischen, leicht kulturkritisch gefärbten Essay bei Jury und Publikum einen Nerv getroffen. Ich denke, es hat im Diskurs über unseren Umgang mit dem Internet auch Platz für eine solche Stimme. Dass Sie damit nichts anfangen können, bedaure ich persönlich sehr, da ich Sie als (Medien)-Kommentator und Kritiker ausserordentlich schätze und ihre Kolumne im „Bund“ bereits vermisse.

Freundliche Grüsse,

Michael Fässler
michaelfaessler@gmx.ch

Nick Lüthi 12. April 2011, 23:06

Lieber Michael Fässler

erstmal herzlichen Dank für deine Reaktion und dass du meine Kritik so sportlich nimmst; das ist nicht selbstverständlich.
Mir wäre dein Text kaum aufgefallen, wenn er nicht ausgezeichnet worden wäre. Deshalb müsste ich mit der Jury eigentlich ebenso hart ins Gericht gehen, wie ich das mit dir getan habe. Nur: Den Text hast nun mal du geschrieben und nicht die Jury. Insofern muss ich mich an das halten, was da ist.
Beim Essay handelt sich um eine journalistische Darstellungsform und daher gelten auch hier die gleichen Spielregeln wie sonst im Journalismus, auch und gerade was die Faktentreue angeht. Deine Unsauberkeiten auf die gewählte Form abzuschieben versuchen, funktioniert nicht.
Damit du mich nicht falsch verstehst: Ich kann nicht nichts mit deinem Text anfangen. Im Gegenteil: Ich habe mich ein ganzes Wochenende lang intensiv mit ihm befasst 😉 Du versuchst eigentlich relevante und wichtige Diskussionen rund ums Internet aufs Tapet zu bringen – nur leider mit teils falschen Fakten und Überlegungen unterfüttert. Und da habe ich eben eingehakt. In dem Sinn bleibt mir nur, mich bei dir zu bedanken, dass du mir eine so ideale Vorlage für einen Artikel geliefert hast.

Nick

Ronnie Grob 13. April 2011, 09:18

@Michael Fässler, zum Fall Hegemann: Bevor junge Leser überhaupt die Möglichkeit hatten, das Buch angeblich „euphorisch“ aufzunehmen, haben das die Feuilleton-Redakteure gemacht. Ich kann mich an genau eine Stimme erinnern, die das Buch vor dem Aufdecken des Plagiats durch den Blogger Deef Pirmasens am 5.2.2010 verrissen hat, das war Simone Meier im „Tages-Anzeiger“ am 2.2.2010. Der Artikel in der „Zeit“, auf den Du hinweist, trägt das Datum 19.2.2010, wurde also erst geschrieben, als die Plagiatdiskussion längst im Gang war.

Markus Herren 14. April 2011, 07:34

also ich habe die hegemann-geschichte so verstanden:
buch – begeisterte feuilletonisten – (begeisterte leser) – plagiatsentdeckung in blogs – grosse, kritische feuilleton-diskussion.

von daher spricht fässler von der letzten phase, grob und lüthi von der ersten. recht haben aber beide.

ich glaube der punkt ist: das feuilleton störte sich am „klauen“, viele junge hatten kein problem damit.

Ronnie Grob 14. April 2011, 09:20

@Markus Herren: Ob junge Leser kein Problem hatten mit dem Abschreiben von Hegemann und ob Leser überhaupt begeistert waren vom Buch, sind Hypothesen. Die Plagiatentdeckung wurde genau dann publiziert, als die Feuilletonisten noch am Feiern des zweifelhaften Buchs waren und die Leser noch gar nicht richtig Zeit hatten, das gerade erschienene Werk zu lesen.

Es bleibt daran zu erinnern, dass Georg Diez beispielsweise das Buch von Hegemann im „Magazin“ als „eine Stimme ihrer Generation“ feierte. Wie sich ja herausstellte, speiste sich ein guter Teil davon aus Erlebnissen des rund 11 Jahre älteren Bloggers Airen.

Markus Herren 14. April 2011, 18:19

ich denke es geht weniger darum, wie diez und seine feuilletonisten-kolleg/innen das buch aufgenommen haben, bevor sie von den kopierten anteilen wussten (die sich auf gesamthatft allerhöchstens knapp 3 seiten belaufen, wobei eine halbe seite ein abgeschriebener songtext ist, und keine erlebnisse von airen, „ein guter teil“ ist damit etwas gewagt).
es geht ja eher darum, wie sie dann reagierten, als das durch ein blog aufgedeckt wurde. wo genau der „schlimm-/nicht-so-schlimm-graben“ verlief, kann ich auch nicht sagen, das mit den „jungen“ ist tatsächlich nicht mehr als eine hypothese.

um doch noch auf den punkt zu kommen: lüthi sagt, die feuilletonisten „waren nicht aufgebracht, sondern begeistert von der «sprachgewaltigen» Jungautorin“, was offensichtlich falsch ist, wenn man die geschichte bis zum ende betrachtet.

Christof 12. April 2011, 19:47

Eigentlich sollte man ja nicht auf den Autor los, der kann ja nichts dafür, dass sein Artikel nun wirklich nicht preiswürdig ist. Dramatisch ist es doch viel eher für die Preisverleiher, die einen Preis zum Thema Internet ausschreiben und offensichtlich nichts vom Thema davon verstehen. Autsch!

Nick Lüthi 12. April 2011, 20:44

da hast du natürlich recht, dass die Jury in meinem Text zu gut wegkommt, weil sie gar nicht vorkommt. Ich werde akv meine Kritik noch per Mail zukommen lassen.

Moritz Kaufmann 13. April 2011, 11:12

@Christof: Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Du die anderen Finaltexte nicht gelesen hast und deshalb auch nicht beurteilen kannst, ob dieser Essay „preiswürdig“ ist oder nicht. Es ist schliesslich ein Wettbewerb, bei dem der beste Text gewinnt. Da zählen auch Dinge wie Struktur, Sprachwitz oder Dramaturgie.

Jan Flückiger 13. April 2011, 12:11

Bitte berücksichtigt auch das Zielpublikum. Ein Text kann für ein breites Publikum sehr bereichernd und treffend sein, der einem Fachpublikum vielleicht banal oder ungenau erscheint. Der prämierte Text wird vielen (vor allem älteren Lesern) das Internet sehr wohl näher bringen und ist gut geschrieben. Dass er vor einem Fachpublikum nicht standhalten könnte, wäre ein anderes Thema. Das war aber wohl auch nicht der Sinn des Preises. Die „Fachjury“ bezieht sich wohl eher auf journalistische und nicht internetspezifische Fachkenntnisse.

Dominik Schmid 13. April 2011, 10:05

Danke Nick! Wer war den in dieser sog. ‚Expertenjury‘?

Nick Lüthi 13. April 2011, 10:08

In der Jury sassen «Bund»-Chefredaktor Artur Vogel, die Literaturprofessorin Corina Caduff und der Deutschlehrer und Autor Roland Heer.

Jan Flückiger 13. April 2011, 12:08

Ich muss Nick Lüthi hier etwas bremsen und den Verfasser des Essays in Schutz nehmen:

1. Michael Fässler bezeichnet Wikipedia nirgends als „schwarzes Loch, als wissensverschlingendes Monster“, wie ihm Nick Lüthi unterstellt. Er stellt lediglich fest, dass Wissen zunehmend dorthin abwandert und das kann wohl niemand bestreiten.

2. Der Widerspruch zwischen dem Ruf nach Datenschutz z.B. bei Google Street View und dem freizügigen Umgang mit Fotos z.B. auf Facebook ist nicht wegzudiskutieren. Zudem hat man auf Facebook praktisch keine Möglichkeit, festzustellen, wo man überall auf einem Bild auftaucht (falls man nicht getagt wird).

3. Das „wir“ verstehe ich als Anspielung auf den Titel „Wir sind viele“. Fässler sagt ja gerade, dass „wir“ eben vielfältig und nicht eine homogene Masse sind. Das wird ja gerade dadurch illustriert, dass „wir“ (die Internet-Community) eben nicht alle auf dieses oder jenes Video klicken.

4. Fässler behauptet nirgends, dass es kein Kino und keine grossen Regisseure mehr geben wird. Dennoch ist es eine Tatsache, dass gewisse Filme auf YouTube (mit ähnlich desolaten Hauptdarstellern wie Steinbock Paul innerhalb kürzester Zeit mehr Zuschauer generieren, als einzelne Filme von Fellini zu dessen Lebzeiten je hatten.

5. Zur Grossmutter: Ich kenne keine soziologischen Studien, aber rein vom Zeitmanagement her, ist klar, dass je mehr Zeit wir in Facebook&Co verbringen, desto weniger Zeit für reale Begegnungen übrig bleibt.

6. Auf Grund einer einzelnen Studie zu behaupten, der Internet-Download hätte keine Auswirkungen auf CD-Verkäufe und die Musikbranche ist auf alle Fälle SEHR gewagt.

Die letzten drei Kritikpunkte teile ich hingegen…

Anyway, spannende Diskussion, aber kein Grund den jungen Autor so in die Pfanne zu hauen!

Simon Jäggi 13. April 2011, 14:11

@ Nick Lüthi

Jedem seinen Narzissmus…
Aber ihrer Kritik und dem Anschlussdialog fehlt es in meinen Augen ziemlich an Respekt. Ich hoffe für Sie, als auch für mich, dass der Ertrag Ihres kommenden Wochenendes ein wenig konstruktiver ausfällt.

Michael 13. April 2011, 21:48

Der meiner Meinung nach momentan beste kritische Text zu den im Essay angeschnittenen Themen ist das Buch von Jaron Lanier.
(Auf englisch lesen, die dt. Übersetzung ist schwer erträglich).

Christian Zellweger 14. April 2011, 12:24

nick lüthi, ein essay, ein wochenende…da würde man schon etwas mehr erwarten als mühsame wortklauberei, böswillige missinterpretationen und flapsige zurechtweisungen. ausser dem allerletzten kritikpunkt gibt keiner wirklich was her, wie zum beispiel jan flückiger zeigt.

(ergänzend noch: krimineller und verbrecher mag ein unterschied sein, in diesem zusammenhang aber lediglich die falsche wortwahl, kaum absichtlich gewählt, um eine these zu untermauern.
zudem: filesharing (was eine stark verbreitete download-methode ist), funktioniert per defintion mit gleichzeitigem upload. was strafbar ist, auch in der schweiz.
zuhegemann: fässler kürzt vorne, lüthi hinten…(siehe @markus herren).
und carroll war nun mal einer der „stärkeren“ (originelleren, glücklicheren, was auch immer, wie ein video viral erfolg hat, weiss noch niemand so ganz genau), von daher kein widerspruch.)

schade, eine echte inhaltliche auseinandersetzung mit dem thema, gerade von lüthi, wäre wirklich spannender gewesen. und wohl auch an einem wochendende zu machen. zumal sich lüthi ja von berufswegen mit solchen themen beschäftigt.

dass das ganze etwas respektlos daherkommt, macht den beitrag und die kommentare auch nicht grad sympathischer.

Michael 14. April 2011, 20:45

@Zellweger
Man kann längst über Filehoster _nur_ noch downloaden und zwar fast alles.
Interessant ist doch, dass man trotz iTunes, Netflix und was weiss ich noch was, einfach immer noch kein nicht ruinöses und v.a. direktes und nachhaltiges Vergütungssystem gefunden hat. Ich empfehle wirklich das Buch von Lanier, ist darin viel besser beschrieben als ich es kann plus (etwas utopische) Lösungsansätze.

Alles hinten rum über Werbung und Sekundärprodukte zu finanzieren ergibt entsprechende Resultate (Lanier hat einen netten Vergleich für Googles Geschäftsmodell…)
(Verdammt, ich kann ja nicht mal z.B. bei Google zahlen, wenn ich nur die Suche/Service möchte und sie mich dafür nicht „auszuspionieren“ bräuchten).

Christian Zellweger 15. April 2011, 07:59

man kann über filehoster downloaden, ja. denke aber, dass das noch nicht die mehrheit so macht.

solangs was ohne zu bezahlen gibt, ist es schwierig, menschen zurück zum bezahlen zu bringen. auch wenn es noch so einfach und noch so günstig gemacht wird…bin kein experte, sehe aber so ziemlich jeden lösungsansatz als utopisch, im moment.

Michael 19. April 2011, 15:05

Also: (auch wenn’s erstmal symbolisch ist): warum nicht Flattr hier integrieren?