von Ronnie Grob

Wir erweisen uns die Referenz

Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF verweist allzu gerne auf eigene Angebote und verschwendet so Sendezeit mit penetranter Eigenwerbung. Die wachsende Selbstreferenzialität kostet zwar nichts, bringt dem Zuschauer aber auch keinen echten Mehrwert.

Das öffentliche Radio und Fernsehen wird von Gebühren finanziert, damit der Konsument mit Informationen versorgt wird, die er von privater Seite so nicht erhalten würde. Der Programmauftrag der SRG (Artikel 24 im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen) führt vier Punkte auf: freie Meinungsbildung des Publikums, Stärkung der kulturellen Werte des Landes, Bildung des Publikums, Unterhaltung.

Man kann nun einwenden, dass dümmliche Unterhaltungssendungen, Boulevardmagazine und Reisesendungen, in denen SF-Mitarbeiter ihre alten Kollegen besuchen, zu keiner dieser Kategorien gehören. Aber das ist eine Frage der Einschätzung.

Keine Frage der Einschätzung ist die Anhäufung von Selbstreferenzialität. Nicht in Form einer selbstkritischen Auseinandersetzung (was zu begrüssen wäre), sondern in Form von penetranten Hinweisen auf das eigene Programm. Beispiele gefällig?

1. Zwangstrailer online:
Ein konstantes Ärgernis sind die Clips im Videoportal auf sf.tv. Ein Konsument, der einen Clip anwählt, wird fast immer dazu gezwungen, sich zuerst einen Trailer anzusehen, der auf irgendeine andere Sendung hinweist, von der er gar nichts wissen möchte und den er weder wegklicken noch beschleunigen kann. In der Werbeindustrie sind solche vorgeschalteten Einspieler als Pre-Rolls bekannt. Wie Martin Hitz schon 2009 mutmasste, sollen die Zuseher so schon mal an potentiell in der Zukunft erlaubte Online-Werbung gewöhnt werden.

Was bringt das? Der Konsument möchte jenes Video, das er sich ausgewählt hat, ansehen. Und nicht eines, das ihm vor die Nase gesetzt wird. Wer sich ärgert, dass er von Erziehungsmassnahmen gegängelt wird, ist nicht in der Stimmung, sich für andere Sendungen zu begeistern.

2. Verweise auf das Online-Angebot:
ARD und ZDF treiben es besonders bunt: Kaum eine Sendung, in der der Moderator nicht auf irgend ein Online-Angebot hinweist. Dafür räumen sogar Nachrichtenflaggschiffe wie die «Tagesschau» oder das «heute-journal» manchmal bis zu 30 Sekunden ihrer begrenzten Sendezeit ein.

Was bringt das? Ein Grossteil des Fernsehpublikums, das sich im Schnitt dem Pensionsalter annähert, kann mit den ständigen Hinweisen auf das Online-Angebot sowieso nichts anfangen. Und die anderen entscheiden vielleicht auch gerne selbst, ob und wann sie eine Website besuchen. Eine unauffällige Einblendung der Website reicht als Service völlig aus.

3. Verweise vom Radio auf das Fernsehen:
Richtig bunt trieb es am 8. Juli DRS1, wie «Klein Report» berichtet. 120 Minuten lang wurde die Sendung «Treffpunkt» dazu missbraucht, Aufmerksamkeit zu schaffen für die Samstagabendshow «SF bi de Lüt – Live». Ein Programmtrailer von zwei Stunden Länge – dazu muss man erst mal den Mut haben.

Was bringt das? Aufmerksamkeit, also Quote für die Samstagabendshow. Gut gemacht kann so eine Sendung den Zuhörer unterhalten. Crossmediale Promotion wird auch bei privaten Verlagen praktiziert (und auch dort von Publikum und Kritikern kritisch angesehen), aber wenn der «Tages-Anzeiger» zwei Seiten freischaufeln würde, um auf eine besondere Sendung von «Tele Züri» hinzuweisen, dann gäbe es einen Aufschrei. Zurecht.

4. Interviews mit sich selbst:
Es finden sich immer mehr «Experten» aus den eigenen Reihen. Die Moderatorin befragt den Wirtschaftsredaktor, die Nachrichtensprecherin schaltet zum Korrespondenten oder eine der vielen über Jahrzehnte mit dem Haus verbundenen Stimmen wird angerufen: Peter Studer, Arnold Hottinger, you name it. Weitere Namen finden Sie bei journal21.ch.

Was bringt das? Gespräche innerhalb der Redaktion täuschen den Dialog meistens nur vor, tatsächlich handelt es sich um die Herausarbeitung einer Einschätzung im Frage-Antwort-Spiel. So können Meinungen portiert werden, ohne dass jemand das Gefühl erhält, mit einer Meinung belästigt zu werden. Das gilt natürlich nicht für alle Fälle, manchmal machen solche Gespräche durchaus Sinn.

Fazit
Der neue Konvergenzriese SRF verhält sich immer mehr wie ein Unterhaltungskonzern, der sein Publikum mit Querverweisen von einem Medium ins andere, von einem Programm ins nächste weist. Mit dem kleinen Unterschied, dass trotz ständiger Werbung kein Ertrag erwirtschaftet werden muss.

Die Gebührengelder sind für das Programm da, nicht für ständige Hinweise auf das Programm. Was Private zur Optimierung ihrer Quote machen, geht bei öffentlich-rechtlichen Anstalten ganz klar an der gestellten Aufgabe vorbei, der Ermöglichung von Sendungen, die ohne Fremdfinanzierung nicht möglich wären. Niemand zahlt Gebühren, um von ständig wiederholten Trailern und von Selbstreferenzialität genervt zu werden. Der immer wiederkehrende Besuch in der Hotelanlage von Ex-Mitarbeiterin Jana Caniga ist Ärger genug.

Zum Titel als Erinnerung:
Reverenz: Ehrfurchtsbezeugung
Referenz: Gegenstandsbeziehung

Leserbeiträge

Oliver Kuhn 14. Juli 2011, 09:46

Das crossmedial-konvergente Bewerben von „SF bi de Lüt-live“ hat ja noch lange kein Ende gefunden! Während einer ganze Woche (der laufenden) wird für die mobile Showtreppe – den roten VW-Bus – einen Namen gesucht! Sind die Quoten dermassen schlecht, dass man keinen Tag ohne Nik oder SF bi de Lüt-live auf DRS1 erleben darf?
Bei „Jeder Rappen zählt“ profitieren wenigstens Notleidende von der medial flächendeckenden Zukleisterung durch die SRG…

bugsierer 14. Juli 2011, 12:43

eine weitere unsitte besteht darin, dass SRF viele sendungen zeitlich zu früh ankündigt, z.b. die rundschau auf 20.55h, dann beginnt aber der werbeblock und die eigentliche sendung kommt dann irgendwann nach 9h.

Pete 16. Juli 2011, 11:23

und wenn dann die programmhinweise abgeschafft wurden und die zuschauerzahlen sinken, dann kann man wieder auf das angeblich schlechte programm der „staatsmedien“ einhacken und die gebührenhalbierung fordern….

Reto Stauffacher 17. Juli 2011, 10:18

Jetzt beginnt auch ihr mit dem SRF-Bashing… Langweilig! Über Punkt 1 kann man streiten, OK, aber besonders lustig finde ich die Punkte 2 und 3: Online verweist auf Radio, Radio auf Fernsehen, Fernsehen auf Online – wo ist das Problem? Man kann und soll doch das Publikum auf andere Angebote aufmerksam machen! Zu Punkt 4: „Eigene“ Experten sind äusserst geeignet für Interviews, weil sie TV-geübt sind und damit ein prägnantes Statement zu einem Sachverhalt abgeben können! Oder gehören Korrespondenten abgeschafft?

Ronnie Grob 17. Juli 2011, 10:57

SRF-Bashing? Warum denn? Das ist eine ganz normale und, wie ich glaube, angemessen vorgetragene Kritik.

Ein Programm, das von den Bürgern unter Zwang Gebühren verlangt, muss sich meines Erachtens sogar mehr und häufiger Kritik gefallen lassen als ein Programm, das frei zur Beachtung oder Nichtbeachtung sendet.

Reto Stauffacher 17. Juli 2011, 11:19

Herr Grob, Danke für Ihre Antwort! Ich kann die vorgetragene Kritik (mit Ausnahme von Punkt 1) einfach nicht vertreten und nicht nachvollziehen… Man soll SRF auf jeden Fall kritisch begleiten, aber in diesem Fall finde ich die angesprochenen Punkte „gesucht“…

Markus Gräubmann 17. Juli 2011, 17:16

Punk 2 kann ich schwerlich nachvollziehen: Sie führen als Beispiel ZDF und ARD an, die die Sache exzessiv betreiben. Ist ihnen beim SRF kein Beispiel in den Sinn gekommen? Oder kriteln Sie im Bezug auf SRF an Dingen rum, die Sie bei den Senderketten anderer Länder stören? Da kriege ich den Eindruck, dass sie den Esel meinen und stattdessen den Hund schlagen, der zufällig grad in der Nähe steht.
Mit Hinweisen aufs Online geht SF meiner Einschätzung nach sparsam um, vor allem in den Sendungen der Abteilung Information sind sie selten. Uns selbst wenn: Sind es Hinweise auf tatsächlichen Mehrwert, etwa die lange Fassung eines Interviews oder ein Hintrgrunds-Dossier, sehe ich das Problem nicht.