von Manuel Puppis

Medienpolitik: Gepflegtes Desinteresse

Am nächsten Wochenende werden National- und Ständerat neu gewählt. Energiewende und Eurokrise beherrschen die Wahlkampfagenda. Medienpolitik spielt – wie eigentlich immer, wenn in der Schweiz gewählt wird – keine Rolle. Auch deshalb nicht, weil die Parteien nur sehr rudimentäre Positionen vertreten. Immerhin lässt sich eine Trennlinie zwischen SVP und FDP sowie den Mitte-links-Parteien erkennen.

«Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.» Die Aussage des Soziologen Niklas Luhmann ist unterdessen schon fast eine Binsenwahrheit. Vor allem die Bedeutung der Medien für eine funktionierende Demokratie wird oft betont: Dank den Medien sind wir über die wesentlichen Ereignisse, Themen und Meinungen informiert. Weiter bieten die Medien ein Forum für politische Debatten und helfen mit, die Mächtigen zu kontrollieren.

Damit ist natürlich auch Medienpolitik von grosser Bedeutung, denn mit Medienpolitik wird die Medienlandschaft gestaltet: Medienpolitische Entscheidungen beeinflussen die Produktion und Verbreitung von Informationen und haben folglich weitreichende Auswirkungen für die Gesellschaft.

Es ist schon fast eine Ironie, dass Medienpolitik bei Wählerschaft wie Parteien höchstens auf gepflegtes Desinteresse stösst. Atomkraftwerke oder ein ausgeglichener Staatshaushalt – zweifelsohne wichtige und politisch hoch umstrittene Themen – erhalten ungleich mehr Aufmerksamkeit als Massnahmen, die auf die Medien, das Nervensystem unserer Gesellschaft, abzielen.

Zudem wird Medienpolitik mit Verweis auf die Pressefreiheit generell argwöhnisch betrachtet. Doch in Demokratien sollen ja gerade mit Medienpolitik die Bedingungen für unabhängige und funktionierende Medien geschaffen werden. In Zeiten zunehmender ökonomischer Abhängigkeiten wäre eine politische Auseinandersetzung darüber, welche Medien wir brauchen und wie dieses Ziel zu erreichen ist, zentral.

Von Sonntagsreden und Medienschelten abgesehen haben aber die meisten Parteien zum Thema Medienpolitik wenig zu bieten. Das Ergebnis einer Sichtung von Positionspapieren, Wahl- und Parteiprogrammen ist erschreckend. Während die FDP ein Positionspapier zur Informationsgesellschaft (PDF) von 2001 im Angebot hat, ist das neuste Positionspapier der CVP (PDF) sieben Jahre alt. Die SP widmet den Medien immerhin fast eine halbe Seite in ihrem neuen Parteiprogramm (PDF) und befürwortet Subventionen genauso wie einen unabhängigen und ausreichend finanzierten Service public.

Am professionellsten aufbereitet präsentiert sich das Parteiprogramm der SVP, das sich auch ausführlich der Medienpolitik widmet: Die Partei stellt sich gegen Presseförderung und Gebührensplitting, fordert eine starke Beschränkung der SRG und ihrer Programme und befürwortet eine Senkung der Radio- und Fernsehgebühren um zwanzig Prozent.

Dieses lückenhafte Bild der medienpolitischen Positionen ergänzt eine kürzlich durchgeführte Umfrage der Gewerkschaft SSM (PDF), deren Ergebnisse im Medienmagazin Edito+Klartext publiziert (PDF) wurden: Vielfalt und publizistische Qualität der Medien bereiten allen Parteien ausser der FDP Sorge. Die Problemwahrnehmung unterscheidet sich allerdings: Während Mitte-links-Parteien insbesondere Medienkrise und Konzentrationsprozesse anführen, beklagt die SVP die «Quasi-Monopolstellung» der SRG.

Entsprechend stark gehen die Meinungen über wünschenswerte medienpolitische Massnahmen auseinander. Philipp Cueni spricht in seinem Kommentar (PDF) von einer klaren Lagerbildung: Auf der einen Seite SVP und FDP, auf der anderen die übrigen Parteien. Während SVP und FDP die Medienpolitik auf eine Sicherstellung freiheitlicher Rahmenbedingungen beschränken wollen, innerhalb derer private Anbieter möglichst viel Spielraum besitzen, treten die anderen Parteien für eine aktivere Medienpolitik ein.

  • SRG-Auftrag: Die SVP will den Auftrag der SRG deutlich enger definieren, die FDP zumindest eine vertiefte Diskussion darüber. Die anderen Parteien stehen klar zum Service public eines öffentlichen Rundfunks.
  • SRG-Onlineauftritt: Die Notwendigkeit einer SRG-Präsenz im Internet wird im Grundsatz von keiner Partei bestritten. SVP und FDP indes verstehen darunter lediglich die Bereitstellung der bereits produzierten Radio- und TV-Sendungen und bekämpfen einen weiteren Ausbau und Onlinewerbung. CVP und SP befürworten am Deutlichsten einen Ausbau des publizistischen Angebots und die Zulassung von Werbung.
  • Rundfunkfinanzierung: SVP und FDP fordern eine deutliche Gebührensenkung und bezeichnen das Gebührensplitting für private Sender als «ordnungspolitisch falsch». Darüber hinaus fordert die SVP ein Werbeverbot für die SRG. Die anderen Parteien stehen zur Finanzierung der SRG über Gebühren und Werbung; kleinere Parteien äussern sich aber teilweise skeptisch über das Gebührensplitting.
  • Presseförderung: SVP und FDP sprechen sich gegen indirekte wie direkte Fördermassnahmen aus; alle anderen Parteien stehen zur indirekten Presseförderung. Insbesondere die SP befürwortet auch eine direkte Presseförderung.

Während die SVP schon länger «mehr Markt» im Mediensektor fordert, scheint sich nun auch die FDP vom Konsens, dass es im mehrsprachigen Kleinstaat Schweiz eine aktive Medienpolitik zur Aufrechterhaltung einer eigenständigen Medienlandschaft braucht, verabschiedet zu haben. Bei CVP, SP, Grünen und kleineren Mitteparteien besitzt die SRG weiterhin Rückhalt und auch Subventionen werden nicht rundweg abgelehnt.

Offen bleibt, was diese Positionen realpolitisch wirklich wert sind. Handelt es sich um ad hoc entstandene Antworten oder stehen dahinter tatsächlich Visionen über die künftige Schweizer Medienlandschaft? Ob sich die Mitte-links-Parteien im neu zusammengesetzten Parlament zu einer aktiveren Medienpolitik werden durchringen können, bleibt also abzuwarten. Immerhin: Um eine Beschäftigung mit Medienpolitik kommen die Parteien dank einer Tagung von SGKM und Medienkritik Schweiz auch nach den Wahlen nicht herum.