von Manuel Puppis | Matthias Künzler

Eindämmung der Kampfzone

SRG und Verleger sind sich uneins über die Rolle des Service public im Internet. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die Überlappungszone der beiden Anbieter klar begrenzt ist. Und selbst dafür gibt es Lösungen.

Im Kampf um eine Beschränkung des gebührenfinanzierten öffentlichen Rundfunks im Internet schlagen Verleger im In- und Ausland dramatische Töne an: Die Expansion stelle die Aufgabenteilung zwischen textbasierter Presse und audiovisuellem Rundfunk in Frage und würde der Presse die Existenzgrundlage entziehen. Hängen Wohl und Weh der Tagespresse also davon ab, ob die Politik die Onlineangebote des öffentlichen Rundfunks beschränkt?

Ganz unabhängig von der ungewohnten Konkurrenz durch die SRG im Internet befindet sich die Presse in einem Wandlungsprozess. Da wären zuerst einmal Veränderungen in der Werbung. Die Presse war aufgrund ihres hohen Grads an Werbefinanzierung zwar seit jeher konjunkturabhängig. Nun verlagern sich aber die Werbegelder ins Internet zu nicht-journalistischen Angeboten wie Suchmaschinen und sozialen Netzwerken. Der Tausenderkontaktpreis für Werbung, die bei Onlinenangeboten der traditionellen Medien geschaltet wird, ist noch immer massiv kleiner als beim Print. Erst wenigen grossen Medienkonzernen wie Tamedia gelingt es mit Portalen wie 20 Minuten und Newsnet Geld zu verdienen.

Zweitens sind die Verlage mit der fehlenden Zahlungsbereitschaft der Leserinnen und Leser konfrontiert. Bei der Suche nach neuen Bezahlmodellen wie Paywalls stehen viele Unternehmen noch in der Experimentierphase. Dabei darf nicht vergessen werden, dass viele Verlage finanziell gut dastehen. Aber durch Managementstrategien wie die Einrichtung von Profitzentren fliessen Gewinne z.B. aus Internet-Stellenportalen nicht mehr den Redaktionen zu.

Diese Probleme kann die Politik für die Verlage nicht lösen – die Presseförderung wird ja von allen Seiten abgelehnt. Zudem haben die Gebührenzahler einen Anspruch darauf, dass die mit ihrem Geld finanzierten Inhalte auch online aufbereitet zu erhalten.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass die Kampfzone zwischen Verlegern und SRG gar nicht so gross ist, wie die lauten Töne vermuten lassen.

In vielen Bereichen überschneiden sich die Tätigkeiten nicht: Kaum in Konkurrenz zueinander stehen die SRG und Verleger beim Online-Vertrieb ihrer herkömmlichen Medienprodukte (Rundfunk: Streaming, Presse: E-Paper), bei ihren Archiven oder in Bereichen, wo die SRG aufgrund der bisherigen Regulierung ohnehin eingeschränkt ist.

Auch bei themenspezifischen Onlineportalen ist die Überschneidungsgefahr klein – jedenfalls solange die SRG sich auf Bildungsportale u.ä. beschränkt. Konkurrenz besteht insbesondere bei Nachrichtenportalen, die über Streaming und Podcasts bestehender Sendungen sowie sendungsbegleitende Inhalte (z.B. Agenturmeldungen) hinausgehen.

Hier kann die Politik ansetzen. Um den Verlegern die Suche nach neuen Geschäftsmodellen zu ermöglichen, könnte ein Online-Nachrichtenangebot der SRG, das über das heutige Angebot qualitativ hinausgeht, vorerst eingeschränkt werden. Die Verlage sollten die Möglichkeit erhalten, gut recherchierte Geschichten und teuer produzierte Inhalte mithilfe von Paywalls den Lesern zu verkaufen oder dadurch Reichweite und Werbung zu generieren.

Gleichzeitig wäre dem öffentlichen Rundfunk kein Gefallen getan, ihm automatisch zu viele Freiheiten bei den Onlineinhalten zu lassen. Die Gefahr der Selbstkommerzialisierung wäre gross, womit er mittelfristig selber seine besondere Finanzierungs- und Organisationsform in Frage stellen würde.

Allerdings sind die Verlage in die Pflicht zu nehmen, ein entsprechendes Angebot tatsächlich bereit zustellen. Erbringt der Markt die entsprechenden Leistungen nicht, so braucht es einen Ausbau des Service public im Internet. Unsere Demokratie ist darauf angewiesen, dass qualitativ hochwertige publizistische Inhalte produziert werden und uns Mediennutzern zur Verfügung stehen. Beschränkungen für die SRG sollten deshalb nur für einen bestimmten Zeitraum gelten und regelmässig auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden.

Leserbeiträge

Markus Schär 01. Februar 2012, 10:52

Die beiden Herren vom staatlichen Institut stellen die Grundfrage nicht: Was soll bei den Medien als Service public gelten? Die demokratische Meinungsbildung funktionierte in der Schweiz mehr als ein Jahrhundert lang ohne semi-staatliche Medien vergleichsweise blendend; dafür sorgten die Verleger mit ihren Zeitungen und Zeitschriften, also dem berühmten „Bannwald der Demokratie“. Im 19. Jahrhundert konnte jede Partei oder auch nur Interessengruppe ihr eigenes Blättli herausgeben und auf dem Markt der Meinungen mitspielen. Erst der Siegeszug der semi-staatlichen elektronischen Medien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entzog dem Blätterwald den ökonomischen Boden.

Aber jetzt ist es dank Blogs, Twitter und Facebook noch einfacher, günstiger und wirkungsvoller, seine Meinung zu verbreiten. Die Demokratie lebt, in gewisser HInsicht so lebendig wie noch nie – auch wenn das Medienwissenschafter nicht so sehen wollen. (Ich denke nicht zuerst an Sie, aber es berührt mich auch etwas eigenartig, wenn Sie Verleger – also private, marktwirtschaftlich orientierte Akteure – „in die Pflicht nehmen“ oder über „qualitativ hochwertige publizistische Inhalte“ richten.) Soll sich also die dank Zwangsgebühren überfütterte SRG auch auf dem Netz breitmachen und den Privaten die wirtschaftliche Grundlage entziehen? Und dies, obwohl sich beispielsweise bei SF mehr als die Hälfte der Angebote beim besten Willen nicht als Service public deklarieren lässt?

Alles weitere findet sich hier.

Peter Herzog 05. Februar 2012, 16:21

Wenn die gebührenfinanzierte SRG noch Werbung im Netz verkaufen dürfte, sähe ich das auch kritisch.

Was ich aber als Medienkonsument noch kritischer sehe: Wenn die Verbreitung von gut gemachten, gebührenfinanzierten Inhalten künstlich beschränkt wird, nur weil die wirtschaftlich geführten Verlage mit ihren dezimierten Redaktionen zu wenig Gewinn abwerfen (es ist ja tatsächlich nicht so, dass diese extrem darben würden) und immer einfallsloseren Journalismus machen…