von Manuel Puppis

RTVG-Revision: Grundsatzfragen ausgeklammert

Stell dir vor, es gibt ein neues Mediengesetz und keiner diskutiert. Die geplante Teilrevision des Radio- und Fernsehgesetzes stösst auf wenig öffentliches Interesse, obwohl zum Teil weitreichende Änderungen vorgesehen sind. Entscheidende medienpolitische Fragen bleiben aber von der Revision unberührt.

Noch bis Ende August läuft die Vernehmlassung für das revidierte Radio- und Fernsehgesetz (RTVG). Jetzt wäre der Zeitpunkt, um die vorgeschlagenen Änderungen öffentlich zu diskutieren und neue Vorschläge in den Revisionsprozess einzubringen. Allerdings scheint das Sommerloch auch die medienpolitische Debatte verschluckt zu haben. Meinungsartikel? Podiumsdiskussionen? Weit gefehlt. Einzig zum Start der Vernehmlassung gab es ein paar Artikel, die insbesondere auf den vorgeschlagenen Systemwechsel bei den Rundfunkgebühren fokussierten – begleitet von den üblichen ablehnenden Voten in Onlineforen sobald das Reizwort SRG und Gebühren fällt.

Tatsächlich stellt der Wechsel von Rundfunkgebühren zu einer Abgabe für Haushalte und Unternehmen die grösste Veränderung in der Vorlage dar. Doch ist es auch die Spannendste? Dass der Einzug durch eine Firma wie die Billag billiger sei als durch die Steuerverwaltung, hat der Bundesrat in einem Bericht ausführlich dargelegt. Dass durch die Konvergenz heute nicht nur mit Radio- und Fernsehgeräten, sondern genauso mit Smartphones, Tablets und Computern Radio und Fernsehen empfangen werden können, ist unbestritten. Es gibt praktisch keinen Haushalt, der nicht über mindestens ein solches Gerät verfügt. Ein Systemwechsel löst dieses Problem und macht auch die teuren und unangenehmen Kontrollgänge der Billag überflüssig. Nicht ohne Grund sind die meisten europäischen Länder daran, einen Wechsel zu vollziehen.

Somit bleibt die Abgabendiskussion höchstens noch als Tummelfeld für vehemente SRG-Gegner und für Gewerbelobbyisten, die eine Abgabe für Unternehmen verhindern wollen. Bei Ersteren konnte das wissenschaftlich fundierte Argument, dass der mehrsprachige Kleinstaat Schweiz mit grossen gleichsprachigen Nachbarländern auf einen öffentlich finanzierten Service public angewiesen ist, bisher wenig bewirken. Zu Letzteren ist anzumerken, dass es notabene gerade mal um 400 Franken pro Jahr für Unternehmen mit einem Umsatz zwischen einer halben und einer Million Franken geht – Unternehmen mit weniger Umsatz sind ganz befreit, nur Grossunternehmen zahlen merklich mehr.

Zu grundsätzlicheren Fragen gäbe das neue Abgabensystem aber Anlass: Wie lässt sich langfristig die Legitimität von SRG und Abgabenfinanzierung sicherstellen? Rechenschaftspflichten und Programmversprechen, wie sie in anderen Ländern existieren, könnten als Inspirationsquelle dienen. Könnte das Abgabensystem auch für die Förderung neuer journalistischer Onlineplattformen herangezogen werden? Zwar haben Bundesrat und Printmedien bisher trotz Medienkrise wenig Interesse an neuen Modellen zur Journalismusförderung gezeigt. Das Parlament scheint dies ein wenig anders zu sehen. Die angefallenen Überschüsse aus dem Gebührensplitting könnten ebenfalls für solch innovativen Journalismusmodelle, die den Wettbewerb in den Regionen neu beleben würden, verwendet werden.

Doch auch andere Punkte in der Vorlage des Bundesrates sind diskussionswürdig. Warum beispielsweise soll die Anforderung, die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck zu bringen, im Onlineangebot der SRG nur für Wahl- und Abstimmungsdossiers gelten? Der Service public sollte online genauso darauf verpflichtet werden wie in Radio und Fernsehen. Warum soll für private konzessionierte Sender die Konzessionsvoraussetzung entfallen, dass sie die Meinungs- und Angebotsvielfalt nicht gefährden dürfen? Die Regulierung von Medienkonzentration ist ohnehin schon schwach; ohne diese Vorgabe hätten die Beschwerden von Roger Schawinski und Günter Heuberger zu keiner Neubeurteilung der Konzessionsvergaben im Aargau, in der Südost- und der Ostschweiz geführt.

Andere Themen werden im Gesetzesentwurf gar nicht angesprochen.

  1. Die Unabhängigkeit der Regulierung. Weder die vom Parlament während der letzten RTVG-Revision abgelehnte Umwandlung des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) in eine unabhängige Regulierungsbehörde, noch eine von der Politik unabhängige Instanz zur Festlegung der Abgabenhöhe werden zur Diskussion gestellt.
  2. Die Medienkonzentration. Die Erfahrungen beispielsweise mit Energy Basel zeigen, dass Minderheitenbeteiligungen reichen, um auf Sender Einfluss auszuüben.
  3. Die Grundverschlüsselung im Kabelnetz. Die Verschlüsselung aller Sender mit CI+, die den Anbietern eine massive Einschränkungen der Zuschauerinnen und Zuschauern ermöglicht (z. B. bei Aufnahmen oder zeitversetztem Fernsehen), bleibt zulässig.
  4. Der Jugendschutz. Anders als in anderen europäischen Ländern, die erfolgreich Modelle der gesetzlich anerkannten Selbstregulierung eingeführt haben, gibt es in der Schweiz praktisch keine Vorgaben für Fernsehsender.

Themen für eine öffentliche Debatte gäbe es genug. Gründe, die Einflussnahme auf den Gesetzesprozess nicht nur Lobbyisten zu überlassen, ebenfalls.