von Stephanie Rebonati

«Just deal with it», sagt Arthur Honegger

SF-Korrespondent Arthur Honegger ist seit dreizehn Tagen unterwegs. Für die «Tagesschau» und «10vor10» produzierte er über zehn Beiträge und Live-Schaltungen, die von den Parteitagen in Tampa und Charlotte berichteten. Müde ist der 33-jährige Davoser nicht. Er nennt seine Tätigkeit «Traumberuf» und sich selbst «Politikjunkie».

Wie ist es, an Parteitagen zu arbeiten?
Man muss viel improvisieren. Man weiss nie, was passiert. Heute nach Obamas Rede bleibe ich bis etwa ein Uhr morgens in der Arena und schaue, welche Inhalte ich für die Beiträge am Freitag generieren kann. Zu diesem Zeitpunkt weiss ich noch nicht, welche Zugänge mir offen stehen werden, wen ich interviewen kann. In diesem Job ist alles stets Gegenstand von rollender Planung. Typisch für das News-Business.

Ein schwedischer Journalist sagte, Tampa war organisierter.
Was immer man antrifft, man muss damit arbeiten. Wenn ich nicht in ein Medienzentrum gelange, dann setze ich mich auf den Boden und arbeite von dort aus. Just deal with it.

Die Parteitage sind Show und Message Design, Inhalte kommen kurz. Wie generierst du daraus deine Beiträge?
Es ist Show, ja. This is America. Show-Business ist immer «part of the deal». Sei das in der Wirtschaft oder in der Politik. So tickt das Land. Sie machen immer alles in extremis. Wenn sie eine Message rüberbringen wollen, dann bringen sie Videos, Konzerte, Stars und grosse Reden. Ich reproduziere diese Shows nicht. Ich mache die Analyse von dem, was gesagt wurde. Ich bin bestrebt, Kontext herzustellen, Motive und Beweggründe aufzuzeigen.

Was sind dabei die Hürden?
Es muss schnell gehen. Das sind vielfach Ad-hoc-Analysen. Das kann schwierig sein, aber je länger man im Land lebt und den politischen Diskurs hier verfolgt, desto einfacher wird es.

Welche Richtlinien kriegst du von Zürich?
Zürich sagt, was sie möchten. Wie es umgesetzt wird, ist in der Regel meine Sache. Live-Schaltungen sind ein gutes Beispiel: Da ist es zu hundert Prozent an mir, welche Antworten ich gebe. Wenn hinter mir gerade die Foo Fighters spielen, kann ich auch dazu etwas sagen.

Und, hast du das?
Nein, obwohl ich die Musik ganz gern mag.

Vor Obamas Rede am Donnerstagabend boten die Demokraten eine Show: Mary J. Blige rappte, die Foo Fighters rockten, Kerry Washington und Scarlett Johansson legten jungen Amerikanern den Gang zur Urne nahe. Zehntausende hatten Akkreditierungen, um die wohl wichtigste Rede des Präsidenten live zu verfolgen. Aufgrund des Regens wurde der Ort gewechselt: anstatt im Football-Stadion der Carolina Panthers sprach der Präsident in der Arena, wo dieser Tage schon die First Lady und Bill Clinton auf der Bühne standen. Anstatt 60’000 Leute kamen nur 25’000 rein.

Der «Blick» schrieb, dass du als New-York-Korrespondent ein «einsamer Wolf warst».
Ja, das stimmt. Das war ich sogar extrem, weil ich oft selber drehe, ohne Kameramann. Ich hatte meine Kamera und mein Notebook, fertig.

Keinen Kameramann und Cutter?
Doch, Cutter praktisch immer, und punktuell natürlich auch Kameraleute. Aber in New York macht man als Korrespondent ja eher Reportagen und Hintergrundgeschichten, die News kommen mehr aus Washington. Darum habe ich selber viel gedreht und bin alleine gereist, was mir auch durchaus liegt.

Was ist als Washington-Korrespondent heute anders?
Hier habe ich als Bürochef noch zusätzliche Aufgaben, was Infrastruktur und Team angeht. Total sind wir sechs Korrespondenten in DC: Je ein TV- und Radiokorrespondent aus der Romandie, aus dem Tessin und aus der Deutschschweiz. Fürs Fernsehen haben wir noch eine Produzentin, die uns administrativ und koordinativ unterstützt. Mit ihr arbeite ich vor allem bei Planung und Organisation eng zusammen.

Das Schweizer SRG-Team sitzt in einem Büro an der M Street in Washington D.C., wenige Gehminuten vom Weissen Haus entfernt. Auch hier ist für Arthur Honegger Effizienz eine Priorität. Die sechs Korrespondenten sprechen sich häufig ab, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden – in der Themenwahl sind jedoch alle Journalisten autonom.

Wann geht es zurück in die Heimat?
Das weiss ich noch nicht. Es kommt darauf an, was privat läuft und wann sich welche Möglichkeiten beruflich auftun. Ich lege mich eigentlich nie fest. Das habe ich damals in New York auch nicht getan. Klar ist: Das Maximum für einen Korrespondenten sind sechs Jahre, und nach Washington D.C. gehe ich in die Schweiz zurück.

Welcher journalistische Posten schwebt dir in der Schweiz vor?
Ich bin kein Planer.

Ein Träumer?
Ich denke, dass ich beim Fernsehen bleiben werde. SF ist ein guter Arbeitgeber. Ich kann mich dort mit dem Journalismus und dem Service public identifizieren.

Bist du mit dem Service public zufrieden?
Ja. Was ich bisher von SF gesehen habe, spricht dafür. Diversität und Fairness sind enorm wichtig. Der «Blick», wo ich zwei Jahre lang gearbeitet habe, hat ja die Tendenz, eine Position einzunehmen. Das ist für den Boulevard auch okay, für mich aber nicht die Art von Journalismus, die mir am meisten zusagt.

Arthur Honegger absolvierte 2001 die Ringier-Journalistenschule, war von 2002 bis 2004 Wirtschaftsredaktor beim «Blick» und durchlief danach beim Schweizer Fernsehen die Ausbildung zum Fernsehjournalisten. Danach arbeitete er in der Redaktion «Schweiz Aktuell», bevor er 2008 als Korrespondent für vier Jahre nach New York übersiedelte. Seit Januar 2012 ist er USA-Korrespondent in Washington, wo er mit seiner Ehefrau und der zweijährigen Tochter lebt.

Welche Art von Journalismus möchtest du machen?
Alle Seiten mit ihren besten Argumenten zu Wort kommen lassen, damit die Zuschauer daheim das ganze Bild zu sehen bekommen. Beim Fernsehen haben wir dank der Gebührenfinanzierung ja auch mehr journalistische Unabhängigkeit als viele Privatmedien.

Stimmt das wirklich?
Absolut. Ich habe zum Beispiel keine Ahnung, wer auf unserem Sender wann wo Werbung schaltet. Das war noch nie ein Thema. Im Printjournalismus ist das anders. Nehmen wir als Beispiel den «Kassensturz»: Da ist kein Unternehmen immun gegen Kritik, nur weil es sich um einen Werbekunden handelt. Das ist gut für den Journalismus. Das Schweizer Fernsehen ist so aufgestellt, dass die Unabhängigkeit gewährleistet ist.

Was nimmst du von deiner Zeit in New York und Washington mit?
In New York habe ich als Journalist gelernt, völlig eigenständig zu arbeiten und als Einzeleinheit zu funktionieren. In Washington geht es auch um andere Sachen: Entscheidungen, Rechnungen, Infrastruktur. In New York habe ich in Queens gelebt, laut Statistik «the most diverse place on earth». Wenn man einen derart bunten Haufen mal erlebt hat, dann kommt man schon verändert raus. Mit einer anderen Perspektive halt.

Was zeigt dir diese Perspektive?
Die Zeit in New York hat meinen Horizont erweitert. Und was will man mehr als das?

Leserbeiträge

Jürg Bissegger 07. September 2012, 11:38

Ganz nebenbei: seit wann hat die SRG Print-Korrespondenten ?

Ronnie Grob 07. September 2012, 12:04

Ein Fehler, danke für den Hinweis. Ich habe „Print“ mit „TV“ ersetzt.