von Roland Binz

Dünne Luft auf beiden Seiten

Die Geschichte hat selbst für ein wissenschaftliches Museum viel Staub aufgewirbelt. Seit der Tages-Anzeiger schwere Vorwürfe der Universität an die Adresse von Christoph Mörgeli als Konservator des Medizinhistorischen Museum veröffentlichte, mischen sich auch Schmutzpartikel unter den Staub. Erstaunlich: Weder Mörgeli, noch die Universität haben sich bisher darum bemüht, mit transparenter und kohärenter Kommunikation die Gunst der Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen.

Mörgelis Kommunikationsstrategie wirkt seit Beginn an diffus. Mal sagt er nichts, dann schwingt er via seinen Haussender TeleZüri die Drohkeule. Dann sagt er wiederum, er nehme keine Stellung, anschliessend darf er keine Stellung nehmen. Um tags darauf doch wieder ins TV-Rampenlicht zu stehen. Alles in allem informiert Professor Mörgeli sehr selektiv statt breit und nachvollziehbar. Inzwischen hat er mit Valentin Landmann gar einen Anwalt als Sprachrohr engagiert, der versucht, mit einem medialen Schmusekurs die Scherben der letztem Tage zu kitten. Leider hat die Glaubwürdigkeit durch das Engagement von Anwälten für die Aussenkommunikation noch selten Auftrieb erhalten (im Unterschied zur verständlichen Rechtswahrung). Im Gegenteil: Anwalt Landmann kann sich öffentlich noch so ins Zeug legen, seine Auftritte liefern nur erneuten Nährstoff für weitere Medienberichte. Und diese werfen stets auch ein negatives Schlaglicht auf seinen Mandanten Mörgeli. Trotz Widerspruch schwingen die Vorwürfe der Pflichtvernachlässigung an seinem Arbeitsplatz im Museum mit.

Wer Vertrauen schaffen will, kommuniziert am besten selber. Verantwortungsgefühl zeigt, wer hinsteht und sich persönlich allen Fragen stellt. Das hat Christoph Mörgeli bisher weitgehend versäumt. Ungenutzt lässt er überdies die offenen Kanäle, in denen er ungefiltert seine Sicht der Dinge darlegen könnte: kein Wort zur Museums-Geschichte auf Twitter (potenzielle Followerpower: 1500-mal x), keine klärende Zeile auf der eigenen Website. Weshalb stellt er sich nicht allen Journalisten und Dialoggruppen gleichberechtigt? Er könnte sich unzählige Anfragen ersparen, offene Punkte klären und so die Angriffsfläche massiv verkleinern. Stattdessen blühen ihm nun täglich neue Geschichten mit bitterem Beigeschmack. Inhaltlich hat es Christoph Mörgeli zudem verpasst, die Wogen mit einem Minimum an Selbstkritik zu glätten. Wer sich als unfehlbar darstellt, muss mit weiteren Angriffen rechnen – und das widerstrebt der Opferrolle, in der er sich positionieren will.

Nun, einen Trost bekommt Christoph Mörgeli: Seine Arbeitgeberin, die Universität Zürich, steht ihm in nichts nach. Sie informiert zwar kontinuierlich. Allerdings immer ein paar Schritte zu spät – und in einer Knappheit historischen Ausmasses. Von koordinierter Kommunikation keine Spur, wie die auf dürftiger Faktenlage basierende These zur bevorstehenden Entlassung Mörgelis im «Sonntag» zeigt. Da werden undurchsichtige Informationen häppchenweise geliefert, was Spekulationen nährt und hektische Klarstellungen nach sich zieht. Es ist anzunehmen, dass die rekordverdächtig kurze, dreizeilige Medienmitteilung vom letzten Sonntag in die Annalen der UZH-Mediathek eingehen wird. Ganz abgesehen davon folgten der ursprünglichen Haupt-Indiskretion weitere eher hilflos wirkende halboffizielle Statements aus dem «Kollegium».

Die Universität tut sich schwer, die Kommunikationsführung zu übernehmen – und beweist damit in erster Linie eines: eklatante Führungsschwäche. Dadurch verliert die Universität rasch an Ansehen und Vertrauen (und sie steigert das Risiko weiterer Kommunikationskrisen). Gut führen heisst primär glaubwürdig kommunizieren. Gemäss eigenen Angaben – immer nach dem Prinzip Salamitaktik offengelegt – liegt der Expertenbericht zur Qualität des Museums der Zürcher Universitätsleitung seit einem Jahr vor. Anschliessend startete die «ausserordentliche Leistungsbeurteilung» für/gegen Christoph Mörgeli. Doch worum es geht, darüber hat die Universitätsleitung unter dem Deckmantel «Persönlichkeitsschutz» noch kein einziges Wort verloren. Wo bitte bleiben die offiziellen Fakten? Der vorgeschobene Persönlichkeitsschutz wird zur Farce, weil die vielen offen gelassenen Fragen einzig und allein Spekulationen Vorschub leisten. Die Universität macht sich so zur Handlangerin staatlich geförderter Vorverurteilung, die ihr mitunter selber schadet. Und der lange Prozess erzeugt nicht den sonderlich dynamischen Eindruck, wonach die Unileitung personelle Fragen besonders ernst nehme. Ebenso wenig scheint Christoph Mörgeli auf eine rasche universitätsinterne Klärung gedrängt zu haben.

Nun nützt es den Beteiligten/Betroffenen bisweilen wenig, als menschliche Reaktion mit Verschwörungstheorien, Mobbing und Hetzkampagnen ins Feld zu ziehen. Erst recht nicht, wenn jemand wie der Hauptbetroffene SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli im Normalfall nicht müde wird, sich polarisierend weit aus dem politischen Showfenster in die Öffentlichkeit zu lehnen. Da darf man, wenn der Bumerang in Form von Kritik einmal zurückschlägt, keine Behandlung mit Samthandschuhen erwarten. Allerdings haben sowohl die Universität wie auch Christoph Mörgeli bislang nicht im Geringsten dazu beigetragen, dass sich die Staubwolke rund ums Medizinhistorische Museum legt und an deren Stelle Klarheit tritt.

Alles in allem ist die Situation für beide Seiten äussert unangenehm geworden. Der aufgewirbelte Staub verdünnt die Luft auf beiden Seiten. Selbstverschuldet haben die Universität Zürich und ihr Professor Mörgeli in den letzten Monaten eine Kommunikationskrise emporgeschaukelt, deren Ende noch nicht absehbar ist (Entwicklung der Geschichte, laufend aktualisiert bei der Tageswoche).

Bleibt noch die staubtrockene Schlussfolgerung: Krisenkommunikation setzt bereits in der internen Kommunikation an zwischen Mitarbeitenden, Vorgesetzten, Führungspersonen, Top-Management (Universitätsleitung) – zwischen den Betroffenen also. Auch wenn dies noch immer vielerorts verkannt wird, Krisenkommunikation ist eine zentrale Führungsaufgabe. Je früher ein Problem angepackt wird, desto eher lässt sich eine derartige Krise vermeiden. Die Kaskade ist grundsätzlich einfach: 1. Problemanalyse, 2. konstruktiv-kritische Aussprache unter den Beteiligten, 3. Lösung durch eine Einigung oder einen Führungsentscheid und 4. umfassende Kommunikation darüber. Die Information erfolgt zuerst gegenüber den Betroffenen, anschliessend intern und sodann breit in der Öffentlichkeit – in zeitnaher Abfolge. So hätte die Universität ihr Problem mit Mörgelis Museum sauber in ein bis zwei Tagen abhandeln können, mit deutlich weniger schädlichen Nebengeräuschen. Und die Putzequipen in den Medienredaktionen müssten sich nicht wochenlang bemühen, Staubkörner aus der medizinhistorischen Luft zu fischen.

P.S. Wetten, dass die Geschichte trotz allem etwas Gutes hat? Das (definitiv unschuldige) Medizinhistorische Museum wird dank der Aufmerksamkeit 2012 bestimmt einen Besucherrekord verzeichnen.

Der Autor veröffentlicht regelmässig Einschätzungen und Analysen zu aktuellen Fällen der Krisenkommunikation in seinem Blog

Leserbeiträge

bugsierer 19. September 2012, 20:39

angenehm unaufgeregte und fachlich fundierte analyse. danke.

k.siegenthaler 20. September 2012, 00:50

Wundert sich denn hier niemand, dass von der Uni erwartet wird sich in einer Personalangelegenheit den Kommunikationsfahrplan von einer Indiskretion diktieren zu lassen?
Das Schlamassel in der Causa Mörgeli haben jene zu verantworten, die die Indiskretion begangen haben und eine Journaille, die genüsslich in diesem staubtrockenen Haufen wühlt.

Fred David 20. September 2012, 12:31

„Weder Mörgeli, noch die Universität haben sich bisher darum bemüht, mit transparenter und kohärenter Kommunikation die Gunst der Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen.“

Versteh ich nicht. Es geht hier eindeutig um eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung, und nicht darum, „die Gunst der Oeffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen“. Das hätte Herr Mörgeli gern.

Er würde gern daraus eine parteipolitische Affäre inszenieren („alle immer gegen die SVP“, „linke Neider“ usw.). Darauf braucht niemand einzusteigen, auch die Uni nicht, so lange es keinerlei Belege in dieser Richtung gibt.

Dass der Tages-Anzeiger mit einer gut recherchierten Geschichte die Sache ans Licht brachte, ist journalistisch absolut richtig, denn der Fall hängt offenbar seit über einem Jahr „in der Luft“ und die Beteiligten haben offenbar Mühe, endlich zu einem Abschluss zu kommen.

Zu argumentieren, man könne mit ein bisschen „Krisenkommunikation“ die „Oeffentlichkeit auf seine Seite ziehen“ , ist in diesem Fall zumindest ein Larifari-Ratschlag.

Entweder trägt die wissenschaftliche Qualifikation von Dr.Mörgeli (und dafür gibt es ziemlich objektive Kriterien, denen sich jeder Uni-Dozent stellen muss). Oder dann halt nicht.

oliver brunner 24. September 2012, 16:05

@hr. david: …“gibt es ziemlich objektive Kriterien, denen sich jeder Uni-Dozent stellen muss“… die gibt es nicht wirklich, oder sie werden nicht durchgesetzt. es gibt zahlreiche vorlesungen vor sehr wenig publikum, in denen der professor jedes jahr das gleiche Papier herunterliest…

…“der Tages-Anzeiger mit einer gut recherchierten Geschichte“… die geschichte hing monatelang in der luft, war in der uni ein thema und der tagi wurde mehrmals darauf hingewiesen. primeurs werden meist nicht recherchiert sondern gesteckt. manche zeitungen wie der „sonntag“ können dann freigestellt und fristlos nicht auseinander halten.

Fred David 24. September 2012, 18:19

@) Oliver Brunner: Dass die Geschichte in der Uni offenbar schon lang unüberhörbar im Raum hing und der Tages-Anzeiger („Wir bleiben dran“) mehrmals in den Hintern gekickt werden musste, bis er dann mal nachschaute, ist eine interessante Mitteilung, wenn auch mehr für Brancheninsider.

Mit den Kriterien sehe ich das anders: Ein Dozent, der u.a. Museologie unterrichtet, dessen eigenes Museum allgemein anerkannten Standards schon lange nicht mehr genügt, der deswegen mehr als einmal abgemahnt wurde, ohne offenbar entsprechend zu reagieren, dessen wissenschaftliche Publikationstätigkeit gleichfalls hinter den Uni-Massstäben weit zurück bleibt – das kann man in den öffentlich zugänglichen Leistungsberichten des Instituts nachlesen – darf sich nicht wirklich wundern, dass das zu Konsequenzen führt.

Es sei denn, er vertraute auf schützende Hände von höherer Stelle. Erstaunlich ist für mich eher, dass er sich so lange halten konnte, und da darf man fragen: Warum?

Dass vielfach nicht unterschieden wurde zwischen Entlassung und Freistellung, stimmt, wobei allerdings die Freistellung in diesem Fall klar zur Entlassung führt. Er geht jetzt ja in Rekurs und dort kann er ja all seine Notizzeddeli auf den Tisch legen.

Aber das alles muss ich jetzt bis zum Entscheid der Rekurskommission als Leser nicht mehr wissen.

Was die Tsüri-Medien damit jetzt als Dauerveranstaltung präsentieren, hat in meinen Augen Provinzniveau. Man muss , mal auf Starkdeutsch, nicht auf jeden Furz eintreten, auch wenn ihn eine Parteileitung oder ein Nationalrat lässt, selbst dann , wenn Roger Schawinski auf seinem Lokalsender das anders sieht.

Die Welt jenseits des Üetlibergs, die es gerüchteweise auch noch gibt, ist an diesem Mörgeli-uuf-Mörgeli ab- Fortsetzungsroman nur noch peripher interessiert.

Ich weiss natürlich, dass man das in Tsüri Wörld Siti überhaupt nicht für möglich hält (womit ich nicht Sie persönlich meine).

Markus Mühlemann 25. September 2012, 20:40

Wetten, dass die Geschichte trotz allem etwas Gutes hat?

Ja klar, jetzt kann sich auch ein Dozent (wo eigentlich?) als Kommunikationsberater (ah, endlich selbständig, aber noch zu wenig Klienten!) präsentieren und auf der medialen Schlammlawine mitsurfen.

Roland Binz 26. September 2012, 07:56

Bekenne mich schuldig im Sinne des Kommentierers – wurde allerdings für diese Analyse angefragt. Und bin froh, dass Ihre Klammerbemerkungen nicht zutreffen.

http://www.fh-hwz.ch/g3.cfm/s_page/54090/s_name/dozierende11

http://www.spri.ch/dozierende.html?tx_wtdirectory_pi1%5Bshow%5D=178&cHash=143ee7923d

Gerne sende ich Ihnen auf Wunsch auch die Studierendenfeedbacks der letzten Jahre. Sie würden staunen, wie falsch Sie mit Ihrer Einschätzung liegen.

Für Fragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.