von Nick Lüthi

Der blaue Elefant im Raum

bluewin.ch ist eine der meistgenutzten Online-Plattformen der Schweiz. In erster Linie wegen der beliebten E-Mail-Dienste. Aber nicht nur. Bereits heute arbeitet eine 30-köpfige Redaktion für das Portal. Nun will Swisscom das publizistische Angebot ausbauen.

Bisher verhielt es sich mit bluewin.ch wie mit dem sprichwörtlichen Elefanten im Raum. Alle sehen ihn, aber niemand hält seine Anwesenheit für ein Problem. «Hand aufs Herz: Wer nutzt Bluewin für etwas anderes als fürs E-Mail?», fragte Hansi Voigt, damals Chefredaktor von 20 Minuten Online, vor anderthalb Jahren. Das entspricht der landläufigen Meinung: bluewin.ch weist nur wegen seiner Webmail-Dienste so hohe Nutzerzahlen aus.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die Verantwortlichen behaupten sogar das Gegenteil: Die meisten Besucher nutzten das Portal wegen den redaktionellen Inhalten. «Nur bei einem kleinem Teil unserer Besucher steht das Abrufen ihrer E-Mails im Fokus», sagt Marc Lottenbach, als «Head of Portal & Content Experience» verantwortlich für das Swisscom-Portal. Nutzerzahlen, die das belegen würden, kann oder will Lottenbach aber keine vorlegen. Mit einem Blick lässt sich indes leicht feststellen, dass sich das redaktionelle Angebot auf bluewin.ch nicht eben bescheiden ausnimmt. Wer sich über die aktuelle Nachrichtenlage informieren will, findet auf bluewin.ch ein reichhaltiges Angebot. Und das soll nun wachsen. «Vor allem in den Bereichen Sport, Entertainment und Digital wollen wir an Profil gewinnen», sagt Marc Lottenbach. Bis wann dieser Ausbauschritt erfolgen soll, kann Lottanbach nicht sagen.

Die Voraussetzungen für einen Ausbau des redaktionellen Angebots von bluewin.ch sind ideal. Dank den TV-Aktivitäten von Swisscom, besteht Spielraum für eine stärkere Verknüpfung von Web und TV-Plattform. Zum Teil läuft das schon heute: Wer Swisscom-TV schaut, kann über plattforminterne Applikationen auf Zusatzinformationen zum Fernseh- und Filmangebot, aber auch auf Nachrichten, zugreifen. Bluewin-Manager Lottenbach bestätigt gegenüber der MEDIENWOCHE, künftig Web und TV «noch stärker zu verknüpfen.» Aber auch bei den eigenständigen redaktionellen Inhalten will Swisscom zulegen. Beschäftigt bluewin.ch schon heute Autorinnen und Autoren für einzelne Rubriken, sollen noch mehr dazukommen.

Gut möglich, dass bluewin.ch mit dieser Weiterentwicklung künftig stärker auf dem Radar der Konkurrenz aufscheinen wird. Wenn nicht wegen der Inhalte, dann wegen der Eigentümerschaft. Bluewin ist Teil von Swisscom und Swisscom wiederum gehört mehrheitlich der Eidgenossenschaft. Beim schweizerischen Verlegerverband will man zwar nichts verschreien, zeigt sich aber wachsam. Etwas verklausuliert, aber dennoch unmissverständlich signalisiert Geschäftsführer Urs F. Meyer die Wachsamkeit der Verleger: «Würden die privaten Medienhäuser den Eindruck gewinnen, dass bei der Swisscom Gelder aus dem Monopolbereich ein konkurrenzierendes Medienangebot wettbewerbsverzerrend finanzieren, wäre der Gang zur Weko oder zum Preisüberwacher sicher angebracht.»

Das publizistische Angebot von Swisscom untersteht keiner rundfunkrechtlichen Regulierung, wie dies bei den Online-Aktivitäten der SRG der Fall ist. Doch auch ohne gesetzliche Schranken will sich Swisscom zurückhalten. «Wir sind uns der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit bewusst, mit der eigenen Medientätigkeit Zurückhaltung zu üben, besonders im Bereich News und Politik», schreibt Swisscom-Sprecher Olaf Schulze auf Anfrage. Konkret heisst das, dass die Nachrichten auf bluewin.ch auch künftig ausschliesslich mit Agenturmaterial bestritten werden.

Bei aller Zurückhaltung: Den Ausbau des publizistischen Angebots von bluewin.ch – auch wenn er nur die Bereiche Sport, Unterhaltung und Digital betrifft – könnten andere Online-Medien durchaus zu spüren kriegen. Marc Lottenbach macht denn auch keinen Hehl daraus, dass sich bluewin.ch als Konkurrenz zu «Blick», «20 Minuten» und Schweizer Fernsehen versteht. Bei Ringier und Tamedia will man diese Ankündigung nicht näher kommentieren.

Leserbeiträge

Leo Nauber 30. April 2013, 16:02

Eigentlich schon verrückt, dass ein Anbieter seine guten Qualitätsmöglichkeiten nicht liefern darf, nur damit andere, die das zum Teil gar nicht, zum Teil nur „halbbazzig“ können überleben dürfen.
Ähnlich geht es doch der SRF mit dem hervorragenden Portal auch.
Leo