von Nick Lüthi

«Journalist des Jahres» 2011 hört auf

Nach dreissig Jahren als Journalist in Bundesbern ist Schluss. Urs Paul Engeler (62) hat per Ende Mai seine Stelle als Redaktor der Weltwoche gekündigt. Mit Engeler verlässt ein journalistisches Schwergewicht die politische Bühne – wenn er denn tatsächlich aufhört.

Geht er nun oder bleibt er doch? Und wenn er geht, wann hört er auf? Bei Urs Paul Engeler kann man sich da nie ganz sicher sein. Selbst heute nicht, nachdem der Journalist im Gespräch mit der MEDIENWOCHE bestätigt hat, dass er seine Stelle als Redaktor der Weltwoche gekündigt habe. Ein Anruf bei Weltwoche-Verleger Roger Köppel stiftet mehr Verwirrung, als dass er Klarheit schaffen würde. «No Comment, ich gebe keine Auskunft zur Privatsphäre meiner Mitarbeiter», sagt Köppel. Vertrauen wir also für einmal nur einer Quelle und geniessen die Aussagen mit der entsprechenden Vorsicht. Schon einmal hatte Engeler seinen Abgang angekündigt und ist dann trotzdem geblieben.

«Jetzt ist alles klar geregelt, meine Nachfolge geklärt und ich kann gehen», sagt Engeler. Sein Arbeitsverhältnis mit der Weltwoche habe er per Ende Mai 2013 aufgelöst. Das faktische Ende seiner Tätigkeit für das Blatt falle jedoch bereits auf Anfang/Mitte April. Im Gespräch wirkt er gelassen und sagt: «Ich kann mir jetzt gut vorstellen, aufzuhören.» Das war lange nicht so. Wegen seiner langjährigen Erfahrung diente er der Weltwoche-Redaktion auch als «internes Auskunftsbüro». Das habe ihn immer wieder belastet und er sei nie losgekommen.

Nun wäre ein günstiger Moment, um einen Strich unter eine erfolgreiche Karriere zu ziehen. Eben erst hat eine Engeler-Recherche jene finale Wendung genommen, die seine Enthüllungen oft nehmen: Ein Kopf ist gerollt. Diesmal jener von Regula Mader, Direktorin der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern, nachdem sie den ihr missliebigen Klinikchef entlassen und eine Titelschwindlerin als Qualitätsmanagerin beschäftigt hatte. Engeler ist für seine «Trefferquote» ebenso berüchtigt, wie ihn sein Arbeitgeber genau dafür schätzt. Mit SVP-Bundesratskandidat Bruno Zuppiger und Nationalbankchef Philipp Hildebrand fanden in den letzten beiden Jahren zwei prominente Köpfe den Weg in seine Trophäensammlung. Für die Zuppiger-Geschichte wurde er 2011 von der Branche mit der Auszeichnung zum «Journalisten des Jahres» geehrt.

Als Antrieb für sein Schaffen nennt Engeler Sucht und Pflicht. Politische Motive stritt er stets ab, obwohl er natürlich sehr wohl politische Positionen vertritt, allerdings nicht parteigebunden und auch nicht immer kohärent. Die Versuche, ihn dennoch einzuordnen, brachten ihm kreative Titulierungen ein, wie etwa «einsamer rechter Anarchist» (Constantin Seibt, Tages-Anzeiger), «Polemiker auf der liberalen Klaviatur» (René Zeller, NZZ) oder «Wadenbeisser der Nation» (Sandro Spaeth, 20min.ch). Engeler selbst soll sich einmal als «unerziehbarer Betriebsunfall» beschrieben haben. Das ist natürlich reine Koketterie. Die war ihm nie fremd und er weiss auch um seinen Ruf – der ja auch nicht unbegründet ist. Die Liste seiner früheren Enthüllungen liest sich wie das Verzeichnis ehemaliger Staatsgeheimnisse, in den letzten Jahren waren es vermehrt Amtsträger aus Politik, Verwaltung und Justiz, die ihr Fett wegkriegten.

Bei aller Produktivität signalisierte Engeler seit Jahren schon, dass er eigentlich nur noch die Zeit bis zu seiner Frühpensionierung absitze. Ein erster Rücktrittsversuch scheiterte dann aber an den Überredungskünsten von Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel. Engeler erklärte sich zu einer Ehrenrunde bereit. Vermutlich bekniet Köppel auch jetzt sein bestes Pferd im Berner Stall und will deshalb die Kündigung noch nicht bestätigen. Nach Engelers Darstellung seien diese Bemühungen bisher erfolglos verlaufen: «Über die Zeit nach meiner Kündigung hinaus habe ich mit der Weltwoche nichts abgemacht», sagt er. Damit deutet alles darauf hin, dass das journalistische Schwergewicht die Bühne nun tatsächlich verlässt.