von Ronnie Grob

Ein Walder steht die Männlein

Seit einem Jahr ist Marc Walder CEO von Ringier. Zu seinen Führungsaufgaben gehört es seither auch, Personal zu verabschieden, was Walder diplomatisch, aber unterschiedlich macht. Eine Liste mit Abschiedsfloskeln von herzlich bis unterkühlt.

Personalien bei Ringier sind wie die Papstwahl – es wird viel spekuliert, doch nur ein kleiner Kreis von Auserwählten weiss Bescheid. Um so mehr lohnt es sich, die offiziellen Verlautbarungen bei Abgängen zu lesen. Sie geben in Nuancen über das Bild Aufschluss, das die Unternehmensleitung und -kommunikation von jenen, die das Unternehmen verlassen, gewonnen hat oder erzeugen möchte. Es ist etwas wie bei den Todesanzeigen. Nur verklausuliert lässt sich einstufen, wie beliebt, erfolgreich, unfähig der Verstorbene war. Im Vergleich werden Sätze zum Abschied aussagekräftig, sie geben aber wohl meist weniger über Wesen und Leistung einer Person Aufschluss, sondern darüber, wie sich die Beziehung gestaltete und wie der Abschied war.

Vor genau einem Jahr, am 5. April 2012, wurde Marc Walder zum CEO der Ringier AG. In der Medienmitteilung dazu kam nicht etwa der neue CEO zu Wort, sondern der scheidende. Christian Unger sagte, mutmasslich aus freien Stücken:

«Ringier ist nach dreijähriger Umbauarbeit heute ein breit diversifiziertes Medien-Unternehmen und hat mit dem Joint Venture Ringier Axel Springer Media AG eine hervorragende Position in Mittel- und Osteuropa gewonnen. Es ist der richtige Zeitpunkt für mich, neue Aufgaben anzunehmen.»

Christian Unger, 5. April 2012

Seit dann ist es jeweils Marc Walder, der in den Medienmitteilungen zu den Abgängen ein kurzes Zitat liefert.

Wir ordnen die bei den Abgängen der letzten 365 Tage gefallenen Marc-Walder-Zitate absteigend von eher warm nach eher kühl. Die letzten Ränge belegen übrigens Deutsche:

«Caroline Thoma hat die Integration der Blick-Marken unter dem Motto ‹One Brand – all Channels› massgeblich umgesetzt und die Digitalisierung der Marke Blick erfolgreich vorangetrieben. Ich danke Caroline Thoma herzlich für ihren grossen Einsatz und ihre hervorragende Arbeit und wünsche ihr für die Zukunft das Allerbeste.»

Caroline Thoma, 25. März 2013

«André Béchir hat nicht nur die Good News umsichtig und mit Elan zu einer Perle im europäischen Veranstaltungsgeschäft gemacht; ihm verdanken wir auch die Position des Konzertgeschäftes in der Schweiz. Für diese wertvolle und wegweisende Arbeit über Jahrzehnte möchte ich André Béchir danken – wohl im Namen von Millionen von Konzertbesuchern.»

André Béchir, 25. Oktober 2012

«Matthias Graf hat die Unternehmenskommunikation von Ringier in der Schweiz und international mit viel Kreativität neu aufgebaut und ihr viele neue Impulse verliehen. Ich danke ihm herzlich für seine hohe Professionalität und sein Engagement, mit der er unser Unternehmen erfolgreich nach innen und aussen positioniert und repräsentiert hat.»

Matthias Graf, 12. Juni 2012

«Ich bedanke mich bei Thomas Huwiler für seine erfolgreiche Arbeit in den letzten Jahren. Der digitale Umsatz von Ringier Schweiz ist in dieser Zeit auf 21 Prozent angestiegen.»

Thomas Huwiler, 30. Mai 2012

«Ralph Grosse-Bley hat als Chefredaktor den Blick zurück zum Kern der Marke geführt. Er übergibt die grösste Bezahlzeitung der Schweiz in sehr gutem Zustand. Ich danke ihm für seinen grossen Einsatz.»

Ralph Grosse-Bley, 7. Februar 2013

«Ich danke Tobias Schulz-Isenbeck für sein Engagement bei Ringier. Und würde mich freuen, wenn er dem Unternehmen weiter beratend zur Verfügung stehen würde.»

Tobias Schulz-Isenbeck, 2. Mai 2012

«Ich danke Karsten Witzmann für sein grosses Engagement. Er hat den SonntagsBlick im hart umkämpften Sonntagsmarkt noch stärker profiliert.»

Karsten Witzmann, 20. November 2012

«Stefan Kastenmüller hat die Entertainment-Strategie von Ringier Schweiz weiter vorangetrieben. Dafür danken wir ihm.»

Stefan Kastenmüller, 28. Juni 2012

Angela Merkel hat im Laufe ihrer Karriere haufenweise deutsche Männer hinter sich gelassen, nach sieben Jahren Bundeskanzlerschaft scheint sie unangefochtener denn je. Hat Marc Walder Ähnliches geschafft, und das nur in einem Jahr? Ohne Rückhalt an den richtigen Stellen geht das nicht. Anders als Unger weiss Walder offenbar, mit wem man besser einmal die Woche einen Espresso trinkt.

Leserbeiträge

Philip Kübler 06. April 2013, 07:34

Öffentlich verabschieden ist ein heikle Aufgabe, und hier sehen wir doch recht anständig gemachte Beispiele. Die gewählte Form unterscheidet sich kaum von anderen Branchen. Dort wird oft noch weniger gesagt. Es scheint die Kategorie „Lob für den Einsatz“ und die Kategorie „Lob für den Erfolg“ zu geben. Die Unterkategorien sind Gewinn (super), Umsatz (gut) oder irgend etwas Qualitatives wie Positionierung, Entwicklung und dergleichen (ok). Besonders spannend sind Abgangsmeldungen, wenn es gekracht hat. Ich warte noch immer auf die Meldung eines Unternehmens, in der zur Floskel „unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung“ auch das Naheliegende gesagt wird, nämlich: Wer hat welche Strategie befürwortet und warum wurde die Siegerstrategie gewählt. Und warum musste das heissen, dass der Unterlegene gehen muss. Meistens lag nicht die Strategie, sondern die sogenannte Chemie zu Grunde. Und es würden sich ähnliche naheliegende Fragen stellen, doch die darf ein Unternehmen nicht beantworten, weil es für beide Seiten eben wirklich heikel ist.

Hans Fröhlich 08. April 2013, 18:02

Hr. M. Walder ist lange schon im Unternehmen (ua. Chefredakteur der Schweizer Illustrierten). Im Gegensatz zu vielen damals Leitenden hat er sich schon immer für eine grade Linie bekannt. Aber in einem Unternehmen wie die Ringier AG ist es auch wichtig, mit verbalem Äusserungen sensibel und diplomatisch umzugehen. Es ist immer schwierig, ausgerechnet Journalisten, die teilweise nicht nur stilsicher sondern ab-und-an von sich selber so Ich-überzeugt sind, auch mal den „Schwarzen Peter“ zu zeigen. Hr. Walder ist in meinen Augen sicherlich einer der befähigsten Leiter die dort schaffen.
Achja, Merkel und Walder auf eine Ebene zustellen halte ich mal für ziemlich unpassend. Oder rasselt hier jemand mit Vorbehalten den Deutschen gegenüber?* Sehr leicht verbrennt man sich die Finger…
PS: Ich habe nix davon, hier den Netten raushängen zulassen, bin ich schon seit 4 Jahren nicht mehr dort 😉 Aber ich habe herzhaft gelacht, als ich diesen Artikel las. Danke für diese Auflistung. War sehr unterhaltsam.
Doch gibt es nichts Wichtigeres in der Welt, als vom Sofa der Konkurrenz aus zu schmollen? Als Prosa aber sehr nett…

*Sorry, mein persönlicher Eindruck beim lesen. Muss für andere natürlich keinfalls zutreffend sein und ich möchte nicht im Geringsten hier Polarisieren oder Politisieren…