von Nick Lüthi

Amtl. bew. Kanalexplosion

Die SRG erhält schier unbeschränkten Spielraum im Internet. Am Mittwoch hat der Bundesrat die Konzession entsprechend angepasst. Demnach ist die Verbreitung von Programmen im Internet nun Radio und Fernsehen gleichgestellt – auch was die Werbung angeht. Einschränkungen gibt es lediglich bei den Online-Textnachrichten.

Die Medienmitteilung des Bundesrats vom Mittwochmorgen trägt den irreführenden Titel «Moderate Öffnung des Internets für die SRG». Damit soll wohl vermieden werden, schlafende Hunde zu wecken oder das Augenmerk auf die wirklich wichtigen Punkte zu lenken. Denn wer auch die Erläuterung zum Bundesratsbeschluss aufmerksam liest, merkt schnell: von «moderat» kann keine Rede sein. Der Bundesrat hat einen medienpolitischen Entscheid gefällt mit weitreichenden Folgen. Mit der Änderung der SRG-Konzession, die am 1. Juni in Kraft tritt, wird das Internet als Verbreitungskanal Radio und Fernsehen gleichstellt.

Gemäss der neuen Konzession darf die SRG nun auch «Sendungen über politische, wirtschaftliche, kulturelle und sportliche Ereignisse von sprachregionaler oder nationaler Bedeutung originär über das Internet verbreiten». Bisher waren solche Live-Übertragungen im Netz meldepflichtig. Der SRG steht damit eine unbeschränkte Anzahl neuer Kanäle zur Verfügung. Und mehr noch: Da solche Online-Verbreitung als Teil des konzessionierten Programms gilt, gibt es für die Werbung keine online-spezifischen Einschränkungen. Die Live-Streams können vermarktet werden als handle es sich um Fernsehprogramme.

Die neue Konzessionsbestimmung lockert nicht nur den Spielraum für Livesendungen im Internet, sondern auch für vorproduzierte Inhalte, die «On-Demand» als Stream oder Podcast angeboten werden. Da auch hier der bisher erforderliche Bezug zu einem Radio- oder Fernsehprogramm wegfällt, kann die SRG nun auch Sendungen anbieten, die sie alleine für die Verbreitung im Internet produziert hat. In diesem Kontext sind auch die Äusserungen von SRG-Präsident Raymond Loretan zu verstehen: «Ein wichtiger Punkt ist die Schaffung spezifischer, internettauglicher Inhalte», schrieb Loretan im Vorwort zum Jahresbericht 2012 der SRG. Wie die MEDIENWOCHE weiss, ist die Planung für reine Online-Formate bereits weit fortgeschritten. Die SRG hat nur noch auf das grüne Licht des Bundesrats gewartet. Schon in diesem Jahr sollen erste Produktionen zu sehen sein.

Gemessen an den weitreichenden Lockerungen zugunsten der SRG wirken die Einschränkung bei den Online-Nachrichten, die der Bundesrat heute ebenfalls beschlossen hat, marginal bis bedeutungslos. News-Artikel auf den Webseiten der SRG dürfen künftig nur noch maximal 1000 Zeichen umfassen. Es sei denn, die Nachricht bezieht sich auf eine Radio- oder Fernsehsendung. Dann bleibt der Umfang uneingeschränkt. Da kurze Texte durchaus einem Publikumsbedürfnis entsprechen, sorgt die Einschränkung im redaktionellen Prozess für Mehraufwand, weil nun auf die Zeichenzahl geachtet werden muss.

Umso erstaunlicher nimmt sich vor diesem Hintergrund die Reaktion der Verleger aus, die bisher damit auffielen, gegen jede reale und vermutete Ausweitung der Online-Aktivitäten der SRG lautstark zu opponieren. Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument zeigte sich in einer ersten Reaktionen «mit der Gesamtlösung zufrieden». Eine Aussage, die eigentlich einer Kapitulation gleichkommt – oder der Erkenntnis geschuldet ist, dass die SRG doch nicht der «Hauptfeind» der Verleger ist. Trösten können sich die Verleger mit dem weiterhin gültigen Verbot von Werbung auf den SRG-Webseiten, das der Bundesrat bereits im letzten Herbst beschlossen hat.

Bild: Flickr/Bill Burris (CC BY-SA 2.0)

Leserbeiträge

Jens Fischer 02. Mai 2013, 14:08

Völlig korrekt – die SRG soll und muss alle Inhalte im Internet verbreiten dürfen, genauso wie es alle Verlage ebenfalls dürfen. Die Beschränkung der Zeichenzahl ist zudem ein Hohn – auf diese Regelung könnte man gut und gerne verzichten. Das hat zur Folge, dass im Redaktionsalltag 10-Sekunden-Schnipsel aus Radiosendungen geschnitten werden müssen, damit der Sendebezug hergestellt ist. Lächerlich. Die Verleger tun jetzt gut daran, sich auf ihre eigenen Produkte zu konzentrieren – denn da gibt es einiges an Nachholbedarf, wenn ich mir Seiten wie bspw. http://www.suedostschweiz.ch anschaue…

Leo Nauber 03. Mai 2013, 13:46

Eines ist wichtig zu betonen: Die Journalisten und weiteren MA der SRG machen weitgehend einen Superjob und es ist einfach schade, wenn die guten Arbeits-Resultate der Öffentlichkeit nicht entsprechend gezeigt werden dürfen. Und heute ist dies halt nun das Internet.
Und zahlen tue ich auch dafür – die Billag zieht es im Auftrage des Bundes und damit der Politik ein. Und die Politiker sind vom Volk gewählt und somit gewollt an ihrem Platz.

Frank Hofmann 03. Mai 2013, 16:25

Superjob? Dann sagen Sie uns mal, wie viele TV- oder auch Radio-Journalisten z.B bei der NZZ eine Chance hätten. SRF ist eine geschützte Werkstatt. Punkt. Vergleichen Sie mal die Anstellungs- und Lohnbedingungen von SRF und unabhängigen Medien. Warum ist das Ziel jedes Lokalradio-/Lokal-TV-Journis der Staatssender? Warum bleiben sie dort bis zur vorzeitigen Pensionierung? Warum braucht SRF 18 Radioprogramme? Dass die Politiker gewählt sind, ändert gar nichts an der gegenseitigen Abhängigkeit, im Gegenteil. Man tut sich nicht weh, weil es ein Win-Win-Verhältnis ist. Unabhängigkeit sieht anders aus.

Helmuth Fuchs 04. Mai 2013, 12:29

„…wenn die guten Arbeits-Resultate der Öffentlichkeit nicht entsprechend gezeigt werden dürfen.“ Die werden doch dauernd gezeigt in Form von schwachsinnigen Spielshows, unnötigen Börsen-Werbe-Sendungen zu bester Zeit, peinlichen „Reportagen“ unterbeschäftigter Hobby-Reise-Journalisten. Und alles unter dem Schutzmantel des „service publique“. Es gibt auch sehr gut gemachte Formate wie Eco. Wir bezahlen aber für wenig Leistung einen enormen Preis (Gebühren). Wäre ja Alles noch akzeptabel. Dass aber SRG die Privaten auch auf dem Werbemarkt noch konkurrenzieren muss ist schlicht eine Schweinerei.

Helmuth Fuchs 04. Mai 2013, 11:49

Die Verleger haben bis anhin schon die Online-Chancen völlig verschlafen, wieso sollten sie jetzt aufwachen, wo sie von der SRG endgültig über den Tisch gezogen werden?

Die Schweizer Verleger, allen voran Lebrument, verschachern ihr Restsilber wie schon bei den Fernseh- und Radiokonzessionen gegen staatliche Almosen. Wo die Innovationskraft fehlt, gibt es auch keine zukünftige Bedeutung. Die kontinuierlich sinkenden Werbe- und Abonnentenzahlen, eine neue Generation von Nichtlesern, die Fantasielosigkeit gestriger „Medienmogule“ und eine sinnentleerte Selbstbeweihräucherung des „Qualitäts-Journalismus“: Lichterlöschen bei den Schweizer Verlegern.