von Nick Lüthi

Honorar zahlt die Credit Suisse

Gleich zwei Zeitungen haben jüngst Artikel veröffentlicht, die ursprünglich für das Bulletin der Credit Suisse geschrieben wurden. Eine Grenzüberschreitung oder nur eine Gratwanderung?

Auf den ersten Blick sieht alles ganz normal aus. Ein Interview in der Basler Zeitung mit Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller, eine Recherche der Berner Zeitung zur Entwicklung der Gesetzgebung in der Schweiz. Zwei Texte, wie man sie – zum Glück – weiterhin in Schweizer Tageszeitungen findet. Erst am Ende der Lektüre bemerkt man den kleinen, aber nicht minder bedeutsamen Unterschied zum Normalfall: Die Artikel stammen aus dem Bulletin der Grossbank Credit Suisse.

Die Umstände der Zweitveröffentlichung in BaZ und BZ unterschieden sich indes in einem zentralen Punkt: Das Shiller-Interview haben zwei Redaktoren des CS-Bulletins geführt. Für die Gesetzgebung-Recherche in der BZ zeichnet dagegen ein freier Journalist, der seinen Artikel nach der Erstveröffentlichung im Bankmagazin auch der Zeitung angeboten hat.

Beim CS-Bulletin spricht man von Courant normale im Zusammenhang mit der Textübernahme: «Seit wir das Bulletin leiten, gab es immer wieder Zweitverwertungen – das ist nichts Neues. Schon früher wurden Bulletin-Inhalte syndiziert», teilt Simon Brunner auf Anfrage mit. Der frühere Weltwoche-Redaktor verantwortet zusammen mit Michael Krobath und Daniel Ammann (beide auch Ex-Weltwoche) seit 2012 die Redaktion des Bankmagazins. Ihr beruflicher Hintergrund als langjährige Journalisten färbt deutlich auf die Machart des Bulletins ab, das als attraktiv gestaltetes und aktuell gehaltenes Magazin daherkommt. Der einzige, aber entscheidende Unterschied zu anderen Publikationen von diesem Format ist die Grossbank als Herausgeber.

Deshalb stellen sich bei einer Zweitverwertung in einer sich als unabhängig verstehenden Zeitung andere Fragen, als wenn man Artikel von einer befreundeten Redaktion übernimmt. Auch wenn sich das CS-Bulletin einem hochwertigen Magazinjournalismus verpflichtet sieht (und diesen Anspruch durchaus auch einlöst), bleibt es ein PR-Organ der Grossbank. Journalismus-Professor Daniel Perrin ging kürzlich sogar so weit, den Autoren des Bankmagazins den Status als Journalisten abzusprechen. «Jemand, der fürs CS-Bulletin schreibt, zählt für uns nicht als Journalist. Ein Journalist schreibt für die Öffentlichkeit, im Interesse der Öffentlichkeit», sagte Perrin im letzten Juni gegenüber persoenlich.com.

Was aber sagen die Redaktionen von BaZ und BZ zur Zweitveröffentlichung eines Texts, den die Credit Suisse ursprünglich finanziert hat? Während man es in Basel vorzieht zu schweigen und die Fragen der MEDIENWOCHE nicht beantworten will, hat sich die Chefredaktion der Berner Zeitung umgehend auf Twitter zu Wort gemeldet. Der stellvertretende BZ-Chefredaktor Peter Jost verteidigt die Veröffentlichung mit dem Hinweis auf den Einzelfall. Eine regelmässige Textübernahme hielte er sehr wohl für problematisch. Ausserdem hat die BZ den Artikel nicht 1:1 übernommen, sondern textlich und grafisch überarbeitet und erweitert und dafür den freien Autor auch entschädigt.

Ganz generell stehen die beiden Textübernahmen für eine Grenzverschiebung im Journalismus. Wenn ein freier Journalist eine Recherche zuerst dem Magazin einer Grossbank anbietet und erst für die Zweitverwertung eine unabhängige Tageszeitung anfragt, dann ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, wer die attraktiveren Bedingungen bietet. Selbst die grossen Namen der Branche haben heute offensichtlich kein Problem damit, für Unternehmenspublikationen zu schreiben. So liest man Starreporterin Margrit Sprecher im Magazin des Lebensversicherers Swiss Life. Musikjournalismus-Doyen und Britannien-Fussballkorrespondent der NZZ Hanspeter «Düsi» Künzler schreibt für das neue Wochenmagazin der Fifa.

Für Zeitungen bleibt der Abdruck von Texten aus Firmenpublikationen eine Gratwanderung. Im konkreten Fall, wie bei den beiden erwähnten Artikeln aus BaZ und BZ, kann sich eine Zweitveröffentlichung durchaus als sinnvoll und unproblematisch erweisen. Allerdings müssten Redaktionen solche Übernahmen grundsätzlich als Eingeständnis der eigenen Schwäche und als Ansporn verstehen, möglichst ohne fremde Dienste auszukommen.

Auch wenn sich Journalismus und Unternehmenskommunikation einander immer stärker annähern, verfolgen sie im Kern unterschiedliche Interessen. Ein Firmenmagazin bleibt als Gesamtprodukt ein PR-Instrument, egal wie journalistisch die einzelnen Beiträge auch gemacht sein mögen.

Leserbeiträge

Stefan Welle 25. Oktober 2013, 16:41

also ich glaube das ist ein ziemlich grundlegender trend der nach günstigem content schreit, und alle medien wollen ihre texte günstig einkaufen weil sie ja am leserschwund leiden und damit ihr kerngeschäft schwach läuft. eine regionalzeitung bietet freien journalisten für 10’000 Zeichen schon mal 500 franken, die nzz schwingt sich zu 1500 auf. wenn man für eine bank 3000-3500 zeichen schreibt, kann man aber 1600 -2200 franken erhalten. also ist für freie journalisten klar: der name in den medien liefert das renommee, die arbeit für corporates das geld. und die zeitungen kaufen gern zweitverwertungen, egal von wo. so lange die leser nichts zahlen, geht das race to the bottom einfach weiter.

Christian Hilbrand 25. Oktober 2013, 17:38

Die Beiträge im CS-Bulletin sind ja derzeit auch ausserordentlich journalistisch, und die sogenannte „visuelle Kommunikation“ deckt sich genau mit dem jeweiligen Inhalt. Davon können sich etliche „richtige“ Zeitungsredaktoren ein gutes Stück abschneiden.

Zudem nehmen die Schwerpunktthemen Fragen auf, die die Leser interessieren: etwa Die Zukunft des Mittelstands (1/2013), der Wert und die Bedrohung der Freiheit (3/2013) oder die Jugend und ihre heutigen Perspektiven (5/2013).

Die Frage ist mithin nicht, ob die Autoren des CS-Bulletin echte Journalisten sind, sondern wohl eher, wie lange ein Konzern wie die CS solchen „hochwertigen Magazinjournalismus“ (O-Ton Medienwoche) durchhält. Aber dieselbe Frage stellt sich auch bei den meisten Schweizer Tageszeitungen. Deren Verleger sehen ihre Titel ja nur noch als Cash-Cows: Wer aus einer Zeitung eine Rendite von 10 und mehr Prozent zieht (statt diese in die Redaktion und die Recherche zu reinvestieren), pervertiert die ursprüngliche Idee der Zeitung.

Karl Lüönd 26. Oktober 2013, 14:16

Knapp daneben, lieber Nick Lüthi, finde ich. Wenn der Beitrag in einem Firmenmagazin so gut ist, dass er in eine grosse Regionalzeitung passt, dann soll man ihn übernehmen, selbstverständlich unter Nennung der Quelle. Auch die Pharmaindustrie hat schon hoch qualifizierte Texte in angesehenen Zeitungen platziert. Solange Transparenz gegeben ist, zählt die Qualität – und es ist nicht das Problem des Lesers, wenn inzwischen die interessengebundenen Absender mehr in journalistische Produktionen investieren als die meisten Verleger. Inzwischen haben auch viele Kolleginnen und Kollegen gemerkt, dass die sogenannten «PR-Absender» (welch ein grossväterlicher Begriff!) für ehrgeizige JournalistInnen oft die interessanteren Aufgaben und Herausforderungen bereit halten als die meisten Verleger, denen es mit der reinlichen Trennung von redaktionellem und bezahltem Teil ohnehin auch nicht mehr so ernst ist wie auch schon. So wurde die Abkehr vom Pachtsystem der Publicitas zum Teil damit begründet, man könne im Grenzbereich der Vermarktung des redaktionellen Inhalts flexibler sein. iehe zum Beispiel das Klartext-Interview vom 1.7.2007 mit Susanne Lebrument.

Urs Thalmann 07. November 2013, 10:15

Lieber Nick, guter Beitrag! Mir gefällt besonders das Beispiel „alles was recht ist“: Das Problem fängt schon bei der Auswahl der Themen an. Selbstverständlich ist vieles überreguliert. Aber: Warum ist das so prioritär, dass darüber geschrieben werden muss? Aus der Sicht der CS natürlich: Weil man Deregulation möchte. Da mag der Beitrag i. S. v. Kari noch so qualitativ gut sein, aber nur, weil er nun mal gut ist und halt schon mal da ist (und billig zu haben ist…), heisst das noch nicht, dass er auch ein journalistisches Medium gehört.

Martin Hitz 28. Oktober 2013, 09:12

Eigentlich ist das ja Native-Advertising in Perfektion. Ausser dass die Credit Suisse den Zeitungen für die Veröffentlichung nichts bezahlt, natürlich 😉

Urs Thalmann 07. November 2013, 10:09

Lieber Kari! Als Grundsatz auch knapp daneben!

CS-Bulletin-Beiträge können qualitativ sicher sehr gut sein. Aber…

Fordert die CS etwa von ihren Bulletin-MA, dass sie im Zweifelsfalle das schreiben, was sie für die Wahrheit halten, auch wenn dessen Veröffentlichung den Interessen der CS zuwider läuft? Hat die CS die „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ anerkannt?

Das ist nicht altmodisch – nicht von ungefähr haben die Verlage erst vor Kurzem die „Erklärung“ offiziell anerkannt. Sie ist ein wichtiges Qualitätslabel.

Und sie macht klar, dass Journalisten mit ihren Veröffentlichungen nur der Öffentlichkeit gegenüber verantwortlich sind, und nicht dem Arbeit- bzw. Auftraggeber gegenüber.

Ein Text könnte sicher übernommen werden. Aber nur, wenn er überprüft und ggf. überarbeitet ist durch einen BR-Journalisten: Wie wurden die Quellen beschafft? Wurden Gegenmeinungen eingeholt wo nötig? Etc. Im Falle eines Freien, der selbst im BR ist, kann er das natürlich selbst machen. Aber einfach übernahme tel quelle weil es ein „guter“ Text ist, geht nicht.

Das Phänomen ist übrigens leider nicht neu: War es 2010, als in der SI ein grosses Portrait über Federers Privatleben erschien, und erst ganz hinten aus dem Impressum hervorging, dass die Autorin „Journalistin bei der Crédit Suisse“ war? Immerhin hat uns, darauf hingewiesen, Marc Walder versichert, dass das nie mehr vorkommen würde…

Herzlicher Gruss! Urs