von Ronnie Grob

Unter dem Guru von Herrliberg

Im Politiker und Unternehmer Christoph Blocher haben die Neu-Verleger Roger Köppel, Markus Somm und Matthias Ackeret einen geistigen Übervater gefunden, dessen unverrückbare Werte Halt liefern in einer unübersichtlicher werdenden Welt. So verteidigen nun wenigstens einige Medien die politischen Ziele des ausgefuchsten Strippenziehers und milliardenschweren Unternehmers. Gross gemacht aber hat ihn die blinde Dauerempörung seiner Gegner im Journalismus, die seit Jahrzehnten bemerkenswert erfolglos gegen ihn anschreiben.

«Und er sprach zu ihnen: Folget mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen! Alsbald verliessen sie ihre Netze und folgten ihm nach.»

Matthäus-Evangelium, Kapitel 4, 19-20.

Was verbindet Roger Köppel, Markus Somm und Matthias Ackeret? Sie sind langjährige Journalisten in Führungspositionen. Sie haben eine besondere Faszination für ältere, mächtige Männer. Sie pflegen seit einigen Jahren eine intensive Verbindung zu Christoph Blocher. Und sie sind Verleger, die aus im Journalistenberuf erzielten Eigenmitteln zu Besitzern von Titeln wurden, die sie zuvor als Chefredaktoren geleitet hatten: Köppel verlegt die Weltwoche seit 2006, Somm verlegt die Basler Zeitung seit 2014, Ackeret verlegt Persönlich seit 2014. Somm ist finanziell mit Blocher verbandelt, sie halten je einen Drittel der Aktien der BaZ Holding AG. Köppel und Ackeret bestreiten jegliche finanzielle Verflechtungen mit Blocher.

Geistig und persönlich sind sie alle drei stark mit ihm verbunden: Ackeret fährt seit 2007 jeden Freitagmorgen dahin, wo sich Blocher gerade aufhält, um ihm während zwanzig Minuten Antworten zu aktuellen Fragen zu entlocken. Somm schrieb die 2009 veröffentlichte Blocher-Biografie «Der konservative Revolutionär» und führt nun gemeinsam mit ihm eine Zeitung. Köppel steht mit Blocher in regelmässigem persönlichem und telefonischen Kontakt und spricht oft an Veranstaltungen der mit ihm verbundenen Organisationen wie der SVP oder der AUNS.

Es ist viel geschrieben und vor allem spekuliert worden über die Besitzverhältnisse der «Blocher-Medien», es finden sich dazu viele Diskussionen und Distanzierungen. Doch inzwischen hat die Frage an Bedeutung verloren: «Ob Blocher Köppel Geld gegeben hat oder nicht, ist nicht so wichtig – landläufig wird es geglaubt», sagt Politikberater Mark Balsiger, der beobachtet hat, dass die Weltwoche und die Basler Zeitung in den Kreisen der medialen und politischen Elite isoliert betrachtet werden – man halte sie für «blocher-kontaminiert», es seien «Pfui-Blätter» geworden. Gelesen werden sie dann aber doch fleissig, gerade auch von diesen Personen, wenn auch mitunter heimlich. Auch Balsiger liest sie, «selektiv», und findet darin immer wieder gute Stoffe.

Meister in Boulevardfragen

Was sind die
«Blocher-Medien»
– und wer gehört dazu? Retten sie den Journalismus oder schaffen sie ihn ab, geht es um Information oder Propaganda? Die MEDIENWOCHE beleuchtet in einer Serie Persönlichkeiten und Medien, die in einer Beziehung mit dem Politiker und Unternehmer Christoph Blocher stehen.

Christoph Blocher ist ein genialer «Menschenfischer», der bei jenen, auf die er trifft, zuverlässig Abneigung oder Zuneigung auslöst. In der Schweizer Medienbranche konnte er so viel Abneigung auslösen, dass ihm Journalisten eine Aufmerksamkeit einräumten, wie sie noch kein Politiker vor ihm erhalten hatte. Journalisten, die ihn hasserfüllt bekämpften, haben seinen Aufstieg erst ermöglicht – Exponenten wie Frank A. Meyer haben sich hier besondere Verdienste erschrieben. Die Blochermania hält bis heute an und hat sich mit der klickgetriebenen Online-Berichterstattung nochmals potenziert. Deshalb verzichten die Newsnet-Partner von Tamedia nicht darauf, auf ihren Kanälen ein BaZ-Interview mit dem BaZ-Besitzer zu verbreiten – selbst wenn Blocher darin sagt, zwei Tamedia-Journalisten hätten «Schind­luderei betrieben».

Ist es mehr ein Wunder oder viel mehr ein Skandal, dass vermeintlich kritische und kluge Journalisten bis zum heutigen Tag über jedes verdammte Stöckchen springen, das ihnen Blocher hinhält? Dass die Provokationen gezielt gestreut werden, scheinen sie nicht zu merken, oder es ist ihnen egal – Aufregung ist schliesslich gut fürs Business. Eine Lernkurve ist jedenfalls keine festzustellen bei den Schweizer Journalisten: Sie opponieren oder sie verteidigen. Sie diskutieren begeistert über die von ihm gezündeten Nebelpetarden, während er stille Siege einfährt. Sie haben sein bäurisches Auftreten als das Volk begeisternder Redner so verinnerlicht, dass sie nicht mal die Frage stellen, ob er womöglich jemand ist, der ihnen ein paar Schritte voraus ist. Sie haben sich so an ihre eigenen Einschätzungen gewöhnt, dass sie nicht mal die Frage stellen, ob er womöglich ein Kommunikationsgenie ist, das sie alle vorführt. Als geistiger Führer einer gewichtigen Gruppe, der mit einigen Warnungen und Prophezeiungen recht behalten hat, müsste er auch als Intellektueller behandelt werden. Doch Journalisten tun das nicht, weil sie sein Auftreten fehldeuten – damit sie seine Gedanken ernst nehmen würden, müsste er vielleicht ein Foulard tragen oder einen Look spazieren führen, der dem eines Daniel Binswanger oder eines Richard David Precht nahe kommt. Immerhin einer hat es erkannt, Köppel: «Natürlich ist Blocher Intellektueller.»

Wenn es einen Meister gibt in Boulevardfragen, dann heisst er Christoph Blocher. Er setzt die Themen – die Schweizer Journalisten setzen die Reflexe. Blocher ist der Doktor, der dem Patient mit dem Hammer auf’s Knie schlägt. Und die Journalisten das Bein, das ausschlägt.

Verweigerung im Ringier-Verlag

Christoph Blochers SVP hat in den letzten Jahren jene Funktion eingenommen, die in anderen Ländern die nationale Boulevardzeitung übernimmt, die Schweiz ist auch hier ein Sonderfall. Denn die jahrzehntelange Weigerung der Ringier-Führung, eine Boulevardzeitung zu machen, welche die tatsächlichen Ängste und Probleme in der Unter- und Mittelschicht aufnimmt und diskutiert, ist zu einem guten Teil mitverantwortlich für den Aufstieg von Blochers SVP und nun eben auch für die «Blocher-Medien». Die Ringier-Führung unter Michael Ringier und Frank A. Meyer verhält sich vorgeblich «anständig» – tatsächlich aber ist sie abgehoben und verkehrt vornehmlich in ausgewählten Kreisen von wichtigen und vermögenden Leuten, ist unterwegs in Villen und Luxuswohnungen, reist mit Privatjets, isst an exklusiven Dinners, diskutiert in verschwiegenen Zirkeln. Nie ist sie da, wo das Volk verkehrt: nicht in Beizen, nicht an Dorffesten, nicht in Fabriken. Es scheint manchmal fast, als wären sogar die eigenen Journalisten der Ringier-Führung zu viel Volk. Am liebsten bliebe sie ganz unter sich und ihresgleichen.

Was der «Blick» seit der 1986 zu Ende gegangenen Ära Übersax unterlassen hat, hat die SVP gemacht, Boulevard mit Kampfbegriffen: Scheininvalide, Sozialschmarotzer, Kuscheljustiz, Schweizervolk, Heimatmüde, Linke, Nette – solche Begriffe wurden von der SVP in den Diskurs eingebracht oder zumindest von ihr gepusht. Die Leitfigur der SVP, Christoph Blocher, ist dafür massgeblich verantwortlich. Mit untrüglichem Themengespür hat er die Schweizer Journalisten in den letzten Jahren vor sich her getrieben – und sie sind ihm, bockig oder nicht, irgendwann nachgetrottet, und sahen sich gezwungen, seine Inputs aufzunehmen. Sein bisheriger journalistischer Verdienst ist es, die meist in homogenen Gruppen verkehrenden Journalisten mit den Bedürfnissen und Problemen der einfacheren Leute konfrontiert zu haben.

Wer sich empört, dass Blocher mehr direkten Einfluss auf Medien anstrebt und erhält, blendet komplett aus, dass die Medien bisher auch politisch waren und es nach wie vor sind. Die Titel des Ringier-Verlags werden seit Jahrzehnten auf einer konservativ-sozialdemokratischen Linie gehalten. Das Leitmedium der Tamedia, der Tages-Anzeiger, wird geführt von einem ehemaligen Linksradikalen, der auch dann keinerlei Veranlassung verspürt, irgendetwas zu seinen extremen Wurzeln zu sagen, wenn er im Zentrum einer öffentlichen Debatte steht. Überhaupt sind die meisten Journalisten nach den verfügbaren Befragungen den Grünen und den Sozialdemokraten zugewandt und eher selten mit jenen Parteien verbunden, die von der Mehrheit des Volks unterstützt werden. Von einer ausgewogenen oder wenigstens unvoreingenommenen Behandlung der SVP und von Christoph Blocher in den letzten Jahrzehnten kann keine Rede sein.

Wende des Blocher-Bilds

Bis noch vor wenigen Jahren war es unter Journalisten völlig unbestritten, contra Blocher zu sein, dessen SVP bei Parlamentswahlen seit 1999 stets die erfolgreichste Schweizer Partei ist. Eine andere Haltung an den Tag gelegt haben zuvor nur wenige, so der Schaffhauser Verleger Norbert Neininger, der schon 1992 die Position von Blocher zur EWR-Abstimmung teilte. Geändert hat das Roger Köppel im Jahr 2000. Im Juni veröffentlichte er im «Magazin» ein Gespräch von über 25 000 Zeichen Länge, in dem er mit Christoph Blocher über «die Geheimnisse der Menschenführung» sprach («Hätten Sie Ihre Familie dem Unternehmen geopfert?» – «Das habe ich mir mehrmals überlegt»). Wenige Monate später verkündete er dann «Das Ende der SVP» («Der schleichende Abgang des grossen Vorsitzenden Christoph Blocher hat den Weg frei gemacht für Gestalten wie den Zürcher VPM-Konservativen Ulrich Schlüer, der die Ideale einer Schweiz vor fünfzig Jahren eruiert – und keiner (ausser Filippo Leutenegger) hört hin») Warum? Weil er «offenbar noch nicht den Mut hatte, ohne Verrenkungen die SVP zu loben» – so jedenfalls erklärte er seine Fehleinschätzung im MEDIENWOCHE-Interview 2011.

Markus Somms Beziehung zu Blocher begann mit dessen Gastbeitrag «Gesundet der Freisinn mit der Swissair?» im März 2001 im Tages-Anzeiger («Wie ist es fast unbemerkt geschehen, dass die FDP-Politiker zwar theoretisch jahrelang ihr grundsätzliches liberales Denken, die Freiheit der Bürger und die Selbstverantwortung anpriesen, aber im politischen Alltag das Gegenteil taten?»). Bundeshausredaktor Somm konnte ihn gegen den Widerstand anderer Journalisten auf Seite 2 veröffentlichen – was damals eine grössere Debatte auslöste. Sein damaliger Vorgesetzter, Urs Buess, erinnert sich so: «Als Tagi-Volontär, -Inlandredaktor und -Bundeshauskorrespondent ist er zwar durchaus als ideenreicher, wirbliger, gescheiter und spannender Kollege aufgefallen, aber im damaligen Ressort stand er doch so ziemlich am rechten Rand.» Nach eigenen Angaben politisch entscheidend für das bekennende FDP-Mitglied Somm war der beginnende Dialog mit Mitstudenten während seines Studiums an der Harvard-Universität («Master of Public Administration (MPA) an der John F. Kennedy School of Government», Abschluss im Juni 2003).

Bald schon besetzten die beiden gemeinsam Neuland: Die Weltwoche unter der Führung von Köppel und und seinem Stellvertreter Somm (bis 2010) ortete erfolgreich Tabuthemen, die andere Medien aktiv mieden und verschwiegen. Es war die Zeit, als die Weltwoche das spannendeste Medienprodukt der Schweiz war, als man jede Woche wartete auf den neuen Titel, auf die neuen Geschichten.

Somm ist gerade mal 5 Tage älter als Köppel. Vom Äusseren abgesehen unterscheiden sich die Söhne eines CEOs (Edwin Somm) und eines Bauunternehmers wenig. Sie arbeiten viel, sie haben eine Familie mit vielen Kindern, sie wohnen am Zürichsee und sie sind in ihren Grundhaltungen fast ununterscheidbar. Wöchentlich wenden sich Köppel (Editorial, 6000 Zeichen) und Somm (Leitartikel, 10 000 Zeichen) in bester Meinungsblogger-Manier mit einer kleinen Predigt zur Lage von sich selbst bzw. der Nation an die Öffentlichkeit. Mit den beim Publikum sehr beliebten und meistens lesenswerten Monologen geben sie ihren Blättern ein Gesicht, eine Haltung, eine Ausrichtung.

Wiederholungen

Inzwischen sind die Weltwoche und die Basler Zeitung dem gealterten Blocher näher denn je. Unverrückbar in den Grundpositionen wiederholen sie sich in einer Endlosschlaufe. Während das Weltwoche-Cover in den besten Jahren der Ära Köppel/Somm echte Überraschung und Gedankenanstoss sein konnte, ist es in der Ära Köppel/Gut oft keine Überraschung mehr, und wenn, dann im Negativen (so das Roma-Cover oder das Mohammed/Jesus-Cover). Statt Überraschung und Gedankenanstoss regiert Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung. Was einer Partei, die Propaganda für ihre Anliegen machen will, gut steht, ist in journalistischen Produkten äusserst ermüdend.

Und dann ist da das von Norbert Neininger gegründete «Tele Blocher»: Finanziell ist Christoph Blocher nicht daran beteiligt, er hat sich lediglich die Namensrechte gesichert. Dennoch ist es das Blocher-Medium schlechthin. Der Name der Sendung ist Programm und Matthias Ackeret, so sehr er in seiner Rolle als Sidekick aufgeht, muss sich den Vorwurf, nicht mehr zu sein als genau das, gefallen lassen. Denn es geht in der Sendung nun mal 0 Prozent um Ackeret – und 100 Prozent um Blocher. In der Regel läuft eine Folge Tele Blocher so ab: Ackeret führt den Talk ein mit den Ereignissen der Woche, und behauptet dann nicht selten, es sei wieder «Blocher-Zeit». Blocher geht in der Folge halbwegs auf die aktuellen Themen ein, lenkt dann seine Rede aber sehr rasch auf seine ewigen Lieblingsthemen und wiederholt seine Haltung zur Unabhängigkeit der Schweiz, zur Beziehung zur Europäischen Union und zur Weltfremdheit der «Classe Politique» (welcher der Milliardär als Bundesrat bis vor Kurzem noch selbst angehört hatte). Ackeret stellt zwischendurch schon mal eine kritische Frage oder macht Blocher auf falsche Fakten aufmerksam, in aller Regel gefallen sich aber beide in der Verklärung von Blocher als «Jahrhundertpolitiker» und als generell aufregender Mensch. Dem von Ackeret verantworteten «Persönlich» scheint die enge Bindung an Blocher nicht sehr zu beeinflussen, auch wenn dort Blocher- und Schawinski-Medien stets eine besondere Aufmerksamkeit erlangen.

Die Konzeption der Sendung spricht nicht für das intellektuelle Selbstbewusstsein von Tele-Blocher-Erfinder Neininger, schliesslich könnte es ja auch eine Sendung sein, in der ein Journalist und ein Politiker auf Augenhöhe diskutieren. Auf Anfrage schreibt er: «Das ist keine Diskussionssendung, sondern ein Interview, bei dem es Matthias Ackeret während nunmehr sieben Jahren gelungen ist und gelingt, die Ansichten Christoph Blocher und auch seine Person dem Zuschauer zu zeigen.» Blocher habe lediglich die Form eines Gesprächs vorgeschlagen, aufgrund seines damals übervollen Terminkalenders. «Meine Idee war es, einen wöchentlichen Kommentar Christoph Blochers zum Geschehen zu veröffentlichen. Warum Blocher? Weil er etwas zu sagen hat. Dann bot sich das damals noch wenig benutzte Medium Internetfernsehen geradezu an. Darüber hinaus wollte ich auch unser Buch – ‹das Blocher Prinzip› – bekannt machen, ohne dafür grössere Mittel einsetzen zu müssen.»

Internet-Verweigerung

Selbst wenn «Tele Blocher» sich als TV-Format im Internet etabliert hat: die ganz grosse Schwäche von Blocher, Köppel, Somm, Ackeret, Gut und ihren Mitstreitern ist, dass sie glauben, sich nicht mit den neuen Themen beschäftigen zu müssen, welche die technische Entwicklung vorgibt. Was ein Frank Schirrmacher eingesehen hatte und dann mit Vollgas bewirtschaftete, nämlich die grundlegenden Veränderungen, die sich rund um das Internet und andere technische Neuerungen vollziehen, ignorieren diese Herren standhaft. Sie glauben tatsächlich, sich irgendwie bis zum eigenen Tod durchmogeln zu können, ohne sich je ernsthaft mit dem Internet zu beschäftigen. Man glaubt und hofft, das Geschäftsmodell der gedruckten Presse halte noch, bis man selbst aus der Verantwortung entlassen wird. Möglich, dass dem so ist – aber was ist das für eine verantwortungslose Haltung? Die gleichen Leute, die uns täglich beschwören, die einzigartigen Errungenschaften der Schweiz zu erhalten, legen eine «Nach-uns-die-Sintflut»-Haltung an den Tag, wenn es um die Zukunft des Journalismus und der vieler anderer Branchen geht?

Oder bedeutet «konservativ» sein etwa, sich nicht mit neuen Technologien zu beschäftigen und ein altes Geschäftsmodell, das mal funktioniert hat, totzureiten? Dass Blocher, Somm, Köppel, Bollmann, Ackeret und viele weitere keine Ahnung vom Internet haben und auch keine davon gewinnen wollen, ist intellektuell fragwürdig und unternehmerisch grobfahrlässig. Sie verhalten sich wie Kutschen-Hersteller, die es nicht wagen, ein Auto zu besteigen geschweige denn eins zu bauen. Dem Internet stehen sie gegenüber wie der katholische Klerus des 15. Jahrhunderts den damals neuen Druckerzeugnissen der Protestanten – so jedenfalls erklärte es Peter Sloterdijk vor einiger Zeit dem NZZ-Chefredaktor.

Die Nähe zur Macht

Ackeret, Köppel, Somm – sie alle scharen sich um die Macht, denn Blocher verkörpert echte Macht: Nicht nur ist er finanziell sehr potent und damit echt unabhängig, er ist auch der unbestrittene Anführer der Opposition in der Schweiz. Anders als ein Gregor Gysi, der in Deutschland die herrschende Klasse mit Bundestagsreden foppt und sonst mehr oder weniger wirkungslos bleibt, kann ein Christoph Blocher gemeinsam mit assoziierten Organisationen Volksabstimmungen gewinnen – und so die Verfassung ändern und echte nationale Veränderungen auslösen, die mitunter starke internationale Auswirkungen nach sich ziehen. Blochers Status als geistiger Führer der grössten Partei ist unbestritten. Seine grosse Stärke, das ausdauernde Beharren auf Positionen, die er als richtig erkannt hat, ist gleichzeitig auch seine grosse Schwäche, die vor allem jetzt im Alter zum Problem wird.

Die Beziehung von Blocher zu den Exponenten der «Blocher-Medien» könnte man auch sehen als die eines Vaters zu seinen ihn verehrenden Söhnen. Und da gibt es auch Konkurrenz: Welchem von ihnen widmet er mehr Aufmerksamkeit, mit welchem verbringt er mehr Zeit? Welche Artikel hat er gelesen und schlimmer: welche nicht? Und wer nur wird eines Tages den Hof übernehmen? Die Jünger drängen sich um den Guru, der zwar jede Höfelei und Frömmlerei verabscheut, dessen Ego jedoch die Aufmerksamkeit einsaugt wie ein Dauerkiffer den Joint. Es möge uns nach seinem Tod dann wenigstens die Gründung einer Religion erspart bleiben.

Offenlegung: Ronnie Grob hat bisher mehrere Beiträge in der Basler Zeitung und in der Weltwoche veröffentlicht. Sie wurden angemessen vergütet, die Zusammenarbeit war stets erfreulich und verlief ohne jegliche inhaltlich-politische Einflussnahme.
Inputs zur Serie erhalten wir gerne in den Kommentaren oder per E-Mail.

Übersicht der Serie zu den «Blocher-Medien»:
1. Teil: Schlachtplan Zufall
2. Teil: Unter dem Guru von Herrliberg
3. Teil: Der Provokateur
4. Teil: Es braucht wieder Fakten
5. Teil: Politiker der Redaktion
6. Teil: Für Partei und Vaterland
7. Teil: Sicherheit in Statistiken
8. Teil: Sie sind klein und sie sind überall

Leserbeiträge

Annabelle Huber 22. Oktober 2014, 14:22

Wenn ich das so lese, wird mir vor allem bewusst, worum es eigentlich geht bei dem ständigen Bashing um die Vermittlung Blochers von diversen Zeitungen an Journalisten: Ablenkung von der Tatsache, dass in der Schweiz ein Medien- und Meinungsmonopol besteht.

Supino,Ringier und Wanner haben jeder alleine mehr Einfluss als Blocher.
Das aber ist GAR NIE EIN THEMA.
Und mindestens die beiden Ersten üben massiven Einfluss auf die Berichterstattung bei bestimmten Themen ( Unternehmenssteuerreform II ).

Und im Gegensatz zu Blocher geben sie diese Einflussmöglichkeit nicht aus den Händen.
After all, Blocher gibt die Oberbefehlsgewalt über die Zeitungen aus den Händen, vertraut Köppel und Somm, akzeptiert dass diese auch von ihm abweichende Meinungen vertreten können.
Was nichts anderes bedeutet, als dass er erkannt hat,

auch andere Meinungen können neben seiner gut sein.

Warum ist es also immer wieder Thema bei der Konkurrenz, dass Blocher Köppel und Somm zu einer Zeitung verholfen hat,
aber gar nie eine Zeile wert, wenn Verleger ihre Position missbrauchen:
Weil die Weltwoche und die BaZ das Meinungsmonopol durchbrichen.

Und deshalb hat Blocher das auch gemacht: Um das Meinungsmonopol in der Schweiz zu brechen.

Annabelle Huber 22. Oktober 2014, 14:38

Sehr schön konnte man bei der MEI in der Arena des Schweizer Fernsehens sehen, wie mit missliebigen Meinungen umgegangen wird.

Mehr als 50 Prozent der Wähler waren für die MEI, bei sehr hoher Wahlbeteiligung.
In der Arena hat sich das so präsentiert
Blocher als einziger JA sager gegen ca 99 NEIN Vertreter.

Und Blocher kam als Vertreter der Volksmehrheit kaum zu Wort: Da alle Anwesenden Anspruch haben auf gleich lange Redezeit.

Ohne Blocher wäre man sich 100 prozentig einig gewesen in besagter Arena.

Bella Dana 22. Oktober 2014, 21:32

Könnte aus dem Magazin des Tagesanzeiger stammen. Einfach nur zum Kotzen. Diese Dreckschleudern stellen sich selbst ins Abseits. Es lebe das freie Internet.

Frank Hofmann 23. Oktober 2014, 00:08

Bis auf die beiden letzten Abschnitte eine gute Analyse. Das Internet ist (noch) kein Geschäftsmodell, höchstens für ein Massenerzeugnis à la 20 Min. Entscheidend ist der Inhalt. Schnickschnack ist eher bei Watson-Lesern gefragt, aber nur, solange es nichts kostet. Abgesehen davon kann jeder die Weltwoche im Internet lesen, auch übers Smartphone, es kostet halt. Und genau das hat Köppel richtig gemacht, nämlich nein zur Gratiskultur und zu sinnfreien Innovationen.
Die Nähe zur Macht – ich denke, dass der Autor die angeblichen Blocher-Jünger etwas unterschätzt.
Warum kommt F.A. Meyer vor, aber nicht R. de Weck (Tagi, SRG)? Hat als Blocher-Feind mehr Einfluss und pflegt eher den elitäreren Habitus als der Villenbesitzer vom Zürichsee.

Ruth Obrist 23. Oktober 2014, 13:53

Wenigstens hat er – der «Guru von Herrliberg» – uns vor dem Beitritt zur Union (und Nato) bewahrt. Als Linke wagt man sich allerdings kaum, das zu sagen. Aber es gibt heute gottseidank keine Scheiterhaufen mehr für Hexen und ähnliche Ketzer.

Alex Köhli 27. Oktober 2014, 19:07

Immerhin – Herr Grob: Ich lese die Weltwoche regelmässig auch unterwegs. auf dem iPad gedownloaded und im iKiosk jederzeit verfügbar, weil abonniert. So viel zu: „verweigern“…
Richtig finde ich es, wenn Zeitung etwas kostet. Was nichts kostet, ist nichts wert. Komisch, mir kommt grad in den Sinn, dass ich BaZ- und Weltwoche-Abonnent bin, und die Abogebühren gerne bezahlen. Für Zeitungen, welche „das gewöhnliche Fussvolk“ noch spüren…

Leo Nauber 27. Oktober 2014, 19:51

Viele Medien und vor allem Journalisten haben heute 2 Feindbilder. Dr Christop Blocher und / oder die SVP.
Nun wir Herr Blocher genau so, wie seine Feinde, demnächst ( das ist in ein paar Jährchen) sterben. Ich frage mich deshalb ernsthaft, was haben dann die Erben der Journis noch? Was hinterlassen diese ihren Nachkommen ausser vergessen zu werden? Welches Feindbild können die sich dann allenfalls aufbauen?
Herr Blocher aber wir Risenfussabdrücke hinterlassen. Von ihm wird man noch lange sprechen, da er je länger je mehr Recht haben wird mit vielen weisen Voraussehungen.
Und es sind die bald einmal in totaler Vergessenheit geratenen Journis, die ihn aufbauen und nichts davon haben ( werden). Welch ein Pech – oder wie soll ich das nennen?

Armando 31. Oktober 2014, 21:57

Wirklich guter Artikel, denn er entlarvt die rechten Medienmogule und zeigt gleichzeitig auf, dass manche Journis den Namen Journalist nicht verdienen, weil sie Personen wie Blocher entweder zu wenig kritisch hinterfragen oder ihnen mehr Bedeutung zumessen, als ihnen eigentlich zukommt.