von Nick Lüthi

Feindbild Google: Ein Dauerbrenner verglüht

Nach Jahren erbitterter Feindschaft haben sich die Schweizer Verleger offenbar mit Google arrangiert. Damit sind auch die Forderungen vom Tisch, den Suchgiganten mit einer «Lex Google» in die Schranken zu weisen. Die Wendung zeichnete sich seit einem Jahr ab. Nun zog Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument einen Schlussstrich.

Wer sich die Hege und Pflege von Feindbildern leisten, hat entweder keine grösseren Probleme oder lenkt von hausgemachten Defiziten ab. Vor allem das zweite trifft auf die Schweizer Verleger und ihren Umgang mit Google zu. Zwar geht es den grossen Medienhäusern weiterhin besser als das Branchengejammer bisweilen vermuten liesse. Aber genauso stehen die Unternehmen unter grossem Innovationsdruck, dessen existenzielle Dringlichkeit sie zu spät realisiert haben. Jetzt droht es ans Eingemachte zu gehen. Ein BöFei dient in dieser Situation vor allem als Blitzableiter und stärkt das nur mehr spärlich ausgeprägte Selbstbewusstsein. Ewig geht das aber nicht. Das Google-Bashing der Verleger hat sich ausgebasht.

Es sei nicht weniger als «Diebstahl in digitaler Form», wie Google mit den Inhalten von Medienunternehmen verfahre. Und das sei «schädlich für die Demokratie». Im Dezember 2012 kochten die Emotionen der Schweizer Verleger letztmals so richtig hoch. Als Wortführer trat Ringier-CEO Marc Walder auf. Mit der markigen Zeile, man müsse «Google vor Gericht zerren» gab er den Ton an. Google galt damals den Verlegern als das ultimative Feindbild, mit dem es nur noch die SRG aufnehmen konnte. Der Suchgigant sei ein Schmarotzer und Trittbrettfahrer, hiess es. Mit den Leistungen der Medienunternehmen verdiene Google gutes Geld, während die Verlage dabei leer ausgingen. Deshalb hätten sie es so schwer, in der digitalen Welt Fuss zu fassen. Die allzu simple Gleichung: Weil es Google gut geht, geht es den Zeitungsverlagen schlecht.

Ihren Worten wollten die Verleger Taten folgen lassen. Ein neues Gesetz sollte her, das den Medienunternehmen Geld in die Kassen spült. Das Zauberwort hiess «Leistungsschutzrecht». Damit sollte das Urheberrechtsgesetz ergänzt werden, um so dem Gebaren Googles Einhalt zu bieten. Auch kleinste Textteile von Zeitungsartikel wie sie die Suchmaschine für die Anzeige auf Google News verwendet, sollten urheberrechtlich geschützt werden. Wer solche Snippets verwenden will, sollte den Rechteinhaber entschädigen. Namhafte Fachleute lehnten das Ansinnen ab. In Deutschland etwa das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht mit einer pointierten Stellungnahme gegen das Leistungsschutzrecht. In der Schweiz warnte Willi Egloff, Mitautor des massgeblichen Kommentars zum neuen Urheberrecht, gar vor einem «Angriff auf die Grundrechte der Kommunikation», wenn ein Sonderrecht für die Verleger eingeführt würde.

Der schweizerische Verlegerverband stellte die Forderung nach einem Leistungssschututzrecht erstmals 2009 in einem «Medienpolitischen Manifest». Bestärkt sahen sich die Verleger durch die – teils erfolgreiche – Lobbytätigkeit ihre Kollegen im Ausland, insbesondere in Deutschland. Dort setzte sich der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger erfolgreich für ein Leistungsschutzrecht ein, das schliesslich auch Gesetz wurde. In Frankreich wurde die gleiche Forderung erst fallengelassen, als Google 60 Millionen Euro in einen Fonds für Online-Projekte der Zeitungsverlage eingezahlt hattet. Aus Spanien hat sich Google jüngst zurückgezogen mit dem Nachrichtenaggregator Google News, weil das Unternehmen den Verlagen eine Abgabe hätte zahlen sollen für die Nutzung ihrer Artikel.

Inzwischen ist es ruhig geworden am schweizerischen Abschnitt der Google-Front. Ja, der grosse, böse Feind von einst gilt jetzt als wohlgelittener Partner. So sagte jüngst Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument: «Sehr viele Verlage arbeiten mit Google zusammen und machen gute Erfahrungen.» Digitaler Diebstahl? Leistungsschutzrecht? War da mal was? Fehlanzeige. Lebrument nimmt die Begriffe heute nicht mehr in den Mund. Aus seinen Aussagen anlässlich der verfahrenen Situation um Google News in Spanien könnte man gar ein gewisse Erleichterung darüber heraushören, dass man hierzulande einen Courant normale gefunden hat, der so schlecht gar nicht zu sein scheint.

Wer die konfliktgeladene Vorgeschichte nicht kennt, könnte glatt den Eindruck gewinnen, als sei das Verhältnis zwischen Verlegern und Google gar nie zerrüttet gewesen, höchstens ein bisschen getrübt. «Anfänglich waren wir sehr kritisch», ist alles, was Lebrument zur Vergangenheit einfällt. Das grenzt schon fast an Geschichtsklitterung. Immerhin hat der Verlegerverband fast fünf Jahre lang intensiv nach Wegen gesucht, den Giganten Google zu bändigen. Mit Manifesten, in Studien und sogar mit technologischer Entwicklung sollte Google in die Schranken gewiesen werden. Viel Zeit und Geld flossen in einen Kampf, nur um am Ende dort zu stehen, wo man vor fünf Jahren schon einmal war.

Beim Schweizer Ableger von Google News, das den Verlegern speziell eine Dorn im Auge war, hat sich über die Jahre nichts geändert. Der Dienst greift frei verfügbare Nachrichteninhalte ab im Netz, ordnet sie thematisch und stellt sie mit Titel, Lead und Bild auf seiner Plattform zur Verfügung. Als einziges Entgegenkommen könnte die neue Rubrik «Empfehlungen der Redaktion» gewertet werden. Seit August 2013 können dort Medien ihre Artikel entlang eigener Prioritäten auf Google News präsentieren. Ansonsten sieht 2014 alles gleich aus wie 2008, bevor die Verleger den Suchriesen erstmals konzertiert ins Visier nahmen.

Die einst mit Vehemenz vorgetragene Forderung nach einem Sonderrecht für Verleger und der Einführung einer Google-Steuer verpuffte so lautlos und nahezu ungehört, wie sie einst mit Getöse befeuert wurde. An den Sitzungen des Präsidiums des Verlegerverbands ist das Urheberrecht kein Thema mehr; ein Dauerbrenner verglüht. Es bleibt der Status quo ante: Google definiert die Spielregeln und die Verleger können mitspielen – oder sie können es bleiben lassen. Wer nicht will, dass die Suchmaschine seine Inhalte abgreift, kann das schon seit Jahren mit einem einfachen technischen Kniff verhindern. Die im Hauptverzeichnis einer Website eingebundene Datei robots.txt sagt, was Suchmaschinen indexieren dürfen und was nicht.

Die Verleger hielten robots.txt für zu einfach gestrickt. Darum stiess der Weltverband der Presse WAN die Entwicklung eines eigenen Protokolls an, das den Suchmaschinen mitteilen sollte, ob und in welchen Teilen ein Aggregator Teile einer Webseite auslesen und anzeigen darf. Acap hiess das Projekt, ausgeschrieben: Automated Content Access Protocol, automatisiertes Inhalte-Zugangsprotokoll. Der Verband Schweizer Medien wirbelte stark für die technologische Google-Abwehr. Dumm nur, dass das Acap-Protokoll nur dann wirksam geworden wäre, wenn es Google als Standard akzeptiert – was diese von Anfang an ablehnten, mit Verweis auf das gut funktionierende robots.txt. Seit 2011 tut sich nichts mehr an in Sachen Acap. In der Schweiz sind lediglich die Webseiten des Verlegerverbands «Acap enabled». Heute hält auch Verlegerpräsident Lebrument das altbewährte robots.txt für ausreichend.

Die Totgeburt von Acap zeigt symptomatisch, was die Verleger in ihrem Kampf gegen Google erreicht haben – nichts. Von der Forderung nach einem Leistungsschutzrecht nach deutschem Vorbild nahmen die Verleger schon bald einmal Abstand. Stattdessen verlangten sie, das Urheberrecht punktuell anzupassen und Verlagen grösseren Schutz zu bieten. Doch auch damit blieben die Verleger erfolglos. Von den Empfehlungen für ein revidiertes Urheberrechtsgesetz aus der Arbeitsgruppe «Agur 12», welche die Revision vorbereitet hat, trägt keine die Handschrift der Verleger.

Wohl oder übel müssen sich die Verleger mit ihrer Lobbypleite abfinden. Ihre Kritik am Gebaren des Giganten funktioniert heute nur noch nach dem Prinzip Hoffnung. Jetzt hofft man auf die EU und ihren Plan, Google zu «zerschlagen». Ringier-Chef Marc Walder findet, die Dominanz von Google müsse – «absolut zu Recht» – gebrochen und die Wettbewerbsverzerrung so behoben werden. Auch bei Tamedia ist Google ein Thema. Doch anders als an der Dufourstrasse schlägt man an der Werdstrasse leisere Töne an. Tamedia hat in Sachen Urheberrecht den Ball schon immer flachgehalten. Es war Tamedia-Präsident Pietro Supino, der in einer besonnenen Rede vor zwei Jahren den Umfang der urheberrechtlichen Forderungen der Verleger auf ein vernünftiges und verhandelbares Niveau eindampfte und den radikalen Phantasien seiner Kollegen im Verband Schweizer Medien ein Ende setzte.

Entsprechend tritt Tamedia heute nur mit allgemeinen Wünschen und ohne konkreten Forderungen in Sachen Google und Urheberrecht auf. So heisst es etwa: «Wir würden uns grundsätzlich besseren Schutz wünschen», oder: «wir erhoffen uns gleichlange Spiesse». Da wird schnell klar: Das ist nicht die wichtigste Baustelle. Wenn von den Unternehmen nicht mehr kommt, kann auch der Verband nicht glaubwürdig agieren. Ausserdem hat der Kampf gegen Google phasenweise stark Ressourcen gebunden. Heute stehen (ge)wichtigere Debatten und Diskussionen an: Ob Medienförderung, Definition Service public, digitale Geschäftsmodelle und Bezahllösungen – sie alle betreffen die Unternehmen direkter, als der inzwischen auf europäischer Eben angelangte Konflikt mit Google.

Leserbeiträge

SJ 06. Januar 2015, 21:03

Es gibt mindestens einen gravierenden Fehler in dem Artikel:

„Beim Schweizer Ableger von Google News, das den Verlegern speziell eine Dorn im Auge war, hat sich über die Jahre nichts geändert. Der Dienst greift weiterhin Online-News ab, die im Web frei verfügbar sind, ordnet sie thematisch und stellt sie mit Titel, Lead und Bild auf seiner Plattform zur Verfügung.“

Das ist schlichtweg falsch: Für Google News muss man sich extra anmelden. Wer sich nicht anmeldet, taucht auf Google News nicht auf. Aber sich anmelden und dann beklagen darüber, dass Google News nun auch diese Artikel listet, ist schon irgendwie schizophren.

Nick Lüthi 06. Januar 2015, 22:07

Opt-in ist es meines Wissens nur in Deutschland. Sonst Opt-out mittels robots.txt