von Rico Bandle

Die Sache mit dem Namen

Wieder einmal sehen Kulturpessimisten allenthalben den Niedergang des Journalismus gekommen, weil die meisten Medien den Namen des Co-Piloten der abgestürzten Germanwings-Maschine genannt haben. Bloss: der Fall eignet sich denkbar schlecht für das übliche «früher-war-alles-besser»-Geraune.

Die Berichterstattung über den Absturz der Germanwings-Maschine hat rief eine bisher unerreichte Zahl von Medienethikern auf den Plan. Der Grund, weshalb sich plötzlich alle zu Wort melden, ist einfach. Es scheint für einmal eindeutig, wer gut und wer böse ist: Gut ist, wer den Namen des Co-Piloten nicht nennt, böse ist, wer ihn nennt. Und eine Regel besagt: Je vermeintlich schärfer die Grenze zwischen Gut und Böse, desto stärker ist die Empörung jenen gegenüber, die sich anders verhalten.

Auch für Journalisten und Medienerzeugnisse, die sich gerne bei den Guten wähnen, ist es in diesem Fall ein Leichtes, ihre medienethische Unversehrtheit zur Schau zu stellen. Man nennt den Namen einfach nicht – das kostet nichts, nützt aber auch nichts, weil ohnehin alle den Namen bereits kennen.

Dass Berichte über Attentäter und Selbstmörder Nachahmer hervorrufen können, weiss man seit Goethes «Werther». Es ist deshalb sicher nicht falsch, darüber zu diskutieren, ob es Möglichkeiten gibt, Nachahmungstaten zu verhindern. Oder ob man die Angehörigen schützen kann, indem man den Namen nicht nennt. In erster Linie bleibt es aber Aufgabe der Medien zu informieren und nicht, Informationen zurückzuhalten. Es zeugt von Arroganz, wenn Journalisten den Lesern mitteilen wollen: «Wir wissen zwar etwas, sagen es euch aber nicht, weil einzelne von euch die Information vielleicht missbrauchen.» Besonders falsch liegen die Medienethiker, wenn sie die Namensnennung – notabene nachdem der Staatsanwalt den Namen buchstabiert hat – als Symptom für den Niedergang des Journalismus interpretieren. Wer sich hier reflexartig zur «früher-war-alles-besser»-Leier versteigt, dem sei empfohlen, wieder einmal in das Zeitungsarchiv zu steigen. Dort stösst man auf Beiträge wie diesen (NZZ, 21. Februar 1973, Mittagsausgabe).

Die NZZ nannte hier nicht nur den Namen des toten Fussgängers, sondern gleich auch noch seine Wohnadresse. Der Todesfall ereignete sich am Vortag der Publikation, das heisst, viele Bekannte des Toten, vielleicht sogar Verwandte, haben aus der Zeitung davon erfahren. Solche Meldungen gehörten lang Zeit zu den Dienstleistungen, die eine Zeitung ihren Lesern ganz selbstverständlich zu bieten hatte. Heute wäre ein solcher Beitrag nicht mehr denkbar.

Es ist ein interessantes Paradoxon: Je mehr die Leute freiwillig von ihrem Privatleben preisgeben, desto restriktiver sollen die Medien damit umgehen. Als wollte man die eigene Freizügigkeit kompensieren, indem man die Medien einzuschränken versucht.

Die erwähnte NZZ-Meldung soll nicht nur als Anschauungsbeispiel dafür dienen, dass früher die Medien das Klatschbedürfnis zum Teil stärker bedient haben als heute. Ich habe den Ausschnitt auch deshalb ungeschwärzt eingefügt, um die hier anwesenden Medienethiker und Mahner etwas herauszufordern.

Bei dem am 20. Februar 1973 verstorbenen H. Gessler handelt es sich um den Vater einer sehr bekannten Schweizer Persönlichkeit, über deren Leben ich einmal eine grössere Recherche angestellt habe. Also, liebe Medienethiker, soll ich den Namen nennen? Oder tangiert dies zu sehr den Persönlichkeitsschutz? Nun könnte man einwenden: Wenn die gesuchte Person bereits tot ist, darf man den Namen nennen, sonst nicht. Dazu kann ich nur sagen –und das wird die Neugier hoffentlich noch steigern – wahrscheinlich lebt die Person noch, womöglich ist sie aber auch schon tot. Ganz sicher ist nur, dass es sich um eine Figur der Zeitgeschichte handelt.

Wer will den Namen veröffentlich haben? Die Kommentarfelder unten sind offen. Vielleicht werde ich ihn in ein paar Tagen verraten, falls dies nicht jemand vor mir tut. Vielleicht finde ich aber auch, das sei medienethisch nicht vertretbar.

Leserbeiträge

Markus Gisel 01. April 2015, 11:20

Es liegt mir fern, mich zum Anwalt des First Officers zu machen, noch will ich mit meinen Voten einen Coverup andeuten. An der ganzen Berichterstattung in den Medien und den Diskussionen in Talk-Shows stört mich aber ganz enorm, dass der Co-Pilot nur aufgrund von scheinbaren, verwunderlicherweise im rechten Moment, Schlag auf Schlag auftauchenden Indizien zum Täter, ja zum Massenmörder gestempelt wird, noch bevor die Untersuchung wirklich abgeschlossen ist. Man lässt die Möglichkeit, dass tatsächlich doch ein Problem vorlag, welcher Art auch immer, welches den First Officer davon abhielt die Türe zu öffnen, wird kategorisch ausgelassen. Dies ist meines Erachtens höchst verwerflich, selbst wenn man davon ausgeht, dass der Angeschuldigte tatsächlich gesundheitliche Probleme hatte.

HERDIR 02. April 2015, 08:08

Vielleicht gibt es (mindestens) einen Unterschied zwischen den Beispielen?

Der Fussgänger ist tot.

Der Co-Pilot wird mit Namensnennung beschuldigt (unbewiesen!) und vorverurteilt durch die Medien die seinen Namen ungefragt in die Welt rausposaunen!

Fällt Ihnen da nichts auf? Wie geht es der Familie und den Bekannten und Freunden des Co-Piloten? Was macht das mit seinem Andenken?

Namensnennung bei unklaren Verhältnissen .. Fausregel so als Tipp:
Wenn es die Bildzeitung macht, dann nciht machen! … Immer das Gegenteil .. Das ist immer die besten Lösung!!!

Frank Hofmann 03. April 2015, 18:48

„Spiegel“ und „FAZ“ jedenfalls, sowie wahrscheinlich noch ein paar andere, haben sich nicht an die „Wir nicht“-Regel gehalten. Insofern ist die Kritik am Autor schwer verständlich und zielt wohl auf den Arbeitgeber desselben. Ist auch eine Art, sich ein Urteil zu bilden. Zudem weiss man: Nur Rechtsextreme können Täter sein.

Marco Wyser 02. April 2015, 08:45

Eine sehr gelungener Text. Ich möchte noch anfügen, dass auch die Medienethiker heute mit komplett verschiedenen Ellen messen. Denn als im Januar in Paris die Attentate geschahen, interessierte es keinen Menschen, dass sämtliche Namen der Täter vollständig ausgeschrieben worden waren.

Hotcha 02. April 2015, 09:08

Jetzt gibt es also schon wieder einen neuen Schlämperlig, Medienethiker? Aber die Argumentation ist bestechend: Was früher richtig war, kann heute nicht falsch sein. Allerdings haben Sie die Zeitschiene nicht richtig im Griff, denn die Namensnennung, der sie heute so nachtrauern, war zumindest in der deutschschweizer Presse schon sehr lange verschwunden, als Web 2 Null und damit die Datenschleuderei der Privatpersonen auftauchte.

Ulrike Pasewald 02. April 2015, 09:14

Sehr geehrter Herr Bandle,

bezüglich des von Ihnen angesprochenen Paradoxons, wenn ich etwas über mein Privatleben veröffentlichen sollte, so wäre das meine Entscheidung wie, was, wann, und wo ich preisgebe. Wenn die Presse es täte, wäre es höchstwahrscheinlich nicht meine Entscheidung und gegen meinen Willen.

Außerdem hat die Zeitung mit den vier Buchstaben und auch jedes andere Presseerzeugnis eine weitaus höhere Reichweite, als die Blogs oder Facebookseiten der meisten Ottonormalbürger. Insofern ist das gar kein Paradox. Nur eine Anerkennung von sehr unterschiedlichen Machtpositionen.

Zuckerrohr 04. April 2015, 16:24

Schön auf den Punkt gebracht.

P.I.Staker 02. April 2015, 10:05

„Man nennt den Namen einfach nicht – das kostet nichts, nützt aber auch nichts, weil ohnehin alle den Namen bereits kennen.“
Ich kannte den Namen vorher nicht. Und so ging es wahrscheinlich den meisten Medienkonsumenten. Das Argument „die anderen machen es doch auch“, hat juristisch und moralisch meistens schlecht ausgesehen.
Zudem nützt Zurückhaltung sehr wohl, nämlich den Angehörigen. Darüber hinaus denke ich, dass nur sehr wenige Leser/Zuschauer eines ernstzunehmendend Mediums sich schlecht informiert fühlen würden, nur weil sie nicht den vollen Nachnahmen der betreffenden Person kennen. Um wen es geht, weiß man auch ohne dass der Name genannt wird.

„Die NZZ nannte hier nicht nur den Namen des toten Fussgängers, sondern gleich auch noch seine Wohnadresse. […] Heute wäre ein solcher Beitrag nicht mehr denkbar.“
Und das zu Recht. Das Argument „früher war es noch schlimmer“ ist bloß eine Relativierung, also argumentativ subsatanzlos.

„Es ist ein interessantes Paradoxon: Je mehr die Leute freiwillig von ihrem Privatleben preisgeben, desto restriktiver sollen die Medien damit umgehen. Als wollte man die eigene Freizügigkeit kompensieren, indem man die Medien einzuschränken versucht“
Die Kausalität die Sie hier herzustellen versuchen existiert meiner Einschätzung nach nicht. Meine Vermutung ist die Folgende: Die Menschen geben mehr von sich preis, weil sie es durch das Internet _können_. Unabhängig davon lernen sie über die rücksichtslosen Methoden vieler Medien dazu und verlangen mehr Anstand. Das ist bloße zeitliche Koinzidenz.
Anders gesagt: Nur weil ich mich entscheide, mehr von mir in der Öffentlichkeit preizugeben, befürworte ich es noch lange nicht, wenn voyeuristisch über Tote berichtet wird.

Alexander Geraldy 02. April 2015, 11:39

Umgekehrt wird aber auch ein Schuh draus. Gerade in der Zeit, in der wir viel über uns preisgeben und ein neuer Vermieter nur mal kurz googeln muss, wer ich bin und was ich gemacht habe, müssen Medien umso vorsichtiger mit meinem Namen umgehen, weil heute eben alles in Sekundenschnelle miteinander zu vernetzen ist und das Netz vergisst nicht.
Und kommen Sie mir bitte nicht mit 1973. 1973 gab es nicht hunderttausende Likes auf Facebook, tausende Hassfacebooknachrichten aufgrund eines Zeitungsartikels und ein wütender Mob war damals sehr lokal begrenzt. Wie das heute ausgehen kann, wenn man zu unvorsichtig mit Namen und Schuldvermutungen umgeht, zeigt beispielsweise dies

Und Sie haben wirklich nicht die Pflicht und sogar nicht einmal das Recht, die Leser über alles zu informieren was Sie wissen. Beschränken Sie sich bitte auf Dinge, die wirklich von Relevanz für die Leser ist. Schreiben Sie kritisch über wichtige gesellschaftliche und politische Themen, statt darüber zu sinnieren, dass jeder Leser ein Anrecht auf ihr Wissen über den Namen eines Täters/Tatverdächtigen hat. Ermittlungen und Verurteilungen finden nicht in der Presse, sondern immer noch im Rechtssystem statt und die Betroffenen erhalten Namen auf den zuständigen Kanälen. Nichtbetroffene müssen den Namen i.d.R. überhaupt nicht erfahren, es sei denn es handelte sich bereits vor der Tat z.B. um eine bekannte (politische) Person. Dann kann ein sehr sorgsames Veröffentlichen der Identität angebracht sein.

Ich habe dazu im Fall Germanwings eine ganz klare Meinung: Relevanz des Copilotennamens für die Öffentlichkeit war nicht gegeben, sorgsamer Umgang der Presse mit dem Namen ebenso wenig.

Wolfgang 02. April 2015, 11:48

Der Sohn von Herrn Gessler wird sicherlich nach der Namensnennung die selbe Aufmerksamkeit erfahren wie die Familie des Piloten . Vater mit 72 tot umgefallen und 150 Leute in den Tod gerissen ist ja fast das selbe.

Ich glaube ich verstehe Ihren Punkt nicht.

Gutman 02. April 2015, 13:17

Das mag ja sein, dass der volle Name des Copiloten bereits in einer Pressekonferenz in Frankreich ausgeplaudert wurde bzw. für eifrige Internet-Rechercheure anderwo verhältnismäßig leicht gefunden werden kann. Aber deswegen muss man ihn weder zum Mantra machen noch die möglichen Folgen auf labile Leser verkennen.

Ich empfehle sehr, sich mit den Ratschlägen der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention im Zusammenhang mit Selbstmord-Berichtersattung auseinanderzusetzen – nachzulesen unter http://www.naspro.de/dl/NASPRO-Medienempfehlungen.pdf. Dort heißt es unter anderem:
„Berichte über „Amoktäter“, die sich […] das Leben nahmen, führten gehäuft in zeitlicher Nähe zu ähnlichen Folgetaten.“ Und weiter: „In der Berichterstattung sollte alles vermieden werden, was zur Identifikation mit den Suizidenten führen kann.“

Der Vergleich mit 1973 hinkt – die Verhältnisse haben sich gewandelt. Vor allem sind die Möglichkeiten in die Privatsphäre anderer einzudringen, vielfältiger geworden. Ein Rest an Intimsphäre muss bleiben. Journalisten haben eine Verantwortung für andere. Es gibt Pressekodex und Berufsethos.

Nobody 02. April 2015, 16:11

Bin ich verdammt nochmal der einzige, der froh darüber ist, bis auf ein paar Kleinigkeiten aus der Lokalpresse keine passenden Treffer auf Google zu bekommen?

Felix Rohlfs 02. April 2015, 16:27

Lieber Herr Bandle,

das Paradoxon, dass Sie kreieren, ist in meine Augen keines.

„Je mehr die Leute freiwillig von ihrem Privatleben preisgeben, desto restriktiver sollen die Medien damit umgehen.“

1973 hatte der Name nur für diejenigen, die den Verstorbenen kannten, eine Bedeutung. Auch eine Kontaktaufnahme mit den Hinterbliebenen war nicht so ohne weiteres möglich, selbst mit der mitgelieferten Adresse.

Heute ist die Situation so, dass DURCH die Bekanntgabe des Namens in sekundenschnelle mit einer Googlesuche vielfältige zusätzliche Informationen und soziale Verbindungen(!) herausgesucht werden können und durch Querverweise auch schnell auf Freunde und/oder Angehörige des Copilots kommen und diese dann unverhältnismäßig belästigt werden.

Viele Grüße aus Frankfurt

Felix Rohlfs.

coolray 02. April 2015, 17:30

hmm@Rico Bandle
wenn das mit namen und adressen veröffentlichen nichts schlimmes ist, dann gehen sie doch mit gutemm beispiel voran. den namen kennen wir (wenn er stimmt)..fehlt nur noch die adresse.
ach ja und bei einem verdächtigen einer straftat, ist es doch super, wenn die medien name und adresdse nenne. dann muss der mob nicht umständlich versuchen den namen und die adresse rauszukriegen. da sind sie zum lynchen viel schneller vor ort. und wenn der dann unschuldig ist, iss es dumm gelaufen.
ubnd wenn man prominent ist, erst recht..dann gehört eine vor dem haus,bzw. der wohnung lungernde meute zum berufsrisiko. und als jpurnalist wäscht man seine hände in unschuld. ich hab ja nur namen und adresse genannt. was dann passiert..dafür kann ich nichts. schuld sind im zweifelsfall immer die anderen..gell ??

Christian 02. April 2015, 18:40

Je mehr die Leute freiwillig von ihrem Privatleben preisgeben, desto restriktiver sollen die Medien damit umgehen.

Was soll das denn für ein Argument sein? Erstmal verallgemeinert es ja ziemlich. Mag ja sein, dass viele Leute ziemlich alles aus ihrem Privatleben im Internet preisgeben. Das muss (und tut es auch nicht!) allerdings nicht mich (oder jeden anderen) betreffen. Wie kann man daraus also den Schluss ziehen, dass es für Medien in Ordnung wäre, alles zu veröffentlichen, da viele es ja sowieso tun?

Das hat schon teilweise die Züge vom Facebook-Gründer, der meint, Privatsphäre und das Recht darauf sei überholt, da ja die meisten freiwillig alles über sich veröffentlichen. Nur weil viele das tun, bin ich aber nicht bereit mein Recht auf Privatsphäre abzugeben!

bugsierer 03. April 2015, 10:03

wenn der staatsanwalt den namen genannt hat, muss das die ganze medienmeute nachäffen, ist ja klar. den namen zurückzuhalten wäre für uns leser ein ganz grosses informationsmanko, wir könnten das drama noch weniger einordnen.

sein eigenes tun mit dem schlechten tun der konkurrenz aufpolieren ist billig, einfallslos und für einen journalisten nicht angebracht (das machen kinder).

der artikel von herr brandle ist ein beispiel mehr, wie schlecht journalisten mit kritik umgehen können, er schwurbelt die kritik einfach weg oder stellt vergleiche an, die mit dem thema nichts zu tun haben, wie das herbeigeredete paradoxon von freizügigkeit in social media und gefordertem restriktivem umgang der medien.

und was ist ihr punkt mit dem herr gessler? dieser abschnitt strotzt genau vor dem, was den aufgeklärten bürger in den medien so anwidert: dieses unsäglich platte und inflationäre konjunktivgedöns.

Th. Schulte 04. April 2015, 01:03

Journalisten empfinden sich als Heilsbringer und Verteidiger der Demokratie …. als Heiligen Gral der Information …. sorry …. Otto Normalverbraucher ließt zwar die BILD aber blöd ist er nicht. Denke kein Journalist, der von jemanden bezahlt wird der seinen Standpunkt verbreiten möchte (unsere Medien) … sollte andere belehren …. gute Journalisten gibt es seit 20-30 Jahren nicht mehr …. nur noch bezahlte Sprecher der aktuellen Politiker.

Ach ja … Zensur ist auch ein Mittel der Politik und hat mit Journalismus nichts zutun … müssen Sie aber nicht wissen.

Frohe Ostern

A. Ungenannt 04. April 2015, 07:54

Hallo,

Ich bin dagegen Namen zu veröffenltichen, sofern es nicht um Personen handelt, die sehr bekannt sind. (nicht durch ihre Tat/Ereignis), sondern

Eigentlich sollte man sich als Journalist doch nur die Frage stellen: „Macht der Name einen Unterschied?“

„Eine Politikerin wurde von den USA“ vs „Die Bundeskanzlerin Angela Merkel wurden von den USA abgehört“. HIer macht es meiner Meinung nach einen Unterschied, denn dieser Kontext gibt der Information ein Gewicht.

Ob nun ein „Co-Pilot“ oder ein „Vorname Nachname“ einen Maschine abstürzen ließ, gibt der Nachricht keinerlei Mehrinformation. Genausowenig wie jemand der „fast“ in der Maschine geflogen wäre, und genausowenig wie was derjenige morgens gegessen hat.

Thomas 04. April 2015, 17:16

Sie verkennen bei Ihrem Paradoxon den zentralen Unterschied:

Private Informationen sind Privatsache. Der jeweils betroffene kann davon so viel oder wenig veröffentlichen, wie er möchte. Mit so einer Veröffentlichung gehen keine weiteren Veröffentlichungspflichten für andere Lebensbereiche einher.

Nur, weil ich meine Telefonnummer im Telefonbuch veröffentliche, stimme ich noch längst nicht zu, dass Fotos von mir in der Zeitungs abgedruckt werden. Wenn ein Schüler seine Freizeitfotos auf Facebook mit seinen Freunden, dann nimmt er eine gezielte Veröffentlichung bestimmter Informationen für einen bestimmten Kreis von Menschen vor. Facebook (und vergleichbare Firmen) veröffentlichen darüber hinaus garnichts (und täten sie es doch, dann würden in Mitteleuropa überall die Autos brennen).

Es scheint den Medien sehr schwer zu fallen, dieses Eigenbestimmungsrecht über den Grad der Veröffentlichung persönlicher Informationen zu verstehen.
Ich möchte es daher ganz deutlich sagen: Wenn ein Prominenter einen Teil seines Privatlebens veröffentlicht, dann mag man darüber diskutieren, wieviel Schutz er noch für den Rest davon genießt. Bei Nicht-Prominenten, für die Publicity kein geldwerter Vorteil ist, verbietet sich diese Frage aber von vornherein.

Paul 05. April 2015, 09:42

Hans Gessler war Vater von Uriella.

Konstantin 05. April 2015, 15:29

Auch wenn das hier eine Schweizer Seite ist – die hitzig geführte Diskussion um die Nennung des Namens des Co-Piloten ist für mich typisch deutsch. Man bekommt fast den Eindruck, die Nennung des Names berührt manche Gemüter mehr als der Flugzeugabsturz. Wie solche Diskussionen wohl auf die Familien der Opfer wirken? Warum zebricht man sich nicht die Köpfe darüber, wieviele andere Piloten mit psychischen Problemen irgendwo am Himmel unterwegs sind, weil sie auch ihre Krankschreibungen verschwiegen haben? Und was man dagegen tun kann? Der Fall zeigt ja, dass hier eine große Lücke im System der Flugsicherheit besteht. Daneben sollten die Familien der Opfer stille Anteilnahme und konkrete Hilfe bekommen.
Robert Steinhäuser, Anders Breivik, Armin Meiwes, Cho Seung-hui, Timothy McVeigh,… wurde jemals über die Namensnennung diskutiert? Im Anbetracht der Taten finde ich es belanglos, ob es in einer Zeitung heißt Anders B. oder Anders Breivik. Wer sich einzig mit dieser Frage befasst, wen einzig alleine oder primär die vollständige Nennung des Nachnahmens berührt, sollte mal darüber nachdenken, ob das die richtige Form der Empathie ist.

Ueli Custer 07. April 2015, 12:08

Das Beispiel mit der NZZ eignet sich nach meiner Meinung überhaupt nicht, um die Namensnennung des Germanwings-Copiloten zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass ich das mit der Nennung der Adresse auch aus heutiger Sicht extrem schräg finde. Doch damals handelte es sich offenbar um einen latent bekannten Mann.
Beim Piloten ist es aber völlig egal ob der Fritz Müller oder Hans Meier heisst. Es kennt ihn einzig sein persönlicher Bekanntenkreis. Die Namensnennung nützt mir als Medienkonsumenten nicht das geringste. Der Name ist völlig bedeutungslos – die im Gegensatz zur grauenhaften Tat.

whtvr 07. April 2015, 18:59

Wieder einmal sehen Kulturpessimisten allenthalben den Niedergang des Journalismus gekommen, weil die meisten Medien den Namen des Co-Piloten der abgestürzten Germanwings-Maschine genannt haben.

Da scheinen Sie etwas falsch verstanden zu haben, die Nennung des Namens ist a) lediglich eines von vielen Details der verabscheuungswürdigen Berichterstattung, und b) nicht ansatzweise mit der Nennung des Namens im Artikel aus der NZZ vergleichbar:
* Ist es vorstellbar, dass ein wütender Mob die Angehörigen eines toten Fußgängers bedrohen? Nein.
* Ist es vorstellbar, dass ein wütender Mob die Angehörigen eines sogenannten Massenmörders bedrohen? Leider ja.
* Ist es zum Zeitpunkt der Namensnennung vorstellbar gewesen, dass der Co-Pilot unschuldig, und ein technischer Defekt für den Absturz verantwortlich gewesen ist? Absolut, ja.

whtvr 07. April 2015, 19:04

…und fast noch wichtiger: ausgehend davon, dass der Co-Pilot den Absturz bewusst geplant und verursacht hat: spielte es in seiner Fantasie eine Rolle, dass nach der Tat alle seinen Namen kennen werden, und er somit in die Geschichte eingeht? Davon ist schwer auszugehen, und genau dies motiviert auch Nachahmer.